Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Jens Nacke [CDU]: Das ist uns so was von egal!)

Aber jetzt noch einmal zu dem Inhalt. Es wurde schon gesagt, dass es an Dreistigkeit und Zynismus nicht zu überbieten ist, wenn der E.ON-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen den angekündigten Arbeitsplatzabbau mit dem Atomausstieg begründet; denn die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Allerdings bezieht der Antrag auch keine klare Stellung zu den Hintergründen des angekündigten massiven Arbeitsplatzabbaus bei E.ON. Herr Jüttner hat jetzt aber mündlich einige der Punkte genannt.

Auch ich will noch auf einige aufmerksam machen. Die Leitung des E.ON-Konzerns hat den Energieausstieg ganz einfach verschlafen. Das Management bei E.ON hat seit Jahren viel zu zögerlich auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und auf die damit verbundene Umstellung der Konzernressourcen hin auf die dezentrale Energieerzeugung gesetzt, meine Damen und Herren. Jetzt will der E.ON-Vorstand die Folgen seiner verschlafenen Strategie auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Das ist auch für die Linke absolut nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN - Glocke der Präsidentin)

Mit den Stellenstreichungen soll der Konzern wieder fit für die internationalen Finanzmärkte gemacht werden. Aber, meine Damen und Herren, um die Energiewende ökologisch und zugleich sozial zu bewältigen, bedarf es nach Auffassung der Linken jedoch nicht nur der Förderung erneuerbarer Energien, sondern auch einer Neuorganisation der Energiewirtschaft. Das bedeutet für uns: Die Energieversorgung gehört in die öffentliche Hand!

(Beifall bei der LINKEN)

Nur das ist der entscheidende Schutz vor Arbeitsplatzabbau und Preiswucher.

Außerdem wird davon gesprochen, wir müssten dafür sorgen, dass der Konzern wieder mit den Betriebsräten spricht. Das ist richtig in der jetzigen Lage. Aber wir brauchen einen weitergehenden Schutz vor Arbeitsplatzabbau. Das bedeutet, wie ich gestern schon sagte, dass wir eine erweiterte Mitbestimmung brauchen.

(Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen einmal eine erweiterte Mitbestimmung in Aufsichtsräten, sodass dort die Vertreter

der Arbeitnehmer gleichberechtigt über wirtschaftliche Dinge mitbestimmen können, und wir brauchen auch eine erweiterte Mitbestimmung im betrieblichen Bereich, sodass auch die Betriebsräte das Recht erhalten, bei allen wirtschaftlichen Fragen mitzubestimmen, und nicht nur jetzt, wenn sozusagen das Haus gestrichen wird, bestimmen können, welche Farbe es hat. Das bedeutet, sie könnten den Arbeitsplatzabbau sozial mit gestalten. Wir wollen eine erweiterte Mitbestimmung.

Sie müssen zum Schluss kommen!

Nach wie vor bedaure ich sehr, dass Sie die Gespräche mit uns verweigern, um konstruktiv einstimmige Beschlüsse zu fassen. Vielleicht ändert sich das auf dieser Seite des Hauses noch einmal. Bei Ihnen habe ich keine Hoffnung. Von daher werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin König das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niedersachsen ist nun einmal ein fantastisches Energieland. Wir sind in vielen Bereichen an vorderster Front und führend. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch solche Betriebe wie E.ON hier in Niedersachsen behalten; das ist doch selbstverständlich. Natürlich werden wir alles tun, um die Mitarbeiter gerade in diesem Bereich zu unterstützen und die Arbeitsplätze hier in Niedersachsen zu behalten.

Aber das, was Sie hier sagen, ist zum Teil nicht ganz einfach. Natürlich hat auch die Energiewende dazu beigetragen, wenn man sich auf Kernkraft ausgerichtet hat und das plötzlich wegbricht. Natürlich gibt es auch Dinge, die sich in den letzten Jahren in den Strukturen geändert haben. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht auf der einen Seite morgens davon reden, dass wir irgendwelche Maßnahmen noch verstärken - kartellrechtlich und in Bezug auf Überwachungstechniken, bei denen E.ON natürlich auch eine Rolle spielt -, und nachmittags fordern, dass das alles wunderbar ist und dass wir die Arbeitplätze erhalten müssen. Wir müssen den Wirtschaftsstandort

Niedersachsen an allen Ecken stärken. Das steht im Vordergrund.

