Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Leuschner, uns reicht das bloße Erwähnen von Präventionsabsichten nicht aus. Das ist gar keine Frage. Aus den Beratungen, die wir geführt haben, bleiben für mich zu diesem Thema insgesamt drei Punkte.
Erstens. In Niedersachsen ist der Personenkreis, auf den dieser Antrag zielt, durchaus übersichtlich. Wir haben es in unserem Land nicht mit einer großen Welle von islamistischen Terroristen und Extremismus zu tun.
Zweitens. Wenn es - das hatten Sie gerade angesprochen - mit der Aufklärung und Prävention ernst gemeint wäre, wäre es ein folgerichtiger Schritt, dass der Landtag die Landeszentrale für politische Bildung wieder einrichtet und dass dort über diese Dinge aufgeklärt wird. Denn natürlich ist das nicht eine Aufgabe des Verfassungsschutzes. Das haben wir hier schon öfter berichtet.
Drittens. Es erschließt sich mir nicht, warum wir einen großen Teil über Dinge reden und sie letztlich beschließen sollen, welche eine Selbstverständlichkeit sind.
Ich habe vielmehr den Eindruck, dass wir Herrn Innenminister Schünemanns Angstkampagne parlamentarisch begleiten sollen. Dafür steht meine Fraktion nicht zur Verfügung.
Mit seinen Äußerungen zu diesem Thema spaltet Herr Innenminister Schünemann unsere Gesellschaft und sorgt für Unfrieden. Eine nachhaltige Integrationsdebatte wird damit sogleich im Keim erstickt.
Meine Damen und Herren, wenn Herr Minister Schünemann öffentlich beklagt, dass Sicherheitsbehörden bisher aus den Moscheen fast keine Informationen erhalten, und die Moscheegemeinden auffordert, deutlich häufiger Hinweise auf sogenannte mögliche Fanatiker in ihren Reihen zu geben, und sich für den Aufbau fester Anlaufstellen in allen deutschen Kommunen ausspricht, an die sich Moscheeverbände, Eltern, Lehrer, Nachbarn mit Hinweisen auf mögliche Extremisten wenden können, dann ist das nichts anderes als der Versuch, ein Klima der Denunziation und der Bespitzelung zu schaffen. Das wiederum hat mit Prävention nichts zu tun.
Zum Schluss möchte ich auf eine Rede von Herrn Schünemann eingehen, die er in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg gehalten und in der er den islamistischen Terrorismus als gesamtgesellschaftliche Herausforderung ersten Ranges beschrieben hat. Dafür, meint er, sei es vonnöten, eine ganzheitliche Antiterrorstrategie des Bundes und der Länder herzustellen.
Das, was er dafür will, möchte ich hier gleich einmal sagen: erstens eine schlagkräftige operative Terrorismusbekämpfung mit nachrichtlichen, polizeilichen und strafjustiziellen Mitteln. Dafür müssten, so meint er, die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder über die notwendigen Eingriffsbefugnisse zur Informationserhebung verfügen.
Zweitens möchte er einen gut aufgestellten Bevölkerungsschutz - das ist ja nicht schlecht -, indem er die Unterstützung der Streitkräfte bei Großschadensereignissen im Inland auch nach der Bundeswehrstrukturreform gesichert sehen will. Die bewährten Strukturen der zivil-militärischen Zusam
menarbeit dürften nicht unüberlegt zerschlagen, sondern müssten intelligent und behutsam fortentwickelt werden.
Meine Damen und Herren, so schafft man keinen Frieden in einem Land, und so kommen wir auch mit Integration und Prävention bezüglich irgendwelcher Straftaten nicht weiter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir in Deutschland durch islamistischen Terrorismus permanent und latent bedroht sind, steht außer Zweifel. Es gibt da überhaupt nichts zu verharmlosen.
Allerdings - das hat die Kollegin Zimmermann gerade völlig richtig ausgeführt - bedarf es für diese Erkenntnis dieses Antrages nicht. Es reicht nicht aus - auch das ist schon erwähnt worden -, das Wort „Prävention“ groß und dick in einen Antrag hineinzuschreiben. Es muss auch ganz konkret irgendein Inhalt folgen.
Mein Kollege Ralf Briese hat bei der Einbringung und im Ausschuss zu dem Antrag gesagt, der Antrag sei inhaltsleer, enthalte keinerlei konkrete Maßnahmen und enthalte keinen politischen Mehrwert. Schon allein deshalb lehnt Bündnis 90/Die Grünen diesen Antrag ab.
