Bundesminister des Inneren auch auf die im Frühjahr in Syrien erfolgten militärischen Einsätze gegen die Protestbewegung reagiert und mit den Ländern vereinbart, dass die Abschiebung von ausreisepflichtigen syrischen Staatsangehörigen mit Ausnahme von Straftätern bis auf Weiteres ausgesetzt wird. Rückführungen nach Syrien finden seither bundesweit also nicht mehr statt. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
Da allerdings nicht absehbar ist, wie sich die politische Situation in Syrien entwickeln wird, kann derzeit keine dauerhafte Entscheidung getroffen werden. Die sofortige Aussetzung der Abschiebung war geboten. Die Vorläufigkeit dieser Anordnung ist allerdings auch richtig.
Die Landesregierung sieht auch keinen Grund, die Bundesregierung aufzufordern, das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen zu kündigen. Jeder Staat ist zur Rückübernahme seiner Staatsangehörigen verpflichtet, wenn diese aus anderen Staaten ausreisen müssen. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine völkerrechtliche Verpflichtung. Rückübernahmeabkommen begründen somit nicht die Verpflichtung der Vertragspartner zur Übernahme eigener Staatsangehöriger, sondern - Frau Polat, jetzt sollten Sie zuhören - regeln das administrative Verfahren, insbesondere die Identitätsfeststellung. Da die Durchführung von Abschiebungen nach Syrien bis auf Weiteres ausgesetzt ist, besteht für eine Kündigung ohnehin kein Anlass.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass für die Bewertung der asyl- und abschiebungsrelevanten Situationen in den Herkunftsstaaten der ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer vom Auswärtigen Amt Lageberichte erstellt werden. In diese Lageberichte - das ist anders als das, was Frau Polat hier dargestellt hat - fließen alle Erkenntnisse über die innenpolitische Situation dieser Staaten ein, die dem Auswärtigen Amt bzw. den Botschaften vor Ort zugänglich sind. Dazu gehören sowohl die Erkenntnisse von Organisationen der Vereinten Nationen und von anderen Staaten, aber auch von international tätigen Hilfsorganisationen wie amnesty international.
Auf dieser Grundlage wird vom Bundesamt über die Flüchtlingsanerkennung bzw. die subsidiäre Schutzgewährung wegen anderweitig drohender Gefahren entschieden. Diese Entscheidungen - das ist der entscheidende Punkt - können verwaltungsgerichtlich überprüft werden, wobei die Verwaltungsgerichte nicht an die Bewertung des Aus
wärtigen Amtes gebunden sind, sondern eine eigene Bewertung vorzunehmen haben, wozu auch gutachterliche Bewertungen anderer Stellen zusätzlich eingeholt werden können. Ich halte überhaupt nichts davon, die behördlichen Entscheidungen nicht mehr von den nach der Verfassung dafür zuständigen unabhängigen Gerichten, sondern von demokratisch nicht legitimierten Kommissionen treffen zu lassen.
Auch ist nicht erkennbar, wie eine deutsche Kommission das Vorgehen der Behörden in Syrien nach Durchführung von Abschiebungen aufklären kann. Sie würde sich allenfalls im Rahmen der ihr von der deutschen Botschaft eröffneten Möglichkeiten bewegen können. Zuständig sind die deutschen Botschaften in diesem Land.
Ich kann Ihnen sagen, dass bis auf einen Fall auch alle Erkenntnisse vorliegen. In diesem einen Fall hat die Botschaft mitgeteilt, dass es schwierig ist, Erkenntnisse zu haben, aber nicht ausgeschlossen ist, dass wir diese Erkenntnisse in naher Zukunft auch bekommen.
Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Ich glaube, man sollte das Ganze hier nicht so darstellen - auch wenn Sie das in solchen Fällen ja immer tun -, als wenn das Land Niedersachsen eine Möglichkeit hätte, Bundeszuständigkeiten wahrzunehmen. Wir haben keine Kompetenz, ein Ausländeramt einzurichten. Darüber hinaus ist es in unserem Staat nicht üblich - und sollte es auch nicht sein -, sogenannte unabhängige Kommissionen einzurichten, die dann die Entscheidungen der Gerichte toppen sollen. Mir ist wichtig, dies gerade in diesem Zusammenhang noch einmal darzustellen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe von daher die Beratungen.
Mit diesem Antrag soll sich federführend der Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen beschäftigen. Wer möchte das nicht beschließen? - Wer enthält sich? - Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Kollegen Limburg auf, der sich zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung gemeldet hat. Herr Limburg, Sie wissen, was Sie dürfen und was nicht. Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Focke, wir haben in der Debatte gerade über die Sinnhaftigkeit der von uns geforderten Kommission gestritten. Ich kann Ihre Kritik an dieser Kommission weiterhin nicht nachvollziehen. Sollte bei Ihnen jedoch der Eindruck entstanden sein, ich hätte Ihnen oder Ihrer Fraktion vorgeworfen, dass Ihnen das Schicksal der Menschen in Syrien egal sei, dann entschuldige ich mich dafür. Das habe ich Ihnen ausdrücklich nicht vorwerfen wollen.