Dann lasse ich es auch nicht gelten, dass Frau Stief-Kreihe im Zusammenhang mit Fracking sagt, dass die Arbeitsplätze dabei keine Rolle spielen. Selbstverständlich spielen die eine Rolle. Sie spielen überall eine Rolle und haben oberste Priorität. Natürlich muss ein Betriebsrat in einem solchen Unternehmen mit einbezogen werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit und wird im Betriebsverfassungsgesetz gefordert.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Bei So- zialplanverhandlungen, oder was?)

Ich weiß gar nicht, warum hier immer Probleme aufgebaut werden und das infrage gestellt wird. Wir sollten uns letztendlich mit der Situation auseinandersetzen. Sie ist ernst genug. Dabei gehe ich mit meinen Vorrednern konform, dass der Betriebsrat einbezogen werden muss, und zwar in die allgemeinen Bereiche, nicht nur in die Entlassungen bzw. Umstrukturierungen, sondern ganz generell in die Verfahren, die E.ON betreffen, um sie wieder auf vernünftige Beine zu stellen. Deswegen sollten wir uns hier jetzt nicht zerfleischen oder uns irgendetwas vorwerfen, sondern wir sollten gemeinsam an diesem Antrag festhalten und dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze in Niedersachsen bleiben und dass es E.ON weiterhin in Niedersachsen vernünftig ergeht, sodass wir uns letztendlich auch mit ihnen identifizieren können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin König. - Auf Sie hat sich von der Fraktion DIE LINKE zu einer Kurzintervention für anderthalb Minuten Frau Kollegin Weisser-Roelle zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin. - Frau König, ich habe Ihnen wie immer sehr aufmerksam zugehört.

(Gabriela König [FDP]: Oh!)

Ich wollte nur noch einmal hören, ob ich es richtig verstanden habe. Sie haben eben gesagt, selbstverständlich müssen Betriebsräte in alle Belange mit einbezogen werden. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie im Grunde genommen auch meine Forderung befürworten, dass Betriebsräte eine wirtschaftliche Mitbestimmung brauchen?

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin König möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Frau Weisser-Roelle, wenn ich richtig informiert bin, ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz immer ein sogenannter Wirtschaftsausschuss in diese Belange einzubeziehen. Es ist allerdings Vertraulichkeit vorgesehen. Insofern haben wir wahrscheinlich keine Informationen darüber. Aber das gehört im Prinzip dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Der ent- scheidet aber nichts! - Ursula Weis- ser-Roelle [LINKE]: Das zeigt, dass Sie das nicht verstanden haben! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Ich unterbreche für 30 Sekunden, Herr Hagenah. Es sind jetzt so gerne Zwiegespräche gewünscht. - Die 30 Sekunden sind um. Herr Kollege Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Grüne-Fraktion haben uns auf den gemeinsamen Antrag in dieser Sache eingelassen, weil wir nur damit das doppeldeutige Verständnis für den E.ON-Vorstand aus dem CDU/FDP-Entwurf herausbekommen konnten. Nur damit gibt es eine breite Zustimmung im Hause.

Ich würde auch der Linken-Fraktion empfehlen, im Interesse der Arbeitnehmer mitzustimmen;

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir empfehlen, mit uns zu reden!)

denn das ist Politik an der Stelle. Wir stimmen manchmal auch Anträgen zu, die wir nicht selber gestellt haben. Das sollte in einem Parlament möglich sein.

Wir legen Wert auf eine starke Betonung der großen Managementfehler der Konzernleitung unter Herrn Teyssen und seinen Vorgängern, wofür die E.ON-Beschäftigten mit ihren Arbeitsplätzen nicht herhalten dürfen.

Für die vier großen Stromkonzerne war trotz des bereits 2002 auch von ihnen mit der Bundesregierung vereinbarten Atomausstiegs - sie haben ihre

Unterschrift darunter gesetzt - Kernkraft weiterhin das zentrale Geschäftsmodell, um kurzfristig hohe Gewinne zu erzielen. Sie haben schlicht darauf gesetzt, mit ihrer Lobbymacht ausreichend Druck in Richtung einer Revision des rot-grünen Atomausstiegs machen zu können. Darauf hat Herr Kollege Jüttner schon hingewiesen.

