Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Gesprächen, die die Landesregierung mit der Konzernleitung geführt hat, wurde uns versichert, dass derzeit noch keine konkreten Entscheidungen zur Umstrukturierung und zum Abbau von Arbeitsplätzen getroffen worden sind. Dies gilt bis heute auch

für den Standort Hannover. Konkrete Festlegungen sind nach unserem jetzigen Kenntnisstand frühestens im Herbst nach der nächsten Aufsichtsratssitzung, die für November 2011 geplant ist, zu erwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung wird diese Zeit dazu nutzen, die intensiven Gespräche fortzuführen, mit der Konzernleitung, mit dem Betriebsrat und mit Gewerkschaften. Für uns stehen dabei Beschäftigungs- und Standortsicherung im Vordergrund. Unser Ziel ist es, so viele Arbeitsplätze wie möglich und so viel Know-how wie möglich in Hannover zu halten und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Von daher wurden die im Entschließungsantrag genannten Punkte von der Landesregierung bereits als wichtige Leitlinien erkannt und sind auch Grundlage der schon stattfindenden Gespräche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende stellt Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Selbstverständlich müssen sich gerade auch die großen Energieunternehmen auf die veränderte Situation einstellen und über Optimierungsprozesse nachdenken.

Ich bin aber der festen Überzeugung, dass im deutschen Atomausstieg auch eine historische Chance liegt, die uns international in eine führende Rolle bei der Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien bringen kann. Diese Chance muss von allen Beteiligten beherzt ergriffen werden. Für E.ON und andere Energieanbieter bietet sich die Möglichkeit, ganz neue, zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu erschließen und neues Potenzial zu entwickeln, das später weltweit genutzt werden kann. Dazu bedarf es natürlich der hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so wie beispielsweise hier am Standort von E.ON in Hannover.

Ich appelliere daher an das Unternehmen, den Umstrukturierungsprozess so zu gestalten, dass das vorhandene Know-how der Beschäftigten nicht durch Kündigungen verloren geht, sondern zum Aufbau neuer, innovativer Geschäftsfelder genutzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung wird diesen Weg konsequent weiter verfolgen und steht den Unternehmen als Partner in den Gesprächen zur Verfügung, natürlich nicht nur den großen Energiekonzernen wie E.ON, sondern auch den vielen mittelständischen Unterneh

men, die ebenfalls in diese Herausforderung eintreten müssen.

Ich freue mich, dass sich der Landtag in großer Einmütigkeit, wie es bei anderer Gelegenheit auch der Fall war, mit einer Entschließung ebenfalls an die Seite der Betroffenen stellt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Letztes Mal war das anders!)

Ich wünsche mir, dass wir alle gemeinsam in unseren Bemühungen eine schnelle Klarheit für die Betroffenen, einen guten Ausgang für die Betroffenen und auch einen guten Ausgang für den Energiestandort Niedersachsen und Hannover erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister Bode. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Sie haben eingangs des Redebeitrags des Kollegen Dr. Matthiesen gehört, dass er die sofortige zweite Beratung und die Abstimmung über den Antrag beantragt hat. Das kann nach § 39 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung geschehen, sofern nicht gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung mindestens 30 Mitglieder des Landtages für eine Überweisung des Antrages und damit auch des Änderungsantrages an einen oder mehrere Ausschüsse stimme sollte. Insofern frage ich entsprechend unserer Geschäftsordnung zunächst einmal, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. - Das sehe ich nicht.

Damit kommen wir zur Abstimmung in der Sache.

Entsprechend § 39 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 unserer Geschäftsordnung stimmen wir zunächst über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4004 ab. Nur im Falle der Ablehnung dieses Änderungsantrages stimmen wir anschließend über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/3898 ab.

Wer also den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4004 zu dem Antrag in der Drs. 16/3898 annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen?

Wir sind uns hier oben einig, dass wir die Abstimmung gleich wiederholen werden.

(Zurufe: Warum das?)

- Auf den Abgeordnetensitzplätzen dürfen nur Abgeordnete sitzen. Deswegen gibt es hier oben einige Irritationen. Ich möchte Frau Ministerin Wanka bitten, sich von ihrem Platz zu erheben und sich zu ihrem Platz auf der Regierungsbank zu begeben.

(Unruhe)

- Sonst heißt es, wir würden die Sitzung nicht ordnungsgemäß leiten. Da sind wir sehr konsequent.

Ich wiederhole die Abstimmung über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4004. Wer ihn annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag der vier Fraktionen angenommen und der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Fassung des interfraktionellen Änderungsantrages insgesamt angenommen worden. - Herzlichen Dank.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Erste Beratung: Bürger umfassend informieren und aufklären - durch Energiebildung die Energiewende erfolgreich meistern - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/3914

Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Miesner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Der Strom kommt aus der Steckdose.“ Ja, das ist richtig, aber viele, auch viele politisch Tätige, blenden aus, dass Strom erzeugt werden bzw. aus anderen Energieträgern gewandelt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Belegt wird diese Aussage durch eine Erhebung des Forschungsinstituts Forsa. Laut dieser Befragung wissen nur 50 % der Bevölkerung, woher der Strom kommt und wie er erzeugt wird. 36 % dagegen wissen nicht, woher der Strom kommt. Das

jedenfalls sagt die Untersuchung aus. Für sie kommt der Strom einfach aus der Steckdose.

Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, dann müssen wir alle gemeinsam die Bürgerinnen und Bürger, die Verbraucher umfassend informieren und aufklären. Es gilt, die Menschen mitzunehmen auf dem Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien.

Heute werden bundesweit bereits über 20 % des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt, 2030 sollen es 50 % und in 40 Jahren 80 % sein. Für Niedersachsen als dem Energieland Nummer eins in Deutschland sind das enorme Chancen, aber wir sind hier auch besonders gefordert. Als Windland Nummer eins, als Bioenergieland Nummer eins, als das Land mit sehr vielen Photovoltaikanlagen haben wir zusammen mit den neuen Windkraftanlagen in der Nordsee ausgezeichnete Perspektiven als Land der erneuerbaren Energien.

Aber der Strom will auch zum Verbraucher, zu den Privatkunden, zu den Industriebetrieben und zu den Betrieben in Gewerbe, Handel und Handwerk. Nur zur Erinnerung: Ein Drittel des Stroms wird von Privathaushalten, aber zwei Drittel werden von allen anderen Abnehmern - Wirtschaft, Verkehrswesen, öffentliche Hand - verbraucht. Es genügt also nicht, wenn wir uns alle ein Windrad in den Garten stellen.

Es gilt, Speicher zu bauen, die Angebot und Nachfrage ausgleichen. Es gilt, Maßnahmen zur Energieeffizienz und Energieeinsparung zu forcieren. Aber es ist auch nötig, neue Netze zu bauen, um den im Norden erzeugten Strom zu den Verbrauchern im Süden zu transportieren bzw. einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energieversorgung wird sich gravierend verändern. Die Erzeugung wird dezentraler, sie wird ländlicher und vor allem für uns alle sichtbarer. Der Transport wird durch neue Leitungen visuell spürbar, und die Versorgung wird intelligenter, da die Nachfrage auch dem Angebot angepasst wird. Während ein Kernkraftwerk um die 1 200 MW Strom erzeugt, bringen es Windkraftanlagen in Deutschland üblicherweise auf maximal 3 MW. Während Großkraftwerke ca. 8 000 Volllaststunden pro Jahr und damit es auf eine Verfügbarkeit von 90 % bringen, liegt die Verfügbarkeit bei Windkraftanlagen bei ca. 30 %.

(Rolf Meyer [SPD]: Was willst du uns damit sagen?)

Überschlägig sind also pro abgeschaltetes Kernkraftwerk 1 200 Windkraftanlagen im ländlichen Raum nötig.

Während Großkraftwerke dort gebaut werden, wo der Schwerpunkt des Verbrauchs liegt, also in den Verbrauchszentren, sind die Anlagen der erneuerbaren Energien dort zu finden, wo eben kein Verbrauchsschwerpunkt liegt. Zwangsläufig sind neue Leitungen nötig, und das in nicht geringem Umfang für uns in Niedersachsen.

Während das Zeitalter vor den erneuerbaren Energien die Grundlast, die Mittellast und die Spitzenlast ihrer jeweiligen Kraftwerksarten kannte, ist es heute so, dass nach Abschalten der grundlastfähigen Kernkraftwerke eben - von Bioenergieanlagen und der Geothermie abgesehen - kein gleichwertiger Ersatz geschaffen wird, der die Grundlast sicherstellt. Nötig sind also neue Speicher, um Angebot und Nachfrage anzupassen. Ein gewisser Ausgleich wird über intelligente Netze geschaffen, will heißen, dass Strom zu nachfrageschwachen Zeiten zu anderen Konditionen angeboten wird als zu Zeiten, in denen eine hohe Nachfrage herrscht.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Sie sehen, vor uns liegen enorme Herausforderungen, wenn wir die Energiewende schaffen wollen. Die Gesellschaft sagt Ja zur Energiewende, meine Damen und Herren, aber die Maßnahmen, die dafür nötig sind, erfordern eine enorme Kraftanstrengung. Es gilt, die Menschen in das Zeitalter der erneuerbaren Energien mitzunehmen. Menschen nehme ich mit, wenn ich sie aufkläre und informiere: Wie verändert sich die Stromerzeugung? Wie kann ich Angebot und Nachfrage anpassen? Was sind intelligente Netze? Was verbirgt sich hinter den Begriffen „smart-grids“ und „smartmeter“? Was ist an Leitungsausbau nötig? Warum und wo sind Stromspeicher nötig? Wie kann ich persönlich dazu beitragen, Energie einzusparen? - Das sind nur einige Fragen, die uns bewegen und die mit dem Verbraucher, mit den Menschen besprochen werden müssen, damit uns die Energiewende gelingt. Und die Energiewende ist gewollt, von uns allen, von unserer Gesellschaft.

Energiebildung beginnt bereits in der Schule: Wo wird der Strom erzeugt, wie wird er verteilt, wie werden Angebot und Nachfrage ausgeglichen? Was ist zu tun, damit der Strom immer dann aus

der Steckdose kommt, wenn er benötigt wird? Was müssen die Energieversorger leisten, um Netzstabilität und Versorgungssicherheit sicherzustellen? - Ohne Frage, die Schulen sind im Sachkundeunterricht und in den naturwissenschaftlichen Fächern bereits gut auf dem Weg. Ebenso gibt es bereits diverse Initiativen und Projekte. Genannt seien hier das EFZN, der Bundesverband Schule Bildung Energie und das Institut für Ökonomische Bildung in Oldenburg.

Wir wollen mit den Bildungsträgern, mit Handwerk und Industrie erörtern, welche weiteren Möglichkeiten bestehen, das Thema „Energie“ noch stärker in ihre Aus- und Weiterbildungsprogrammen zu integrieren. Das alles sind sehr gute Ansätze, die wir noch mehr zusammenführen wollen.

Ich bin dabei sehr optimistisch. Wir werden die Energiewende gemeinsam schaffen, gemeinsam mit den Menschen und mit den Verbrauchern bei uns in Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Rolf Meyer [SPD]: Sie hätten mal et- was zum Antrag sagen sollen!)

Frau Korter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit mehr Energiebildung in Niedersachsens Schulen wollen CDU und FDP die Energiewende meistern. Sie sorgen sich angeblich ernsthaft um offene Fragen zu den finanziellen Belastungen der Energiewende oder des Netzausbaus und um die verunsicherten Bürgerinnen und Bürger.

Meine Damen und Herren, 35 Jahre lang waren CDU und FDP beratungsresistent, wenn es darum ging, dass sich sehr gut informierte Bürgerinnen und Bürger engagierten und den Atomausstieg, den Ausstieg aus der Risikotechnologie, forderten. Noch vor knapp einem Jahr haben Sie ohne Rücksicht auf über 100 000 Demonstrierende in ganz Deutschland in enger Absprache mit den großen Energieversorgern per Hotline der Bundeskanzlerin im Bundestag beschlossen, die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern, statt die AKWs so, wie es im Konsensvertrag vorgesehen ist, abzuschalten. Auch die schwarz-gelbe

Landesregierung in Niedersachsen hat diesen Beschluss im November 2010 im Bundesrat mitgetragen.