Vielen Dank, Herr Limburg. - Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 29 und 30 auf, die vereinbarungsgemäß zusammen behandelt werden sollen.
Erste Beratung: Gesetzlicher Mindestlohn - jetzt! Für armutsfeste Löhne und Altersrenten! - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4131
Erste Beratung: Greifbare Chance zur Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse nutzen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4132
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion fordert mit dem Antrag „Gesetzlicher Mindestlohn - jetzt! Für armutsfeste Löhne und Altersrenten!“ die Niedersächsische Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf als Bundesratsinitiative vorzulegen, der die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für das gesamte Bundesgebiet vorsieht.
Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns soll unter Anwendung der OECD-Definition berechnet werden. Bei Löhnen unterhalb dieser Schwelle handelt es sich um Armutslöhne. Details dazu finden Sie in unserem Antrag.
Meine Damen und Herren, nach der jüngsten Umfrage im Auftrag der ARD vom 3. November 2011 befürworten 87 % der Bevölkerung der Bundesrepublik die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes.
In Deutschland fehlt eine solche gesetzliche Lohnuntergrenze, für die DIE LINKE seit dem Jahr 2003 unentwegt kämpft. Bereits in 23 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn.
Meine Damen und Herren, Lohndumping hat in der Bundesrepublik seit zehn Jahren Hochkonjunktur. Die Zahl der Beschäftigten, die vom Lohn für ihre Arbeit nicht mehr leben können, ist stark gestiegen. Heute arbeiten in Deutschland bereits 2 Millionen Frauen und Männer zu Stundenlöhnen unter 6 Euro, darunter rund 200 000 Menschen in Niedersachsen. Die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors ist nicht hinnehmbar. Würde hat ihren Wert und Arbeit ihren Preis. Dumpinglöhne von heute sind gleichbedeutend mit Armut von morgen.
Darum gilt für die Linke in der Arbeits- und Rentenpolitik der doppelte Gleichklang: gute Arbeit, gute Löhne, gute Renten - Mindestlohn, Mindestsicherung und Mindestrente.
„Es gibt Millionen von Menschen, die in Teilzeitarbeit, Leiharbeit, Niedriglohn, geringfügiger Beschäftigung usw. darben, die nicht genug Einkommen haben, um am gesellschaftlichen Leben vernünftig teilzuhaben.... Und ein wichtiger Baustein zur Behe
bung des Dilemmas im Bereich des Niedriglohnsektors - das sind in Deutschland fast 5 Millionen Menschen, in Niedersachsen knapp 500 000 Menschen - ist der Mindestlohn.“
Meine Damen und Herren, wer das gesagt hat, war kein Politiker der Linken, wie Sie jetzt vermuten, sondern Justizminister Bernd Busemann. Ich gratuliere Herrn Busemann - er ist leider gerade nicht da - zu dieser Einsicht.
„Ich bin nicht mehr bereit, soziale Verwerfungen im Niedriglohnbereich zu akzeptieren.... Eine angemessene Bezahlung hat auch etwas mit der Würde eines Menschen zu tun. Und ich halte manche Niedrigstlöhne, die in Deutschland gezahlt werden, schlicht und ergreifend für unwürdig.“
Meine Damen und Herren, ganz zweifellos ist es ein Fortschritt, dass die Diskussion um Mindestlöhne nun endlich auch in der CDU - auch in Niedersachsen - geführt wird. Das zeigt erneut: Die Linke wirkt.
Herr McAllister und Herr Busemann, lassen Sie Ihren schönen Worten Taten folgen! Wir fordern Sie auf, in der Novelle des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes einen Mindestlohn zu verankern. Die Linke hat das im Niedersächsischen Landtag bereits mehrfach zur Abstimmung gestellt.
Die CDU will anscheinend einen Mindestlohn, auch wenn er - mit Ausnahme von Herrn Busemann - häufig verschämt als Lohnuntergrenze bezeichnet wird. Jedoch weigert sich die CDU bisher, eine verbindliche Lohnuntergrenze gesetzlich festzuschreiben.
Die Union will, dass die Tarifvertragsparteien diese Lohnuntergrenze aushandeln, allerdings nur für Branchen und Wirtschaftsbereiche, in denen es keine Tarifverträge gibt.
Meine Damen und Herren, so etwas kann sich nur jemand ausdenken, der mit der Tarifwirklichkeit wenig vertraut ist oder gar die Öffentlichkeit täuschen will.