Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

Das haben wir in den 1970er-Jahren schon einmal gemacht. Da gab es das sogenannte Deficit Spending von Helmut Schmidt. In dieser Zeit haben sich die Schulden richtig schön aufgetürmt - sie sind radikal angestiegen. In positiven Konjunkturzeiten - das ist das große Problem an der keynesianischen Politik - schafft es der Staat dann aber nicht, diese Schulden zurückzuzahlen. Dann meldet sich eine ganze Reihe von Politikern und sagt: Auch da und da müssen wir noch Ausgaben tätigen.

Die linke Politik insgesamt - nicht nur Ihre Partei - muss einmal lernen, dass eine solche massive Schuldenpolitik einfach ungerecht ist. Das ist eine Politik der Umverteilung; denn wir zahlen Zinsen an die Banken, und zwar mittlerweile in einem massiven Ausmaß.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ich verstehe nicht, dass Sie so etwas mittragen. Mittlerweile zahlen wir 70 Milliarden Euro, also ein Fünftel des Bundeshaushaltes, für die Schuldentilgung. Dieses Geld blasen wir einfach so raus und fehlt uns an allen Ecken. Das ist auch nicht generationengerecht. Dass insbesondere Sie auf der linken Seite diesen Umverteilungseffekt nicht verstehen wollen, verstehe ich überhaupt nicht. Sie sagen immer wieder: Wir wollen Konjunkturpolitik auf Pump. - Aber das funktioniert einfach nicht. Das müssen Sie einmal begreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Adler möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten.

In anderthalb Minuten kann ich keine Vorlesung über Volkswirtschaft halten.

(Oh! bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Das können Sie nicht mal in anderthalb Stunden!)

Nur so viel, Herr Kollege Briese: Ich habe lediglich von Impulsen gesprochen. Ich habe nicht gesagt, dass der gesamte Aufschwung auf Pump finanziert werden kann. Was zur Finanzierung eines Aufschwungs zu sagen ist, haben wir Ihnen bei anderer Gelegenheit schon deutlich gemacht.

Wir müssen uns einmal die Einkommenssituation der Vermögenden in diesem Land ansehen. Da gibt es Reserven und Möglichkeiten zur Umverteilung.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Bode zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Briese und auch dem Kollegen Rolfes sehr dankbar, dass sie hier so deutlich dargestellt haben, was man zum einen tatsächlich von konjunkturellen Impulsen der Linkspartei halten muss und wie sich zum anderen die Politik des Landes gegenüber den Kommunen in Niedersachsen in den letzten Jahren verändert hat.

Herr Bartling, Frau Modder, ich meine, wenn man eine Vergangenheit hat wie Sie, dann muss man schon sehr vorsichtig sein, solche Anträge zu stellen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sie als SPD-Landesregierung haben damals oft genug Schiffbruch erlitten, auch vor dem Staatsgerichtshof.

(Zurufe von der SPD)

Sie können doch jetzt nicht sagen, Sie wären damals die größten Freunde der Kommunen und kommunalen Spitzenverbände gewesen. Genau das Gegenteil ist doch der Fall.

(Johanne Modder [SPD]: Die haben alle keine Ahnung!)

Nachdem der Landtag in der letzten Legislaturperiode die Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs und der Steuerverbundquote beschlossen hat, gab es in der Tat ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof. Der Staatsgerichtshof hat erklärt, dass das, was der Landtag beschlossen hat,

rechtens war und dass es zwei Grundsätze gibt: Man muss die Kommunen in die Lage versetzen, die ihnen übertragenen Aufgaben auch wahrzunehmen. Wenn aber eine finanzielle Notlage herrscht - und die herrscht auf Landesebene -, dann muss man im Rahmen der sogenannten Verteilungssymmetrie immer dafür Sorge tragen, dass zwischen Land und Kommunen Gleichklang herrscht. Der Staatsgerichtshof hat festgestellt, dass wir die Verteilungssymmetrie gewahrt haben. Von daher war das alles rechtlich sauber. Das war auch für die Steuerzahler und die kommenden Generationen, die Herr Briese angesprochen hat, notwendig. Ich bin an dieser Stelle durchaus gar nicht so weit vom Kollegen Briese weg, dass man noch viel mehr machen und viel mehr entwickeln müsste.

Herr Bartling, ich will Sie aber ein wenig warnen, bevor Sie den kommunalen Finanzausgleich noch einmal thematisieren - leider sind Sie ja nicht mehr Mitglied im Innenausschuss -: Als das Thema kommunaler Finanzausgleich im Innenausschuss zum ersten Mal angesprochen worden ist, hat sich ein Kollege von Ihnen zu Wort gemeldet und gesagt, man müsse den kommunalen Finanzausgleich ändern, man müsse etwas für die Fläche und den ländlichen Raum tun und eine weitere Stärkung dieses Faktors einbauen. Da gab es sofort Widerspruch, und zwar von einem Kollegen aus der SPD aus Braunschweig, der sagte, man müsse genau das Gegenteil tun. - Von daher, Herr Bartling: Bevor Sie weitere Anträge zum Thema kommunaler Finanzausgleich stellen, klären Sie erst einmal die Position der SPD!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Herr Kollege Bartling hat noch eine Restredezeit von 39 Sekunden. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, ich bemühe mich, die Redezeit einzuhalten. - Ich möchte gerne etwas zu den Ausführungen von Herrn Bode und Herrn Rolfes sagen. Herr Rolfes hat so nett gesagt, die Kommunen in Niedersachsen könnten sich auf diese Koalition verlassen. Herr Rolfes, wenn sie sich darauf verlassen, dann sind sie auf Dauer verlassen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben so wunderschön aus dem Urteil des Staatsgerichtshofes zitiert. Genau denselben Te

nor hatte das Urteil des Staatsgerichtshofes, als wir 500 Millionen DM aus dem kommunalen Finanzausgleich herausgenommen haben. Da hat der Staatsgerichtshof gesagt - Sie haben damals mitgeklagt und verloren -: Das war in Ordnung. - Sie haben damals von einem „Raubzug durch die kommunalen Kassen“ gesprochen

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ja!)

und versprochen - und darum geht es uns -, dass diese 500 Millionen DM wieder in den kommunalen Finanzausgleich hineinkommen.

(Glocke der Präsidentin)

Aber kein Pfennig davon ist wieder hineingekommen! Sie haben das Gegenteil gemacht: Sie haben die Verbundquote abgesenkt und den Kommunen noch einmal mehr als 100 Millionen Euro jährlich weggenommen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt doch nicht! Wir haben das kompensiert!)

Jetzt kommen Sie bitte zum Schluss!

Das wollen wir korrigieren. Das ist der einzige Grund unseres Antrages.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Die haben es überhaupt nicht verstan- den!)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Möllring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber, verehrter Herr Kollege Bartling, wenn Sie aus Ihrer Wahrnehmung heraus damals den Staatsgerichtshofsprozess, den wir mit angestrengt haben, gewonnen haben, dann sind Sie auch Sieger der letzten Landtagswahl.

(Zustimmung bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Letzteres leider nicht!)

- Letzteres nicht, das andere ja. Der Staatsgerichtshof hat damals deutlich festgestellt, dass der Eingriff rechtswidrig war.

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat allerdings in seinem Urteil vom 7. März dieses Jahres unsere Rechtsauffassung bestätigt. Die von uns ab 2005 vorgenommenen Kürzungen des Finanzausgleichs waren rechtmäßig. Das ist für uns als gegenüber der kommunalen Ebene verantwortungsbewusste Landesregierung natürlich kein Grund zum Jubeln.

Der Staatsgerichtshof hat uns in seinem Urteil - es war 26 Seiten lang - recht gegeben und ganz zum Schluss noch per obiter dictum etwas zu den Kassenkrediten gesagt. Wir haben dann gleich gesagt: Selbstverständlich werden wir uns auch mit den Kassenkrediten beschäftigen müssen. - Dazu sage ich gleich noch etwas.

Wichtig ist, dass der Staatsgerichtshof festgestellt hat, dass die Verteilungssymmetrie, wie der Staatsgerichtshof sie einmal entwickelt hat, von uns 100-prozentig eingehalten worden ist. Das ist deshalb besonders schwierig, weil der Staatsgerichtshof ja keine mathematische Formel vorgibt, wie die Verteilungssymmetrie zu errechnen ist. Das ist immer eine Prognose. Diese Prognose stellen wir auch jetzt im Moment für das Haushaltsaufstellungsverfahren auf. Für die Beschlussfassung im Landtag im Dezember muss das noch einmal verfeinert werden. Dann müssen wir hoffen, dass unsere Prognose Ende des nächsten Jahres von der Realität bestätigt wird.

Wir haben - das ist richtig - die Verbundquote auf 15,04 % gesenkt. Wir haben sie allerdings im Wege der Verteilungssymmetrie im letzten Jahr, als sich die Einnahmesituation des Landes verbessert hat, konsequenterweise wieder auf 15,5 % angehoben. Dass man immer gerne noch mehr hat, ist klar; das ist selbstverständlich. Das kritisieren wir auch nicht.

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer aktuellen Untersuchung, die gestern veröffentlicht worden ist, festgestellt, dass gerade die niedersächsischen Kommunen bei der Verschuldung im bundesweiten Vergleich relativ gut dastehen. Nur in SchleswigHolstein und Bayern ist die Situation der Kommunen noch besser. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Einbeziehung der Kassenkredite. Die Bertelsmann-Stiftung hat nämlich - Sie kennen sicherlich die Grafik - alle Schulden zusammengezählt - nicht nur die Gemeindeschulden, sondern auch die Kassenkredite,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Schattenhaus- halte!)

die sonstigen Schulden und die öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen. Im Ergebnis stehen die niedersächsischen Kommunen an drittbester Stelle. Das zeigt, dass sie gut gewirtschaftet haben.

Frau Modder hat hier ausgeführt, dass die Kassenkredite ständig steigen. Frau Modder, das ist Gott sei Dank falsch. Im Moment sinken sie aus verschiedenen Gründen: zum einen, weil sich die Einnahmesituation verbessert hat, und zum anderen, weil der eine oder andere Kämmerer die Kassenkredite, die in der Vergangenheit relativ preiswert waren, jetzt in langfristige Kredite umswitchen, die jetzt preiswerter sind. Das ist ein ganz normales Verhalten, dass man versucht, sich die Liquidität so zu beschaffen, dass es möglichst preisgünstig ist.

Zum Stichtag 30. September 2007 - das ist immer quartalsweise - sind die Kassenkredite gegenüber dem Vorjahr um 6 %, zum Stichtag Silvester 2007 um 7 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Zum Stichtag 31. März 2008 - das ist die letzte uns zur Verfügung stehende Zahl; die Zahl vom 30. Juni liegt leider noch nicht vor - sind sie ebenfalls um 7 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Das ist ein deutlicher Rückgang. Es ist der größte Rückgang, den wir seit Langem hatten. Das ist auch der größte Rückgang in den Flächenländern.

Herr Kollege Briese, Ihre Ausführungen, die Sie eben zur Volkswirtschaft gemacht haben, habe ich sehr goutiert. Sie haben aber eine falsche Zahl genannt. Der Bund zahlt 38,5 Milliarden Euro an Zinsen. Sie haben die Gesamtzinslast der öffentlichen Hand dargestellt. Aber das werden wir beim nächsten Punkt noch einmal diskutieren können.