Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Niedersachen bleibt - dies haben wir in unserem Antrag aufgeführt - sehr wichtiger Bundeswehrstandort mit zentralen Einrichtungen der Bundeswehr. Ich nenne als Beispiele nur Munster und

Wilhelmshaven für Heer und Marine. Aber auch andere Standorte wären noch zu nennen.

An den Standorten, die aufgegeben werden, entsteht natürlich eine besonders schwierige Situation. Je kleiner die Gemeinde ist, in der ein Standort aufgegeben wird, desto schwieriger ist es. Wenn ich beispielsweise an die Gemeinde Schwanewede im Landkreis Osterholz denke, dann muss ich feststellen, dass es, auf die Einwohner bezogen, ein ganz massiver Verlust ist, wenn dort mehr als Tausend Soldaten und zivile Beschäftigte verloren gehen. Das ist eine ganz besondere Herausforderung für die Gemeinde, die wir selbstverständlich politisch unterstützen müssen.

Aber auch an anderen Standorten, an denen es zu einem massiven Abbau von Soldaten und zivilen Beschäftigten kommt, sind große Herausforderungen zu bewältigen. Ich möchte an dieser Stelle nur den Standort Diepholz, aber auch den Standort Rotenburg nennen - das ist der Landkreis, aus dem die Kollegin Mechthild Ross-Luttmann und ich kommen -, der besonders betroffen ist. In Rotenburg gibt es eine massive Verringerung, und der Standort in Visselhövede wird geschlossen, sodass wir in unmittelbarer Nähe gleich zwei Standorte haben, bei denen wir betroffen sind. Hier bedarf es natürlich einer Unterstützung durch die Politik. Insofern ist das Wort „Konversion“, das hier schon mehrfach gefallen ist, genau richtig.

Die Landesregierung macht in diesem Bereich eine sehr gute Arbeit. Ich möchte mich ausdrücklich bei unserem Ministerpräsidenten David McAllister dafür bedanken, dass er sich sowohl in der Frage des Abzugs der britischen Streitkräfte als auch in der Frage der Bundeswehrreform massiv für unser Bundesland eingesetzt hat und positive Erfolge erreichen konnte. Das ist eine gute Botschaft, die wir in das Land hinaussenden können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Kollege Bartling hat das Thema Konversion und das Thema der zivilen Beschäftigten angesprochen. Ich möchte an dieser Stelle auch einmal die Soldatinnen und Soldaten ansprechen. Sicherlich sind sie eher daran gewöhnt, versetzt zu werden. Bei den Offizieren ist das vielleicht sogar regelmäßig der Fall. Bei den Mannschaftsdienstgraden hingegen passiert das schon weit weniger häufig.

Beim Abbau von 11 000 Dienstposten müssen wir auch daran denken, dass Familien davon betroffen sind. Ein Soldat kommt an einen neuen Verwendungsort, wohingegen die Familie mit den Kindern vielleicht vor Ort bleibt und die Kinder dort weiterhin die Schule besuchen. Die Familien werden also auf Zeit getrennt. Auch das ist ein Gesichtspunkt, den wir in dieser Debatte erwähnen sollten. Denn die Soldatinnen und Soldaten übernehmen in diesem Standortkonzept eine schwierige Aufgabe, die für sie mit persönlichen Veränderungen verbunden ist.

Ich bin froh darüber, dass wir hier eine sehr sachliche Debatte führen, die wir im Ausschuss intensiv fortsetzen können. Ich glaube, dass wir aus dem Niedersächsischen Landtag heraus zu einem von vielen demokratischen Parteien getragenen Konsens kommen können. Darüber würde ich mich sehr freuen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Limburg das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind heute in der glücklichen Situation, die friedenspolitische Dividende der Entspannungspolitik, der Friedens- und der Einigungspolitik der letzten Jahrzehnte einfahren zu dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Politik von Willy Brandt über Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, fortgeführt von Helmut Kohl, noch immer Genscher, dann Kinkel, Gerhard Schröder, Joschka Fischer bis hin zu Angela Merkel, diese Friedens- und Entspannungspolitik, gerade auch in Europa, führt dazu, dass wir heute, im Jahr 2011, mit deutlich weniger Soldatinnen und Soldaten, mit deutlich weniger Militär in Deutschland auskommen. Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der FDP und von Fritz Güntzler [CDU])

Aber es ist klar - dies haben alle Kollegen vollkommen zutreffend ausgeführt -, dass das gerade für die betroffenen Kommunen eine gewaltige Her

ausforderung ist. Für keine Kommune ist es leicht, wenn auf einen Schlag Hunderte oder Tausende Einwohner abgezogen werden, auf einmal verschwinden. Gerade in den Kommunen, in denen wir innenstadtnahe Kasernen haben, die es ja auch gibt, ist es für das Stadtbild und die Stadtentwicklung ebenfalls eine extreme Herausforderung. Insofern teilen wir ausdrücklich die Intention in allen drei Anträgen, den betroffenen Kommunen Unterstützung zukommen zu lassen.

Die Frage ist aber - da beginnen für uns schon die Unterschiede, die aus meiner Sicht in der Debatte ein bisschen verwischt worden sind -, wie diese Unterstützung aussehen kann und muss. Kann es finanzielle Aufgabe des Landes sein, speziell Kommunen, die von Standortschließungen der Bundeswehr besonders betroffen sind, zu unterstützen, wie das z. B. die Linken, aber auch Herr Bartling in ihren Beiträgen mündlich dargestellt haben? Wo liegt denn der Unterschied, ob eine Kommune von dem Abzug der Bundeswehr, von dem Abzug eines Großbetriebes, einer anderen größeren Einrichtung, einer Universität oder einem anderen größeren Verlust von Einwohnerinnen und Einwohnern betroffen ist? Wo liegt da aus der Sicht der betroffenen Kommune der Unterschied?

Wenn wir jetzt fordern, dass das Land für die Kommunen, die von Standortschließungen der Bundeswehr betroffen sind, finanziell in die Bresche springen muss, dann, meine Damen und Herren, können wir uns nicht ehrlich verweigern, wenn auch andere Kommunen kommen, die von Strukturveränderungen betroffen sind. Darum meinen wir Grünen: Eine besondere finanzielle Verantwortung kann es hier nicht geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich stehen wir Grünen zu finanziell gesunden Kommunen; das ist klar. Aber das ist aus unserer Sicht eine andere Debatte, eine Grundsatzdebatte.

Für die Kommunen - da bin ich insbesondere der SPD für ihren Antrag sehr dankbar, weil dies darin sehr detailliert aufgeführt wird - muss es natürlich Beratung und Hilfe geben. Es muss Best-practiceBeispiele geben.

Insbesondere freut mich, dass die SPD das Problem der Altlasten auf den betroffenen Standorten anspricht; denn wir sehen z. B. in Hannover, aber auch in vielen anderen Gemeinden, dass das für die Kommunen und Anwohnerinnen und Anwohner noch jahrzehntelang zu massiven Problem führen

kann. Insofern ist es sehr wichtig, in dieser Hinsicht zu nachhaltigen Regelungen zu kommen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das stimmt!)

Im Forderungsteil des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP können wir sogar viele Punkte - natürlich nicht alle Punkte - mittragen. Aber ich möchte Ihnen noch eines zu Ihrer Intention und zum gesamten Duktus sagen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition:

Ihr Antrag - angefangen von der Überschrift über den Einleitungstext bis hin zu einigen Forderungen - ist eine einzige Jubelarie auf die Bundeswehr, auf unsere Armee, ohne dass Sie dies an irgendeiner Stelle auch nur in ähnlicher Weise für Zivildienstleistende und für Leute in den freiwilligen sozialen Diensten oder sozialen Einrichtungen vollbringen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wo waren CDU und FDP, als die Zivildienstschulen in diesem Land geschlossen worden sind, die Zivildienstschule 1 am Ith oder die Zivildienstschule in Marienhude? Wo waren Sie da? - Auch das hatte massive Auswirkungen auf die Kommunen. Die CDU hat sich dafür in keiner Weise interessiert, sondern hatte für die Folgen der Schließung der Zivildienstschulen nur Ignoranz übrig.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das ist doch nicht ver- gleichbar!)

Meine Damen und Herren, wir Grünen würden uns einem gemeinsamen Antrag nicht grundsätzlich verweigern. Aber es muss deutlich werden, dass es hier um eine zukunftsträchtige Hilfe für die Kommunen geht und nicht um Jubelarien auf die an diesen Standorten gewesene Bundeswehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Limburg. - Zu einer Kurzintervention auf Sie hat sich Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Limburg, lassen Sie mich kurz auf Ihre Anfangs

bemerkung eingehen, als Sie eine Friedensdividende und die Verkleinerung der Bundeswehr ansprachen. Wenn man aus einer Armee von 10 000 Leuten zur Landesverteidigung, die mit Karabinern bewaffnet sind, eine Hightecharmee mit 5 000 Leuten macht, die bis an die Zähne mit Hightechprodukten, Bombern und Panzern bewaffnet sind, und in anderen Ländern Krieg führt, dann ist das keine Friedensdividende und keine Abrüstung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre schöne Träumerei von den letzten Jahren soll wohl nur eine schlichte Tatsache verdecken: Dieses Land steht in Afghanistan im Krieg. Dieses Land ist ein Krieg führendes Land, und die Grünen haben daran mitgestrickt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Limburg möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Sohn, die Frage, wer von uns beiden hier Träumereien nachhängt, beantwortet sich bei einem Blick in das Plenarprotokoll über den Anfang dieser Debatte, als es um Ihre Vision ging, dass wir sehr zeitnah in einer Welt ohne Waffen leben könnten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nun zu den internationalen Einsätzen der Bundeswehr. Natürlich haben wir Grüne dem Einsatz in Afghanistan zugestimmt - übrigens nicht nur dem in Afghanistan, sondern wir haben auch andere Einsätze mitgetragen, auf die Ihre Partei interessanterweise so gut wie nie eingeht.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Doch, z. B. auf den Angriffskrieg gegen Ju- goslawien!)

Die Bundeswehr ist gegenwärtig an weitaus mehr Standorten als nur in Afghanistan aktiv. Aber dazu scheinen Sie, wie gesagt, keine Position zu haben.

Herr Dr. Sohn, ich gebe Ihnen durchaus recht, dass wir beim Afghanistaneinsatz - das haben die Grünen in einem breit angelegten Parteitag in einer breiten Debatte beschlossen - zu einem Ausstiegsszenario kommen müssen. Ich gebe Ihnen auch recht, dass die Strategie, die dort vor Ort verfolgt worden ist, in den letzten Jahren vollständig in eine Sackgasse geführt hat.

Aber die platte und polemische Art und Weise, wie Sie hier immer wieder internationale Verantwortung, Blauhelmeinsätze und andere Einsätze in einem Topf miteinander verrühren, wie Sie völlig negieren, dass es auch eine Verpflichtung zum Schutz von Zivilbevölkerung geben kann - ich hätte fast gesagt: kotzt mich an; das darf ich hier aber nicht sagen -, finde ich wirklich unangemessen, Herr Dr. Sohn.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ja, darin lag eine gewisse Raffinesse.