Selbst da, wo ein bisschen Inhalt zu erkennen ist, ist dieser falsch und überhaupt nicht zustimmungsfähig. Ich komme im Einzelnen auf die Punkte zu sprechen.
Unter Punkt 1 fordern Sie - das ist auch gerade in den Reden deutlich geworden -, dass die Integrationspolitik durch Präventionsstrategien flankiert werden muss. Diese Vermischung von Prävention, Terrorismus und Integration halten wir Grüne für ein völlig falsches Signal und lehnen sie ab. Integration ist ein Anspruch für die Menschen, die hier zuwandern, und eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Integration sollte nicht zu ei
Wenn wir diese Gedankengänge ernst nehmen würden, müssten wir sämtliche Integrationsprogramme für Personengruppen, die nicht von Radikalisierung bedroht sind - z. B. ältere Frauen über 60 -, zurückfahren, weil sie nicht der Prävention von Terrorismus dienen. Das kann doch wirklich nicht zukunftsweisende Integrationspolitik sein.
Unter Punkt 2 fordern Sie, Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen. Das ist ja schön und richtig. Aber in der Tat - das hat Frau Leuschner richtig ausgeführt, die aus irgendeinem Grund trotzdem zustimmt -
wäre doch eine wichtige Maßnahme, um Radikalisierungsprozessen vorzubeugen, dass Sie das Phänomen der Islamfeindlichkeit ernsthaft und intensiv bekämpfen.
Gerade dieses Gefühl, als Moslem hier in Deutschland nicht willkommen zu sein, als Moslem immer wieder stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden, trägt ganz wesentlich zur Radikalisierung bei. Aber auf Islamfeindlichkeit gehen Sie in diesem Antrag mit keiner Silbe ein, meine Damen und Herren.
Unter Punkt 3 - das begrüßen wir durchaus - fordern CDU und FDP offenkundig ihren Innenminister auf, zukünftig seine stigmatisierenden Äußerungen gegenüber muslimischen Organisationen endlich zu unterlassen. Das begrüßen wir. Aber auch dafür hätte es den Antrag nicht gebraucht. Vielleicht hätten Sie das dem Innenminister schon vor Jahren einmal direkt in einem Gespräch sagen können. Diesen einzelnen Punkt würden wir sogar unterstützen.
Unter Punkt 5 - dieser Punkt hat ja erschreckende Aktualität erreicht - gehen Sie auf die Überwachungsmittel der Kommunikation ein. Sie fordern die Sicherheitsbehörden auf, diese Mittel im Rahmen des geltenden Rechtes einzusetzen. Auch dieser Forderung würden wir uns anschließen. Sie machen aber offensichtlich deutlich, dass Sie Zweifel haben, ob sich ohne eine solche Aufforde
rung die Sicherheitsbehörden tatsächlich an das geltende Recht halten. Bayern zeigt, dass diese Zweifel leider tatsächlich sehr berechtigt sind. Wir werden genau prüfen, wie es in Niedersachsen darum bestellt ist.
Insgesamt können die Grünen, meine Damen und Herren, diesem Antrag, der keine konkreten Maßnahmen enthält und der falsche Hinweise setzt, nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die aktuelle Diskussion eher von linksextremistischem Terrorismus geprägt ist - Stichwort „Brandanschläge auf die Deutsche Bahn in und um Berlin“ - und man das dahinterstehende Potenzial noch nicht abschätzen kann, so scheint doch die generelle Lagebeurteilung der Sicherheitsbehörden richtig zu sein, dass der islamistische Terrorismus auf Sicht die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland darstellt.
Diese Gefahr geht nicht nur von bekannten organisierten Tätergruppen aus, sondern auch von eher unscheinbaren Einzeltätern, auch von solchen, die einen deutschen Pass haben, die deutsche Sprache beherrschen und mindestens oberflächlich als integriert gelten können.
Das bedeutet, dass wir dem Radikalisierungsprozess besondere Aufmerksamkeit entgegenbringen müssen. Hier dürfen wir nicht die Augen verschließen.
Die Erfahrungen haben schließlich gezeigt, dass es radikalen Predigern auch in Niedersachsen gelingt, mehrere Hundert Personen anzuziehen, um ihre Hassbotschaften zu verbreiten. Dabei spielen die sogenannten salafistischen Gruppen eine besondere Rolle.
Deren Botschaften fallen offenbar insbesondere bei jungen Muslimen der zweiten und dritten Generation auf fruchtbaren Boden. Es muss uns alarmieren, dass das Einstiegsalter in diese Szene in Einzelfällen bei 14 oder 15 Jahren liegt. Prävention ist vor diesem Hintergrund eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ersten Ranges.