Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Stadionverbote ein gewisses adäquates Mittel darstellen, wie sie das Verfahren für das Aussprechen von Stadionverboten derzeit bewertet.

(Zustimmung bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Gute Frage! Sehr kritisch!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Güntzler, es ist so, dass die DFL und der DFB vor einigen Jahren ein Signal gerade auch an die Ultraszene geben wollten, indem sie gesagt haben: Wir wollen auf euch zugehen. - Damit sollte allerdings auch verbunden sein, dass man sich in den Stadien friedlicher verhält. Leider müssen wir feststellen, dass das in den letzten Monaten, aber auch schon im letzten Jahr nicht der Fall gewesen ist, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass man die Pyrotechnik wieder verstärkt einsetzt.

Man hat es als Signal angesehen, dass man gesagt hat: Wir werden die Höchststadionverbotsdauer von fünf Jahren auf drei Jahre reduzieren.

Dann hat man sogar noch ein Signal gesetzt und gesagt: Wir können einmal darüber nachdenken, ob es irgendwelche Pyrotechnik gibt, die vielleicht nicht so gefährlich ist und die irgendwo im Stadion abgebrannt werden kann.

Das war meiner Ansicht nach ein wirklicher Fehler. Beispielsweise können Sie bei den Einsatzkontrollen überhaupt nicht feststellen, was in irgendeiner Weise ungefährlich oder nicht gefährlich ist. Pyro

technik ist immer gefährlich, gerade vor dem Hintergrund, dass Familien und Kinder vermehrt in die Stadien gehen. Meines Erachtens war dieses Signal so nicht richtig, wenn es denn überhaupt ausgesprochen worden ist.

Ich bin sehr froh, dass DFB und DFL mittlerweile klargestellt haben, dass jegliches Abbrennen von Pyrotechnik und Zünden von Feuerwerkskörpern verboten sind. Das ist nicht nur richtig, sondern auch ein wichtiges Signal.

Wenn man Stadionverbote aussprechen will, ist es erstens notwendig, dass man diejenigen, die sich falsch verhalten, auch wirklich identifizieren kann. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass hierfür eine verbesserte Videotechnik wichtig ist. Wer sich das im Stadion hier in Hannover einmal angeschaut hat, weiß, dass die Technik mittlerweile veraltet ist und dass man es nicht personengenau erkennen kann. Wenn wir das jetzt erreichen können, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Der zweite Punkt: Ich hatte in meiner Antwort auch schon darauf hingewiesen, dass es einem Verein schwerfällt, gegen eigene „Fans“ - in Anführungsstrichen; ich würde sie gar nicht als Fans bezeichnen - ein Stadionverbot zu verhängen, und zwar aus folgendem Grund: Die Polizei hat Erkenntnisse und gibt diese an den Verein weiter. Wenn er dann ein Stadionverbot verhängt, kann es zu schwierigen Reaktionen kommen. Insofern ist nur in maximal 20 % er Fälle ein Stadionverbot bei Heimspielen ausgesprochen worden.

Das macht keinen Sinn. Deshalb sollte man die Vereine dort herausnehmen und das an einer neutralen Stelle entscheiden. Da bieten sich DFB und DFL an. Natürlich sollte man den Verein hören; das ist überhaupt keine Frage. Wichtig ist aber, dass man über Ordnerdienste, aber auch über die Polizei tatsächlich auch Beweismaterial zur Verfügung stellt.

Das wäre eine Änderung. Diese Änderung werde ich am 14. November 2011, also am Montag, bei dem Treffen auch einbringen, in der Hoffnung, dass es darüber Konsens gibt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Adler, Fraktion DIE LINKE, stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Einleitung zu der Frage wird auf einen Zeitungsartikel Bezug genommen, in dem festgestellt wurde, dass es zu einem Anwachsen der Kriminalität in den Stadien gekommen ist. Gibt es dazu auch kriminalwissenschaftliche Untersuchungen? Liegen Ihnen solche Untersuchungen vor, die diese These bestätigen?

Ich habe noch eine zweite Frage. Es gibt ja Fußballspiele, bei denen in den Stadien der Alkoholkonsum verboten ist. Bei anderen Spielen hingegen ist er erlaubt. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob es bei diesen beiden Gruppen von Fußballspielen - mit oder ohne Alkoholverbot im Stadion - in einem unterschiedlichen Grad zu Gewaltdelikten kommt?

Zwei Fragen. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Adler, es gibt verschiedene Untersuchungen von Sportwissenschaftlern, aber auch von Kriminalwissenschaftlern, die dieses Phänomen untersucht haben. Mit Herrn Professor Dr. Pilz haben wir jemanden, der auch auf Bundesebene hohe Anerkennung genießt und der auch Fanprojekte mit begleitet.

In dem Zusammenhang ist schon dargestellt worden, dass es in Teilen - das muss man immer sagen: in Teilen - der Ultrabewegung eine Radikalisierung gibt. Allerdings darf man nicht einfach sagen: „Ultras sind autonome Fußballchaoten“; denn das bezieht sich immer nur auf einen sehr begrenzten Teil. Insofern muss man die Betreffenden isolieren und erst einmal erkennen, um dann entsprechend vorzugehen. Das ist in verschiedenen Studien sehr gut herausgearbeitet worden.

Zu dem zweiten Punkt, dem Alkoholverbot: Bei internationalen Spielen - also Champions League, Europa League - ist es so, dass grundsätzlich Alkoholverbot herrscht. Ansonsten ist in verschiedenen Hausordnungen festgelegt ist, dass man bei einem Alkoholwert von 1,3 Promille ausgeschlossen werden kann. Das wird stichprobenartig überprüft, auch hier bei Hannover 96. Man muss vielleicht einmal darüber nachdenken, ob 1,3 Promille der richtige Wert ist. Aber man kann das sowieso nicht flächendeckend kontrollieren.

