Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

Herr Kollege Briese, Ihre Ausführungen, die Sie eben zur Volkswirtschaft gemacht haben, habe ich sehr goutiert. Sie haben aber eine falsche Zahl genannt. Der Bund zahlt 38,5 Milliarden Euro an Zinsen. Sie haben die Gesamtzinslast der öffentlichen Hand dargestellt. Aber das werden wir beim nächsten Punkt noch einmal diskutieren können.

Dass die Kassenkredite der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern mit am stärksten gestiegen sind, während der Gesamtstaat MecklenburgVorpommern einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könnte, ist relativ leicht zu erklären, Herr Briese - das hat jetzt nichts mit Neid und Eifersucht zu tun -: Wenn uns pro Einwohner 800 Euro im Rahmen des Aufbaus Ost von der Solidaritätsgemeinschaft überwiesen würden - ich wüsste zwar nicht, woher; aber ich gönne das den Mecklenburg-Vorpommern von Herzen -, dann hätten wir bei 8 Millionen Einwohnern 6,4 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Dann hätten wir überhaupt keine Probleme, außer dem Problem, wo wir das Geld verstecken sollten. Dies wird sich relativieren, wenn der Aufbau Ost zu Ende ist, spätes

tens also im Jahre 2019. Die Kolleginnen und Kollegen in den neuen Bundesländern wissen das ganz genau. Deshalb jubeln sie gar nicht so groß darüber; denn sie wissen, dass das auf die Solidarität der anderen Bundesländer zurückzuführen ist. Das sollte man berücksichtigen.

Wenn es so leicht ist, den Haushalt zu konsolidieren, dann warte ich bis zum Dezember noch auf gute Vorschläge, damit wir noch besser werden, als wir es ohnehin schon sind.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Zusätzliche Redezeit hat die SPD-Fraktion beantragt. Frau Kollegin Modder, Sie haben zweieinhalb Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will nur noch einmal kurz die Situation der Kommunen schildern, weil die Kenntnisse darüber einigen, glaube ich, ein bisschen abhanden kommen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das wissen wir doch, das ist uns be- kannt!)

- Das ist Ihnen, glaube ich, nicht bekannt; denn sonst würden Sie anders handeln.

Wir schieben einen unheimlich großen Investitionsstau vor uns her. Das wissen Sie; Sie geben ja zu, dass Sie das wissen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist doch al- les Unsinn!)

Wir wollen nicht mehr, als dass Sie den Kommunen das Geld geben, das ihnen nach dem kommunalen Finanzausgleich zusteht. Sie gehen aber anders vor. Sie versuchen jetzt erst einmal, die Kommunen klein zu halten. Hinsichtlich der Zielvereinbarungen, die im Rahmen der Haushaltsberatungen geschlossen werden, sprechen Sie ja selber zum Teil von Zwangsehen. Sie versuchen, dort den Druck so aufzubauen, dass es zu Strukturveränderungen kommt. Aber dann sagen Sie doch ganz offen, dass Sie eine Gebietsreform wollen, und machen Sie das nicht auf dem kalten Wege!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Das wäre ehrlich. Sie hingegen lassen einen Wildwuchs zu. Sie geben das völlig aus der Hand und glauben, dass Sie dann, wenn das Chaos groß genug ist, die Zustimmung erhalten. Aber die kommunale Ebene hat genau die Vorgehensweise von Ihnen erkannt.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Möllring noch einmal das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe verehrte Frau Kollegin Modder, Sie können sich hier nicht hinstellen und sagen: „Geben Sie den Kommunen, was den Kommunen zusteht“. Der Staatsgerichtshof hat festgestellt - welch andere Instanz in einem Rechtsstaat sollte dies sonst unabhängig feststellen? -, was den Kommunen zusteht. Er hat das geprüft - ich habe das Urteil gerade zitiert - und gesagt, dass die Kommunen das bekommen haben, was ihnen zusteht. Wir verhalten uns also richtig. Wir haben Ihnen dieses Heftchen „Niedersächsische Haushalts- und Finanzpolitik“ zur Verfügung gestellt. Sie sind ja im Haushaltsausschuss.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ist sie nicht, das ist das Problem!)

- Ach so. Dann müssten Sie bei den Kollegen einmal nachfragen. Es ist immer gut, wenn man sich die Materialien geben lässt, die die Fraktionen bekommen haben, bevor man hier zur Sache redet. Das ist dann Solidarität unter Abgeordneten.

(Johanne Modder [SPD]: Vielen Dank für diese Belehrung! - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Sie sollten sich Ihre arro- ganten Sprüche sparen! Wir lassen uns von Ihnen nicht belehren!)

- Seit wann ist denn Solidarität unter Abgeordneten arrogant?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hören Sie sich einmal an, wie Sie klingen!)

Da hätten Sie auf Seite 6 sehen können, Frau Kollegin Modder, dass der Finanzierungssaldo der Gemeinden deutlich im Positiven ist und der des Landes noch immer im Negativen ist. Das sollten Sie sich einmal angucken.

(Johanne Modder [SPD]: Kassenkre- dite machen sie aus lauter Jux und Dollerei!)

- Warum die Kassenkredite gemacht worden sind, habe ich doch eben schon gesagt, nämlich zum Teil aus Not, genauso auch wie wir es gemacht haben, und zum Teil auch deswegen, weil die Kassenkredite deutlich günstiger waren als langfristige Kredite.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Kas- senkredite sind um 200 Millionen zu- rückgegangen!)

Das ist eine zwar dem Gesetz nicht ganz entsprechende Situation, die vom Innenministerium geduldet wird, aber der wirtschaftlichen Vernunft hat es immer entsprochen.

(Zustimmung bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Raus aus der Schuldenfalle - generationengerechte Finanzpolitik durch Neuverschuldungsverbot langfristig absichern! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/246 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 16/257 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/310 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/319

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen lautet auf unveränderte Annahme.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich von der CDU-Fraktion Herr Kollege Althusmann. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen will.“

Das war nicht Friedrich Merz aus dem Sauerland, sondern das war Cicero vor 2 100 Jahren. Das ist aktueller denn je; denn die Verschuldungssituation aller öffentlichen Haushalte bleibt trotz Steuermehreinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen von ca. 12 Milliarden Euro - plus 4,5 %; bei etwa 245 Milliarden Euro in den ersten drei Monaten des Jahres 2008 - ausgesprochen bedrohlich. Warum? - Bund, Länder und Kommunen haben inzwischen Schulden in Höhe von 1,5 Billionen Euro - 1 Billion ist übrigens eine 1 mit zwölf Nullen - angehäuft. Dem steht kein vergleichbar hohes Vermögen gegenüber.

Die Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesbürger ist von 190 Euro im Jahre 1950 auf 18 800 Euro im Jahre 2007 gestiegen. Bereits jetzt wird jeder sechste Euro im Bund und jeder zehnte Euro in Niedersachsen für Zinsen ausgegeben. Im Haushalt 2008 haben wir einen Finanzierungssaldo von minus 894 Millionen Euro. Das sind 550 Millionen Euro Nettoneuverschuldung und rund 350 Millionen Euro Entnahmen aus der Rücklage.

Wie kommt es eigentlich dazu? - Wir nehmen am Kreditmarkt 6,7 Milliarden Euro Schulden auf und tilgen damit rund 6,2 Milliarden Euro. Ich komme auf diese Problematik zurück.

Die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte, also der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt, beträgt inzwischen rund 63 %. Bei einem Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen von rund 210 Milliarden Euro hat Niedersachsen zurzeit fast 50 Milliarden Euro Schulden. In Niedersachsen haben sich die Schulden in Zeiten der sozialdemokratischen Landesregierung von 1990 bis 2003 von 20,8 Milliarden auf mehr als 43,4 Milliarden Euro aufgetürmt. Die Kreditmarktschulden des Landes Niedersachsen betrugen zum 31. Dezember 2007 exakt 49,445 Milliarden Euro, obwohl wir die Nettokreditaufnahme um über 80 % ge

senkt und die Ausgaben um ca. 1,6 Milliarden Euro jährlich gekürzt haben.

Meine Damen und Herren, wer sich einer generationengerechten Politik verpflichtet fühlt, der muss also heute handeln, und zwar konsequent: sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch beim Haushaltsvollzug, sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben. Wir dürfen unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur Schuldenberge und erdrückende Zinslasten hinterlassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Kernproblem des Schuldenmachens ist die Illusion, man könne über neue Kredite die Staatsausgaben ausweiten, ohne am Ende die Bürgerinnen und Bürger des Landes mit Steuern und Abgaben zu belasten. Als genauso illusorisch hat sich die Behauptung erwiesen, man könne den Konsum anregen, indem man neue Schulden macht. Das ist schon deshalb nicht richtig, weil inzwischen - das meinte ich vorhin mit der ersten Problematik - die Kreditschulden bzw. deren Zins und Tilgung durch neue Kreditschulden mit in der Regel höheren Zinsen und Tilgungsraten bezahlt werden müssen. Genau diese Denkweise ist kurzatmig. Sie ist im Übrigen eher linkslastig orientiert und zukünftigen Generationen gegenüber verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb haben wir nach dem Regierungswechsel 2003 in Niedersachsen konsequent die Konsolidierung der Landesfinanzen zu unserer Hauptaufgabe gemacht. 0 % neue Schulden heute bzw. 2010 bedeuten 100 % Chancen zukünftig.

Es bleibt abzuwarten, ob die Föderalismuskommission II zu konkreten Ergebnissen kommt. Was ist mit den Altschulden? Kommt es zu einer Einigung auf eine strenge Verschuldungsbegrenzung, wie es die Union fordert, oder zu einer gummiweichen Schuldenbremse, nach der neue Schulden bis zu einer Höchstgrenze von 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts zulässig sind, wie es die SPDBundestagsfraktion fordert? Das wären 18 Milliarden Euro neue Schulden. Nein, ich denke, ein Bremsen der Verschuldung wird nicht gelingen, weil wir zu viele Begründungen für die Notwendigkeiten wünschenswerter Ausgaben kennen und zu wenige Antworten für Ausgabenkürzungen haben.