Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

(Beifall bei der SPD)

Die Arbeiten erledigen rund 100 Vollzeit- und 180 Teilzeitkräfte, über 500 Honorarkräfte und ca.

1 800 Ehrenamtliche. 150 junge Menschen in den Freiwilligen Sozialen Jahren oder auch als Praktikanten kommen dazu. Ein Drittel der Einrichtungen kommt ohne ein Hauptamt aus und ist allein auf das Ehrenamt gestützt. Auch das ist bemerkenswert.

18 Millionen Euro stehen den Kulturzentren im Jahr zur Verfügung. Die Hälfte davon erwirtschaften sie selbst. Frau Wanka hat das erwähnt. Die andere Hälfte kommt aus institutioneller Förderung oder auch von Kommunen oder aus Projektmitteln der Landschaftsverbände, von Stiftungen oder von anderen. Keine andere Kultursparte finanziert sich so aufwendig gemixt. Das Land ist dabei relativ bescheiden. Die Daten haben wir gehört. Der Anteil der Förderung umfasst noch nicht einmal 0,5 % des Landeskulturhaushalts. Das wiederum ist für die Finanzpolitiker vielleicht keine bemerkenswerte Zahl, für uns in der Kulturpolitik aber doch sehr. Auch wenn dieser Anteil relativ bescheiden ist, verdient er Respekt und Anerkennung.

Geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Analyse der Antwort der Landesregierung möchte ich hier drei Punkte hervorheben.

Punkt 1: Die Landesregierung verfällt selbst beim Thema Soziokultur einmal wieder der Versuchung, alles in Niedersachsen erst einmal undifferenziert und fern jeder Selbstkritik schönzureden bzw. schönzuschreiben. Die Größe, Schwächen einzugestehen, Defizite zu beschreiben oder gar Lösungen zu präsentieren, vermisst man. Das ist vor allem deswegen schade, weil niemand in diesem Landtag oder auch bei den Kulturengagierten für die komplexen Probleme der Kulturförderung auch in Zukunft allumfassende Antworten geliefert bekommen möchte oder den Anspruch hat, dass es so schnell gelingen kann. Sie, Frau Ministerin Wanka, machen aber noch nicht einmal den Versuch einer selbstkritischen Reflektion der Vergangenheit zur Soziokultur. Sie haben keinen Mut, die durchaus offensichtlichen Mängel zu beschreiben und auch Wege der Problemlösung aufzuzeigen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Was soll denn das jetzt?)

Den finanziellen Aderlass, den die Soziokultur seit 2005 durch die Regionalisierung der Kulturmittel hinnehmen musste - Frau Dr. Heinen-Kljajić hat das beschrieben -, ist bis heute nicht aufgefangen. An einer aussagekräftigen unabhängigen Evaluierung der regionalisierten Förderung ist dem MWK nicht gelegen.

Punkt 2: Die Antwort auf alle inhaltlichen Fragen - z. B. der kulturellen Bildung, der Stärkung der Soziokultur oder auch zu den Handlungsempfehlungen - ist immer dieselbe: Zielvereinbarungen. Die mehrere Jahre umfassenden Zielvereinbarungen mit den Kulturorganisationen und Kultureinrichtungen geben unbestritten ein gewisses Maß an Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

Hier nutzt man es aber einmal wieder als Ausrede, um offensichtliche Probleme in der Stabilisierung der soziokulturellen Angebote wegzubügeln und zum Problem der jeweiligen Einrichtung zu machen. Doch die Finanzierungsstruktur in der Soziokultur ist schief. Der Anteil der institutionellen Förderung ist im Bundesvergleich deutlich zu niedrig. Der Druck auf die Einrichtungen, eigene Einnahmen zu generieren, ist sehr hoch. Wegbrechende Förderungen unserer klammen Kommunen sind ebenfalls problematisch. Das alles belastet die Arbeit der Soziokultur sehr und widerspricht im Übrigen auch dem Kulturvermittlungsverständnis der Soziokultur und schränkt letztlich die Vielfalt der Kulturangebote ein.

Punkt 3: Der Sanierungsstau in den soziokulturellen Einrichtungen ist immens. Die LAGS hat darauf in der Kommentierung der Antwort auf die Große Anfrage deutlich hingewiesen. Für energetische Maßnahmen, barrierefreie Zugänge und anderes schätzt man ein Investitionsvolumen von über 7 Millionen Euro. Der jetzt von der Landesregierung aufgelegte Sondertopf ist nicht im Ansatz ausreichend. Hier ist Kreativität gefordert, um auch auf Bundes- und Europaebene Mittel einzuwerben, um diesem Notstand zu begegnen. Damit können wir die LAG Soziokultur nicht allein lassen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich, dass wir zur Stärkung der Soziokultur in Niedersachsen einiges tun müssen. Wir brauchen verlässliche Strukturen, die auch die personalen Rahmenbedingungen erhalten. Wir müssen mit den Kommunen einen Weg finden, um sicherzustellen, dass die Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen, die sich in den nächsten Jahren in allen Kommunen verstärken werden, nicht zulasten der Soziokultur gehen, weil jede noch so kleine Kürzung der Finanzierung zu wirklich existenziellen Problemen bei der Soziokultur führt.

Wir brauchen eine ressortübergreifende Finanzierung in der Soziokultur. Das Kultusministerium und auch das Sozialministerium sind gefordert, sich dort einzubringen. Wir brauchen den Generations

wechsel in der Soziokultur mit einer Stärkung der Plätze im FSJ, aber auch in einem Volontariatsprogramm wäre das möglich. Wir brauchen in der Soziokultur die Stärkung des Ehrenamtes. Grundsätzliche Vereinfachungen im Zuwendungsrecht, reduzierte Verwaltungsanforderungen und Bürokratieabbau würden den vielen Ehrenamtlichen in der Soziokultur sehr helfen und ihnen die Möglichkeit geben, sich noch mehr zu engagieren, als sie es ohnehin schon tun.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion dankt allen Engagierten in der Soziokultur sehr. Wir danken der LAGS sehr und werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Soziokultur auch in den kommenden Zeiten von Schuldenbremse und klammen Finanzen weiterhin eine ordentliche Arbeit machen kann. Herzlichen Dank für ihre Arbeit!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt der Kollegin Prüssner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, kurz mit der Definition von Soziokultur zu beginnen, wie man sie bei Wikipedia findet. Danach versteht man unter Soziokultur die Summe aus allen kulturellen, sozialen und politischen Interessen und Bedürfnissen einer Gesellschaft bzw. einer gesellschaftlichen Gruppe. Soziokultur ist aber auch ein Fachbegriff der Kulturpolitik. Er bezeichnet hier eine direkte Hinwendung von Akteuren und Kultureinrichtungen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zum Alltag.

Meine Damen und Herren, warum dieser Hinweis auf diese allgemeine Definition? - So allgemein, wie man es formulieren kann, so komplex ist die Realität. Davon konnten wir uns im Arbeitskreis an den verschiedensten Stellen im Lande überzeugen: im Historischen Speicher in Freiburg an der Elbe, die soziokulturellen Projekte der Ländlichen Akademie Krummhörn und gerade erst am Montag - Vertreter sitzen in der Loge, willkommen! - in Göttingen. Dort hat sich uns der Kunst e.V. in sehr beeindruckender Weise präsentiert. Natürlich gibt es weitere Beispiele überall in Niedersachsen und auch in meinem Heimatwahlkreis in Goslar.

71 soziokulturelle Zentren, Vereine und Initiativen gibt es in Niedersachsen. Auf diese Komplexität geht auch die sehr umfangreiche Antwort des MWK zur Rolle der Soziokultur in Niedersachsen

ein. Dort gibt es deutliche Hinweise zu den verschiedensten Themen.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, bei Frau Ministerin Wanka und natürlich bei der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur für diese Fleißarbeit zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der Grünen bedanken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich den Hinweis auf die Vielseitigkeit und Komplexität gleich nutzen, um Sie noch einmal auf die Ausführungen zu den Kulturindikatoren aufmerksam zu machen. Frau Heinen-Kljajić und Frau Behrens, dort wird sehr deutlich, dass alle Vergleiche bislang nur einen Versuch darstellen, Zahlen, Daten und Fakten in Bezug zu setzen. Es ist natürlich einleuchtend, dass sich zwingende Unterschiede zwischen Flächenländern und Stadtstaaten ergeben. Insofern führen die ressortspezifischen Unterschiede zwischen den Ländern dazu, dass eine wirkliche Vergleichbarkeit nicht gegeben sein kann. Daher ist es zu begrüßen, dass 2009 vereinbart wurde, dem Statistischen Bundesamt den Auftrag für die Konzeption einer einheitlichen Kulturstatistik zu erteilen.