Aber auch bei Spielen in der Champions League und in der Europa League kommt es zu Ausschreitungen und Angriffen. Auch dort wird Pyrotechnik usw. eingesetzt. Ich denke z. B. an das Spiel von Hannover 96 gegen Kopenhagen; auch da gab es Probleme mit Fans von Hannover 96. Natürlich wird - ich glaube, das ist klar - die Hemmschwelle geringer, wenn man alkoholisiert ist. Insofern steigt das Risiko, auch wenn man vielleicht gar nicht zu dem Kern der autonomen Fußballchaoten gehört, sich mitreißen zu lassen und doch Straftaten zu begehen oder Gewalt anzuwenden, was man vielleicht nicht gemacht hätte, wenn man keinen Alkohol genossen hätte. Insofern ist eine Einschränkung des Alkoholkonsums sicherlich geeignet, die Ausschreitungen in den Stadien und auch auf den Anreisewegen zu reduzieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Limburg stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte gerne auf das von Herrn Güntzler zu Recht angeschnittene Thema der Stadienverbote zurückkommen. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Stadionverbote präventiv bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und nicht erst nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens ausgesprochen werden, Vorschläge, Stadionverbote nur noch vorläufig zu verhängen und nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegebenenfalls zu verlängern bzw. wieder aufzuheben, wenn das Verfahren ergebnislos eingestellt worden ist?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Limburg, davon halte ich nichts. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil aus dem Jahr 2009 festgestellt, dass ein Stadionverbot nicht nur dann, wenn ein Strafverfahren abgeschlossen ist, verhängt werden kann, sondern auch präventiv. Das ist also bereits höchstrichterlich bestätigt worden.

Herr Limburg, darauf kommt es mir wirklich an: Jemand, der gewaltbereit ist, bei dem die Progno

se klar ist, dass er nur in Stadien geht, um Gewalt anzuwenden, hat in Stadien nichts zu suchen.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Man muss das natürlich beweisen, das ist völlig klar. Deshalb habe ich ja auch so ein Interesse daran, gerade diese autonomen Fußballchaoten zu isolieren, um genau diejenigen zu treffen, die für Randale im Stadion sorgen. Wenn man diesen Personen Gewaltbereitschaft nachweisen kann, dann ist es richtig, schon präventiv ein Stadionverbot zu verhängen und nicht erst dann, wenn das Strafverfahren abgeschlossen ist.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe ich doch gesagt! Vorläufig! Sie sind überhaupt nicht auf die Frage einge- gangen! - Gegenruf von Clemens Große Macke [CDU]: Dann fragen Sie doch noch mal nach!)

Herr Kollege Limburg, Sie haben die Möglichkeit, eine weitere Frage zu stellen. Es sei denn, der Herr Minister ist bereit, das jetzt noch zu beantworten.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wollen Sie das nur auf die Einleitung eines Strafverfahrens beziehen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein!)

- Nicht? Ich habe nichts dagegen, dass die Frage präzisiert wird, wenn ich sie nicht richtig verstanden habe.

Wir führen jetzt eine Klärung herbei. Herr Kollege Limburg stellt noch einmal klar, was er eigentlich wissen möchte.

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank Herr Innenminister.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Jetzt ein bisschen klarer!)

- Ich darf nach der Geschäftsordnung ja keine Vorbemerkungen machen.

Der Vorschlag bezog sich darauf, dass man darüber nachdenken könnte, ein Stadionverbot direkt bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens - ge

nauso, wie es jetzt erfolgt - vorläufig zu verhängen und über die genaue Dauer nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu entscheiden. Im Moment werden die Stadionverbote ja direkt für zwei oder drei Jahre verhängt, und die betroffenen Personen haben zum Teil erhebliche Mühe, von diesem Stadionverbot wieder herunterzukommen, obwohl sie im Verfahren freigesprochen worden sind.

Herr Minister!

Es ist nicht so, dass automatisch jeder sofort drei Jahre Stadionverbot bekommt, sondern es kommt auf die Schwere des Vergehens an, das ihm vorgeworfen wird. Wenn dies anschließend nicht bewiesen werden kann, wird das Stadionverbot wieder aufgehoben. Natürlich kann das Stadionverbot anschließend wieder aufgehoben werden, das ist doch keine Frage.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sollte es eigentlich!)

- Natürlich ist das so.

Ich habe Ihnen den Weg ja schon aufgezeigt. Die Polizei gibt die Beweise an den Heimverein, und der Heimverein hat sie dann zu bewerten und muss entscheiden, ob er ein Stadionverbot verhängt oder nicht. Ich glaube, dass das eine Schwierigkeit mit sich bringt. Wir müssen eine neutrale Stelle haben, die so etwas bewertet; das ist doch völlig klar.

Wichtig ist mir nur, dass nicht nur ein abgeschlossenes Strafverfahren zu einem Stadionverbot führen kann, sondern dass auch im Vorfeld, wenn die Prognose lautet, dass Gewalt angewendet werden könnte, die Möglichkeit besteht, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und jemanden vom Stadion fernzuhalten, indem ein Stadionverbot ausgesprochen wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Hausmann stellt die nächste Zusatzfrage.

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister Schünemann, Sie haben sich bei der Beantwortung der Frage ja schon zu den Fanprojekten geäußert. Der Innenausschuss hat das Fanprojekt in Wolfsburg