Dieses Pokerspiel der Konzerne gegen die gesellschaftliche Mehrheit, die weiter zum Atomausstieg stand, ging erst auf Druck von Fukushima verloren. Sie hätten ihnen beinahe den Gefallen getan. Das hat die siegesgewissen Monopolisten kalt erwischt. Besonders E.ON hat über Jahre seine Milliardengewinne fahrlässig in teure Einkaufstouren im Ausland investiert. Trotz des Rekordgewinns im Jahre 2010 in Höhe von 8 Milliarden Euro ist das Unternehmen mit mehr als 33 Milliarden Euro hoch verschuldet. Neben dem teilweisen Wegfall einiger ihrer AKW-Gelddruckmaschinen im Zuge der Energiewende ist auch die früher hoch profitable E.ON-Tochter Ruhrgas in schwerem Fahrwasser. Wir haben es vom Kollegen Jüttner gerade gehört. Man hat sich auf am Ölpreis orientierte Festpreise eingelassen und ist jetzt aufgrund des Preisverfalls wegen der Gasschwemme auch dort in die roten Zahlen gerutscht.

Wir Grüne fordern Herrn Teyssen auf, zur Verantwortung des Vorstands für diese Fehlentscheidungen zu stehen und die aktuelle wirtschaftliche Problematik, wenn nötig, durch Veräußerung einiger der ohnehin unübersichtlich gewordenen mehr als 1 000 Beteiligungen und Töchter des Unternehmens in Ordnung zu bringen und zu überbrücken.

Für mehr Effizienz bei E.ON sind eben nicht Personaleinsparungen, sondern ist eine Umstrukturierung in den Aufgabenfeldern dringend nötig. Der Vorstand muss klären, wie die Personalentwicklung mit einer aktiven Beteiligung an der Energiewende in Einklang zu bringen ist. Den großen Energieunternehmen bietet sich damit die Chance, dass sich ein konsequenter Umstieg in die erneuerbaren Energien mit dem dafür nötigen großen Personaleinsatz auch für sie auszahlt. Umstrukturierungsmaßnahmen müssen sich deshalb auf die grundsätzliche Ausrichtung der Konzernpolitik und auf Weiterqualifizierung ausrichten.

Die Energiewende bringt Arbeit ohne Ende, auch für E.ON, z. B. an den alten AKW-Standorten, durch den Aufbau von GuD-Kraftwerken, Windkraftwerken oder Speicheranlagen. Wenn E.ON das nicht selbst überall kann, wären sicherlich

genügend Stadtwerke bereit, das Personal zu übernehmen und die Standorte zu nutzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben das längst erkannt und stellen sich hinter diese Forderung. Auch für Aktionäre mit Interesse an nachhaltig werthaltigem Investment ist das ein lukrativer Weg für eine Sanierung des Konzerns.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Rolf Meyer [SPD])

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hagenah. - Nun hat das Wort für die Landesregierung Herr Minister Bode. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung wurde am 10. August 2011 von der E.ON-Konzernzentrale über die Einsparpläne informiert. Am gleichen Tag wurden diese Pläne im Rahmen einer Bilanzpressekonferenz des Unternehmens der Öffentlichkeit mitgeteilt.

E.ON prüft also gegenwärtig eine Vereinfachung der Konzernstruktur mit dem Ziel der Senkung der jährlichen Kosten um 1,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015. Nach ersten Überlegungen des Konzernvorstands können von dieser angestrebten Umstrukturierung weltweit 9 000 bis 11 000 Arbeitsplätze betroffen sein, davon gut die Hälfte in Deutschland. Dabei soll der Schwerpunkt im Verwaltungsbereich liegen, der aus der Sicht der Konzernleitung verschlankt werden muss. In Deutschland stehen dabei die Standorte München, Essen und Hannover im Fokus. Von den konzernweit mehr als 80 000 Beschäftigten sind etwa 35 000 Mitarbeiter in Deutschland tätig, davon rund 1 000 hier bei uns in Hannover. Nach Auskunft der Gewerkschaft besteht für Hannover eine Standortgarantie bis zum Jahr 2012. Bis dahin sind betriebsbedingte Kündigungen verbindlich ausgeschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Gesprächen, die die Landesregierung mit der Konzernleitung geführt hat, wurde uns versichert, dass derzeit noch keine konkreten Entscheidungen zur Umstrukturierung und zum Abbau von Arbeitsplätzen getroffen worden sind. Dies gilt bis heute auch