So unterschiedlich sich die soziokulturellen Notwendigkeiten und Gegebenheiten im Bund darstellen, so unterschiedlich sind sie natürlich auch auf der Landesebene und auf der kommunalen Ebene. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich kurz auf das eingehen, was sicherlich eines der Grundanliegen der Großen Anfrage war, nämlich den finanziellen Beitrag des Landes zur Vielzahl der Einrichtungen und Aktivitäten. Dass alle diese Einrichtungen, Gruppierungen und sonstig in diesem Bereich engagierten Bürgerinnen und Bürger einen großen Beitrag zur kulturellen Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen leisten, steht außer Frage.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Frau Kollegin, ich mache das bei Ihnen jetzt genauso wie bei Ihrer Vorrednerin Frau Behrens. - Das zeigt auch ohne weitere Erläuterung Wirkung. Bitte!

Ob aber diese Tatsache in einem groben Missverhältnis zu ihrer öffentlichen Förderung steht, wie die Anfrage der Fraktion der Grünen ausführt, ist sicherlich sehr stark interpretationsbedürftig. Denn die Zahlen aus der Antwort der Landesregierung sprechen deutlich eine andere Sprache. Das fängt bei der Neuorganisation des Zugangs zu Fördergeldern an, geht über die Förderphilosophie und endet bei der tatsächlichen Förderung in den unterschiedlichsten Bereichen wie Räumlichkeiten, Personal und Finanzen.

Unabhängig davon ist festzustellen, dass sich die niedersächsische Kulturpolitik seit 2003 kontinuierlich weiterentwickelt hat. Dazu möchte ich noch einmal erklären - Frau Ministerin Wanka hat die Zahlen eben schon genannt -, dass wir aktuell für den Doppelhaushalt 2012/2013 zusätzliche Mittel für die Soziokultur bereitgestellt haben, um notwendige Sanierungen bei soziokulturellen Zentren in Niedersachsen voranzutreiben.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU])

Jeweils 550 000 Euro pro Jahr werden zusätzlich für investive Maßnahmen bereitgestellt, und für Beratungsleistungen der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur gibt es künftig eine Aufstockung um jährlich 60 000 Euro.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun bin ich natürlich gespannt, Frau Heinen-Kljajić und Frau Behrens, welche Haushaltsanträge im Bereich Soziokultur von den Grünen und von der SPD kommen.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Die haben wir immer gestellt!)

Auch noch ein anderer Aspekt erscheint mir vor dem Hintergrund, dass wir mit unserer Unterstützung auf einem sehr guten Weg sind, noch anmerkenswert. Wir alle wissen, dass wir die demografischen Veränderungen nicht zurückschrauben können. Die Begrifflichkeit „Wir werden immer weniger, älter, bunter“ ist uns allen geläufig und hat im Bereich der soziokulturellen Aufgabenstellungen ihre ganz eigene Bedeutung. Dieser Bedeutung wird man nach meiner festen Überzeugung sicherlich nicht umfänglich gerecht, wenn man sie einzig am Maß der öffentlichen Förderungen festmacht.

Die Personalstatistik auf Seite 25 der Antwort zeigt - Frau Behrens hat das vorhin schon ausgeführt -, dass von den 2 830 Beschäftigten bei den

sozikulturellen Trägern immerhin 65 % - Frau Behrens, das sind zwei Drittel und nicht ein Drittel - dem Bereich des Ehrenamts zuzuordnen sind. Bei diesen Personen geht es nicht um das Maß der Förderung, sondern um das Maß an Anerkennung und Wertschätzung. Damit bin ich bei der Kultur der Anerkennung, der Anerkennung von Leistungen am Gemeinwohl. Diese Kultur ist noch bedeutend ausbaufähig; und diesen Schlüssel sollten wir auch noch feilen, wenn wir uns mit Themen wie der Soziokultur auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur hat sich gerade mit einem Schreiben an die Ministerin, Frau Professorin Wanka, und die Fraktionsvorsitzenden gewandt, aus dem ich zitieren möchte. Darin steht zu Beginn: Wir freuen uns sehr über die Wertschätzung, die sich in der gründlichen Befassung mit der Soziokultur durch den Niedersächsischen Landtag ausdrückt. - Und das auch noch - wir haben es schon gehört - am heutigen ersten bundesweiten Tag der Soziokultur, dem 13. Oktober - wenn das nicht passgenau ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Schwarz von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung zu dem Beitrag von Frau Behrens: Frau Behrens, wenn Sie der Auffassung sind, dass von Frau Ministerin Wanka keine kritische Reflektion vorgenommen worden ist, dann haben Sie - diesen Eindruck habe ich jedenfalls - wohl nicht richtig zugehört. Ich habe selten ein deutlicheres Bekenntnis zur Soziokultur von einer Wissenschaftsministerin bzw. einem Wissenschaftsminister gehört, als es heute der Fall gewesen ist. Ich finde, dieser Kommentar war nicht passend.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Uns liegt heute die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Dazu sind hinreichend Zahlen genannt worden. Wer sich einmal die Internetseite der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur ganz genau anschaut, der stellt fest, dass die Hinführung zu den Fragen in der Drucksache

3536, verehrte Frau Heinen-Kljajić, wortwörtlich dort zu finden ist. Da hätten Sie sich im Prinzip etwas mehr Mühe machen können. Gleichwohl ist das in Ordnung, und ich denke, es ist auch nichts Schlimmes, wenn man das übernimmt.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Nein, nein! Da haben wir wirklich nicht reingeguckt!)

- Das ist wortwörtlich abgeschrieben. Aber ich habe ja gesagt, das ist nichts Schlimmes. Denn wir können daraus auch den Schluss ziehen, dass insbesondere die Landesarbeitsgemeinschaft hochgradig daran interessiert ist, die Antwort der Landesregierung mit einer Leistungsbilanz zu versehen, so wie es letztendlich auch geschehen ist.

Der Soziokultur gebührt in unserem Land, gerade auch am heutigen Tag - das ist mehrfach betont worden -, eine entsprechende Aufmerksamkeit. Die Landesregierung hat auch deutlich gemacht, welch hoher Stellenwert diesem Bereich insgesamt zuzuordnen ist.

Ich bedanke mich auch namens der FDP-Fraktion für die wirklich akribische Arbeit, die hier geleistet worden ist. Die Ausführungen decken sich übrigens auch mit den Eindrücken, die wir von der FDP-Fraktion bei Besuchen und Begegnungen bei den einzelnen Veranstaltungen gewonnen haben.

Die Beantwortung der Großen Anfrage dient nicht nur den Parlamentariern zur Information, sondern sie ist auch ein ganz hervorragendes Nachschlagewerk für diejenigen, die sich mit diesem ganz speziellen Teil der Kulturarbeit in unserem Land befassen wollen - auch wenn aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Fragen dabei ist, die man im Prinzip nur einmal und nicht wiederholt hätte stellen müssen.

Lassen Sie mich kurz auf zwei Punkte eingehen, die auch in unseren Gesprächen mit der LAG eine wesentliche Rolle gespielt haben, insbesondere bei der Frage der Beratung. Das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Punkt. Wenn man irgendwo eine Begründung dafür suchen müsste, dass es einen Zusammenschluss von kulturellen Gruppierungen geben sollte, die in einer Landesarbeitsgemeinschaft tätig werden, dann ist es in der Tat die Frage der Beratungsmöglichkeit. Denn hier kann qualifizierte Hilfestellung eingefordert werden, wenn man sich z. B. nicht mit der Finanzierung von Kulturarbeit auskennt, wenn man bei Vereinsgründungen eventuell Unterstützung braucht, wenn Probleme bei Veranstaltungs- und Projektplanun