Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Editha Lorberg [CDU]: Weil es auch so ist!)

Wissen Sie eigentlich, wie Sie in der Öffentlichkeit bezeichnet werden? Da zitiere ich einmal. Viele Menschen sagen, Sie seien ein „harter Hund“ und ein „Abschiebeminister“. Da frage ich mich tatsächlich, wie es dazu kommt. - In Schleswig-Holstein sieht es, wenn ich das mit den Zahlen aus der Antwort auf unsere Große Anfrage vergleiche, durchaus anders aus.

Ich will auch auf das Kindeswohl eingehen, das Sie, Herr Schünemann, ganz hoch gehängt hatten. Da frage ich, wie es tatsächlich passieren kann, dass 43 Kinder und Jugendliche einfach nicht mehr da sind. Wie kann es passieren, dass bei 521 in Obhut Genommenen von 338 Kindern und Jugendlichen nicht bekannt ist, ob es Mädchen oder Jungen sind? Wie kann es denn angehen, dass Jugendliche durch ein Verfahren einfach zu Volljährigen gemacht werden, das kritisiert wird, und zwar nicht nur von mir, sondern auch von Institutionen?

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat Frau Kollegin Polat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine Minute das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte mich gemeldet, um auf Herrn Schünemann zu reagieren.

Herr Minister, Sie wissen, dass wir 2003 noch nicht das Aufenthaltsgesetz hatten. Damals galt noch das Ausländergesetz. Mit dem neuen Aufenthaltsgesetz, das Rot-Grün 2004 verabschiedet hat und das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, haben wir die Möglichkeit der Härtefallkommission bekommen.

Wir haben die Abschaffung der Kettenduldung mit dem § 25 Abs. 5 ins Gesetz hineingebracht. Auch die FDP hat gesagt, da müsse nachgebessert werden, weil damals im Bundesrat ein Nebensatz hineingekommen ist, der es jetzt sehr schwierig macht, aus humanitären Gründen Aufenthaltsrechte zu erteilen.

Das war der Punkt, den ich angesprochen hatte. Hier ist Niedersachsen restriktiver als beispielsweise Rheinland-Pfalz oder Hamburg.

Ich möchte aber noch einmal zitieren, dass sich bei der Familie Nguyen alle Fraktionen in diesem Parlament wirklich von Anfang an eingesetzt haben.

Einen letzten Satz!

Ich zitiere aus dem Jahr 2006: FDP-Chef Philipp Rösler erklärte, es sei ein „Gebot der Menschlichkeit“. Jörg Bode - damals Innenexperte - sagte: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“

Es sind also nicht nur wir, die wir gegen die Abschiebung der Familie gekämpft haben. Ich hoffe, dass das noch Konsequenzen hat.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die SPD hat noch eine Restredezeit. Herr Kollege Bachmann hat sich zu Wort gemeldet. - Zwei Minuten!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Oetjen, Sie wissen, dass ich es gut mit Ihnen meine.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen Ihr Zehn-Punkte-Programm, das Sie bei uns abgekupfert haben, zur Wirklichkeit werden lassen. Ich mache Ihnen jetzt einen Vorschlag. Ich teile nicht die Filibusterei, ob da 43 Jugendliche verschwunden oder abgeschoben worden sind. Nein, wir haben einen Datenerhebungsmangel. Die sind nicht verschwunden; natürlich gehe ich davon aus, dass das alles ordnungsgemäß abgelaufen ist.

Aber wenn wir Kindeswohl in diesen sensiblen Fragen wirklich an die erste Stelle setzen, Herr Kollege Oetjen, werden Sie uns im Sinne Ihres Zehn-Punkte-Programms darin unterstützen, den Innenminister aufzufordern, gegenüber den Jugendämtern an dieser Stelle eine klare Melde- und Nachweispflicht bei der Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns da einig sind, erübrigen sich solche Filibustereien in Zukunft.

Etwas Weiteres können wir im Sinne Ihres ZehnPunkte-Programms „humanitäre Flüchtlingspolitik“ umsetzen. Wir unterstützen Sie, damit es humanitärer wird und die Härtefallkommission aufgrund des aktuellen Falls der vietnamesischen Familie bis zum Schluss handeln kann. Vergrößern wir sie um ein Mitglied und schaffen damit das Abstimmungsquorum unter besseren Voraussetzungen und geben ihr die Möglichkeit, bis zum Schluss zu handeln - ohne weitere Ausschlussgründe, wie es dieser Innenminister praktiziert. Eine wirkliche Härtefallkommission, die handlungsfähig ist, kann Ihre und unsere Vorstellungen zur Humanität umsetzen. Das machen wir jetzt gemeinsam, und dann streiten wir nicht mehr darüber.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Bachmann. - Für die Landesregierung haben Sie, Herr Minister Schünemann, das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bachmann, Sie haben gesehen, dass ich zu der Sozialministerin gegangen bin, die dafür zuständig ist. Ich darf in ihrem Namen sagen, dass wir die Jugendämter durch einen Erlass bitten werden, uns das in der Zukunft mitzuteilen, damit das Ganze dann auch dokumentiert wird. Insofern freue ich mich, dass wir insofern auch außerhalb des Zehn-Punkte-Programms einer Partei, die ich durchaus gut kenne, ganz schnell Klarheit haben werden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann war unsere Große Anfrage schon einmal zu etwas gut!)

Insofern sollten Sie nun wirklich nicht darstellen, dass sich die Kommunen und insbesondere die Jugendämter, die sich hier nicht gemeldet haben, nicht um diese Jugendlichen kümmern.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das hat niemand gesagt, Herr Schünemann!)

Das ist schon eine ziemliche Unterstellung. Sie haben immer wieder dargestellt, dass so etwas sein könnte.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nein! Das hat niemand gesagt!)

Ich sage Ihnen: Das wird nicht sein. Aber damit wir es Ihnen genau sagen können, werden wir diesen Erlass machen. Dann wird es diese Unterstellungen in diesem Hause hoffentlich nicht mehr geben. Das ist, glaube ich, wichtig, auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der kommunalen Ebene.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe schon gesagt, dass über die Petition hier einstimmig entschieden wurde. Da kommt es nicht darauf an, welche einzelnen Abgeordneten da waren. Vielmehr ist klar dokumentiert worden, wie sich die einzelnen Fraktionen des Landtages verhalten haben. Das Abstimmungsverhalten habe ich hier dargestellt.

(Zustimmung bei der CDU)

Darüber hinaus ist dieser Fall in der Härtefallkommission behandelt worden. Das heißt, die Darstellung, es seien Ausschlussgründe geltend gemacht worden und dieser Fall sei nicht behandelt worden, ist schlichtweg nicht richtig. Dieser Fall ist behandelt worden. Zu einem Ersuchen ist es in diesem Fall nicht gekommen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ja, warum denn? Wegen Ihrer Quoren und der personellen Zusammenset- zung!)

- Es ist ganz schlimm, wenn man diese Härtefallkommission wieder so hinstellt, als werde dort nicht vernünftig gearbeitet. Das haben Sie im Petitionsverfahren versucht; diejenigen, die sich einmal anders entschieden haben, haben Sie in eine bestimmte Ecke gestellt. Hier stellen Sie es so dar: Nur weil dieser oder jener nicht dabei ist, gibt es keine vernünftige Arbeit.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Die Mehrheit war dafür!)

Meine Damen und Herren, das ist schon ziemlich schwierig.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die Mehrheit der Härtefallkommission war dafür!)

Deshalb haben wir extra dieses Härtefallverfahren gemacht, dass endlich diese Diskreditierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Härtefallkommission ausgeschlossen wird.

(Beifall bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist empörend! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist unglaublich!)

Ein weiterer Punkt, Herr Bachmann: Es ist schlichtweg nicht machbar - das gibt es übrigens in keinem anderen Bundesland -, dass man bis zur letzten Sekunde ein Härtefallersuchen stellen kann. Stellen Sie sich das vor! Sie würden nicht eine einzige Aufenthaltsbeendigung durchführen können; denn die Betroffenen könnten noch direkt vor dem Flieger ein solches Ersuchen stellen, und dann müsste die Abschiebung sofort eingestellt werden. Das heißt, Sie hätten überhaupt keine Chance mehr.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ver- bieten das ja schon, wenn nur ein Termin gesetzt ist!)

- Das ist logisch. Gucken Sie sich an, wie lang die Verfahren sind! Bis tatsächlich die Abschiebung erfolgt, hat man genügend Zeit, ein Härtefallersuchen zu stellen.

Meine Damen und Herren, Abschiebungen sind nun wirklich nichts, was die Behörden gerne machen. Gerade für die Mitarbeiter, die die Abschiebungen durchführen, ist das eine schwierige Situation.

Aber wenn jemand seit sechs, sieben Jahren zwingend ausreisepflichtig ist, diesem Ersuchen aber nicht nachkommt, sondern sogar mehrfach untertaucht - über mehrere Jahre, nicht nur im Kirchenasyl -, wenn alle Rechtsverfahren durchlaufen sind, wenn alle Möglichkeiten, bis hin zum Härtefallverfahren, durchlaufen sind, dann ist doch völlig klar, dass irgendwann das Recht umgesetzt werden muss. Wenn wir das nicht tun würden, dann würden wir unseren Rechtsstaat nun wirklich diskreditieren.

Insofern darf man es hier nicht so darstellen, als wenn wir nicht in einem Rechtsstaat lebten. Das muss meiner Ansicht nach in einer solchen Situation - auch wenn sie menschlich schwierig ist; das ist überhaupt keine Frage - immer wieder deutlich gemacht werden.