Es bleibt abzuwarten, ob die Föderalismuskommission II zu konkreten Ergebnissen kommt. Was ist mit den Altschulden? Kommt es zu einer Einigung auf eine strenge Verschuldungsbegrenzung, wie es die Union fordert, oder zu einer gummiweichen Schuldenbremse, nach der neue Schulden bis zu einer Höchstgrenze von 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts zulässig sind, wie es die SPDBundestagsfraktion fordert? Das wären 18 Milliarden Euro neue Schulden. Nein, ich denke, ein Bremsen der Verschuldung wird nicht gelingen, weil wir zu viele Begründungen für die Notwendigkeiten wünschenswerter Ausgaben kennen und zu wenige Antworten für Ausgabenkürzungen haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2007 dem Gesetzgeber Folgendes ganz klar ins Stammbuch geschrieben:
„Das Regelungskonzept des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hat sich als verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik … nicht als wirksam erwiesen.“
Klarer kann ein Verfassungsorgan ein gescheitertes Konzept nicht beschreiben. Dieses gescheiterte Konzept findet sich wortgleich auch in Artikel 71 der Niedersächsischen Verfassung. Der Investitionsbegriff bleibt dort unklar, weil er z. B. Abschreibungen und Vermögensverluste nicht ausreichend trennt. Wir brauchen eine klare und strenge Regelung.
Meine Damen und Herren, deswegen haben wir uns zu diesem Entschließungsantrag entschlossen. Wir haben wichtige Kronzeugen und wichtige Unterstützer für diesen Entschließungsantrag: den Bund der Steuerzahler, aber auch den Landesrechnungshof. Beide stellen fest, dass die Opposition aufgefordert wäre, diesem Entschließungsantrag zu folgen und diesen Entschließungsantrag zu unterstützen, mit dem wir vorschlagen, ein striktes Neuverschuldungsverbot in der Niedersächsischen Verfassung zu verankern.
Es ist im Übrigen ein Trugschluss, zu glauben, dass wir im Rahmen des Haushaltsvollzugs bei Naturkatastrophen oder konjunkturellen Schwankungen nicht auch Schulden aufnehmen könnten. Natürlich kann ein Land wie Niedersachsen in Notlagen, bei Naturkatastrophen, Überflutungen Schulden aufnehmen, um diese Dinge zu begleichen. Es geht dabei nur um die Frage der Haushaltsaufstellung und weniger um die Frage des Haushaltsvollzuges.
Wenn es also keine Einigung zwischen Bund und Ländern in der Föderalismuskommission gibt, dann sollten wir gemeinsam einen niedersächsischen Weg gehen und ein Neuverschuldungsverbot in die Verfassung aufnehmen. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass sich die Fraktionen der SPD und der Grünen mit ihren Änderungsanträgen aktiv an dieser Debatte beteiligen wollen. Allerdings ist der Antrag der SPD-Fraktion nicht geeignet; denn er ist symptomatisch für die Haltung der SPD. Er ist unkonkret und lautet im Wesentlichen: Man müsste einmal prüfen, ob.
Der Antrag der Grünen geht weit darüber hinaus und fordert im Übrigen die Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe. Diesen Punkt kann man begrüßen. Wir fordern Sie auf, sich gemeinsam mit uns an diesen Gesprächen zu beteiligen.
Spätestens dann, wenn die Föderalismuskommission in einem halben Jahr zu keinem Ergebnis gekommen sein sollte, wird dieses Thema in Niedersachsen wieder virulent und entscheidungsreif.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften verengt die politischen Handlungsspielräume und belastet künftige Generationen. Eine gemeinsame Strategie zur nachhaltigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte mit neuen, verbindlichen Regelungen zur wirksamen Schuldenbegrenzung ist daher unerlässlich.
Gerade in der Zeit nach der Vollendung der Deutschen Einheit ist die Nettokreditaufnahme in einem bis dahin unbekannten Ausmaß angestiegen. Die Erkenntnis, dass sich eine solche Entwicklung nicht wiederholen darf, hat auch bei der Festsetzung der Arbeitsschwerpunkte der gemeinsamen Kommission zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen eine zentrale Rolle gespielt. Diese sogenannte Föderalismuskommission II hat die Aufgabe, Konzepte zur Bewältigung bestehender Haushaltskrisen zu erarbeiten und materielle Kriterien zulässiger Verschuldung, beispielsweise durch Einführung von Verschuldungsgrenzen und Schuldenbremsen, zu entwickeln.
Die gegenwärtige Finanzordnung Deutschlands basiert auf der Annahme der relativen Gleichwertigkeit der Wirtschafts- und Finanzkraft der westdeutschen Länder Ende der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Diese Regelungen sind an die gewandelten tatsächlichen Verhältnisse im wiedervereinigten Deutschland anzupassen mit dem Ziel, zukünftig den weiteren Anstieg der Verschuldung zu verhindern und die Neuverschuldung nachhaltig zurückzuführen. Eine neue oder verbesserte Schuldenregel, die die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen begrenzt, muss sowohl den Beziehungsgeflechten zwischen Bund, Ländern und Kommunen Rechnung tragen als auch
die Altschuldenproblematik berücksichtigen und eine aufgabengerechte Finanzausstattung auf allen politischen Ebenen sicherstellen.
Vor allem muss sie aber auch Antworten darauf geben, mit welchen Mechanismen schwierige, nur schwer vorhersehbare Ausnahmetatbestände im Einnahme- oder Ausgabebereich bewältigt werden sollen.
Trotz aller vollmundigen Ankündigungen wird der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen den aufgezeigten Anforderungen nicht gerecht.
Er lässt sich sicher populistisch gut vermarkten, weil er vordergründig einfache und leichte Lösungsvorschläge enthält, die konkreten Umsetzungsprobleme aber vollständig ausblendet.
Die komplexen Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden lässt dieser Antrag völlig außer Acht. Die Auswirkungen eines absoluten Neuverschuldungsverbotes in Niedersachsen auf die kommunale Finanzausstattung werden überhaupt nicht thematisiert.
Höhere und niedrigere Schuldenstände sind nämlich nicht, wie der vorliegende Antrag suggeriert, ausschließlich oder überwiegend eine Folge autonomer politischer Entscheidungen, sondern zu einem wesentlichen Teil Ergebnis wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten und im Bereich der Länder und Kommunen auch deutlich von bundesrechtlichen Vorgaben beeinflusst.
Die unterschiedliche Wirtschafts- und Finanzkraft einzelner Bundesländer ist zum Teil historisch bedingt und kann auch nur bedingt politisch gestaltet werden. Darauf hat u. a. der ehemalige Niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht vor ca. 20 Jahren hingewiesen.
Der Landesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht zum Haushalt 2006 die Landesregierung vor wenigen Wochen daran erinnert, dass ihr Handlungsparameter auf der Einnahmeseite nicht zur Verfügung stehen und dass Steuereinnahmen
eben nicht sicher vorhergesagt werden können. Das hat auch die Landesregierung selbst in ihrer mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2007 bis 2011 akzeptiert. Dort hat sie ausdrücklich darauf verwiesen, dass erst durch die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Konsolidierungsprozess in Niedersachsen beschleunigt werden konnte.
Risiken auf der Einnahmeseite bestehen - so die Einschätzung des Landesrechnungshofs - nicht nur im Bereich der Unternehmenssteuern im Hinblick auf die Immobilien- und Finanzkrise bei den deutschen Finanzinstituten, sondern auch im Rahmen der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen.
Der Ministerpräsident selbst hat vor der Landtagswahl noch ausdrücklich eine eigene Steuerautonomie der Länder abgelehnt, weil er einen solchen ruinösen Wettbewerb als nicht vertretbar bezeichnet hat. Wenn also keinerlei Handlungsoptionen der Bundesländer auf der Einnahmeseite zur Verfügung stehen, so ist die Frage zu beantworten, wie denn zurückgehende Einnahmen auf der Ausgabeseite kompensiert werden können und sollen.
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Es wä- re womöglich gar nicht dazu gekom- men, wenn es diese Bremse schon gegeben hätte!)
Gibt es die Absicht, im Bereich der Aufgabenerfüllung von bundeseinheitlichen Standards abzuweichen, oder soll der Konsolidierungsdruck z. B. einfach an die Kommunen weitergegeben werden? Werden in einer solchen Situation öffentliche Investitionsvorhaben vollständig zurückgefahren, und überlässt man das Ganze ausschließlich privaten Investoren? Wie soll mit dieser Vorgabe eines Neuverschuldungsverbots das strukturelle Defizit von mehr als 1 Milliarde Euro, das Ihnen der Landesrechnungshof für das Jahr 2010 prognostiziert hat, ausgeglichen werden?
Der Landeshaushalt muss gegen bestehende und zukünftige Risiken abgesichert werden. So steht es noch in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung. Alle möglichen Risiken haben Sie in Ihrem Vorschlag aber vollständig ausgeklammert und wer
Neuverschuldungsregelungen können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie tatsächlich eingehalten werden können und nicht durch politische Entscheidungen ausgehebelt oder sogar umgangen werden können.
Vor diesem Hintergrund haben wir die Aussage, dass es ja ausschließlich um die Aufstellung des Haushaltsplans gehe, bei der Ausführung aber möglicherweise andere Kriterien eine Rolle spielen können, mit sehr viel Interesse zur Kenntnis genommen.
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie müssen einmal die Expertenmeinun- gen bei den Anhörungen im Bundes- rat nachlesen!)
einfach durch Vermögensveräußerungen ersetzt wird, wie es in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung noch über das Jahr 2010 hinaus vorgesehen ist.
Wir sind bereit, gemeinsam strukturelle Lösungen zu erarbeiten, die zum Ziel haben, die staatliche Kreditaufnahme zu begrenzen, Haushaltskrisen zu überwinden und auch vorhandene Schulden zu tilgen. Sie sind wesentlicher Bestandteil der Haushaltsautonomie des Parlaments und daher auch in einem demokratisch legitimierten Entscheidungsprozess festzulegen.
Ihre Vorgehensweise, kurzfristig einen Antrag einzubringen, der die Ergebnisse der von Ihnen vorgeschlagenen Gespräche bereits vorwegnimmt, muss uns aber zu der Erkenntnis führen, dass Sie entweder zu einer gemeinsamen Diskussion gar nicht bereit sind oder das von Ihnen öffentlichkeitswirksam geforderte Neuverschuldungsverbot nicht ernsthaft umsetzen wollen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, über die Notwendigkeit neuer Schuldenregeln müssen wir hier nicht mehr diskutieren. Die alten Instrumente haben versagt. Wir haben eine gesamtstaatliche Verschuldung von 1,5 Billionen Euro. Das Ganze belastet natürlich einerseits schon die heutigen Haushalte und führt zu enormen Handlungseinschränkungen für die heutige Generation, und es ist andererseits darüber hinaus - das ist noch schlimmer - ein Raubzug durch die Zukunft und ein grober Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit.