Protokoll der Sitzung vom 06.12.2011

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich halte jetzt für das Protokoll fest, dass die bisherigen Wortmeldungen, die nach § 75 zur Geschäftsordnung abgegeben worden sind, eigentlich dem Ziel dienen, nach § 66 der Geschäftsordnung eine Veränderung der Reihenfolge der Tagesordnung zu erreichen. So verstehe ich das und halten wir das auch im Protokoll fest.

Jetzt stelle ich offiziell die Frage und bitte um Abstimmung: Wer dem Antrag der Kollegin WeisserRoelle und anderer unterstützt, den Tagesordnungspunkt zu einem anderen Zeitpunkt zu beraten, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen.

(Johanne Modder [SPD]: Jetzt mal ein bisschen Mut!)

Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/4094 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/4223 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/4272

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. - Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Beratung abgeschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Diese Änderungsempfehlung stelle ich zur Abstimmung. Wer dieser Änderungsempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wer dem vorliegenden Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit hat der vorliegende Gesetzentwurf einstimmig die Zustimmung des Hauses gefunden.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abschließende Beratung: Sponsoring eingrenzen - Abgeordnetenbestechung wirksam bestrafen - Parteispenden neu regeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2294 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/4103

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Ich erteile dem Kollegen Limburg das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche hat Transparency International seinen jährlichen Korruptionsindex vorgestellt. Deutschland rangiert weltweit auf einem guten Platz 14. Im europäischen Vergleich allerdings - das sollte für uns der Maßstab sein - sind wir damit Mittelmaß. Nun könnte man es sich einfach machen und sagen „Gut, so ist das eben bei einer mittelmäßigen Bundesregierung und einigen mittelmäßigen Landesregierungen“ und sich damit abfinden.

Aber so einfach sollten wir es uns nicht machen. Wir könnten und müssen mehr gegen Korruption und Intransparenz in diesem Land tun, in ganz Deutschland, aber auch in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz direkt könnte z. B. die Landesregierung darauf verzichten, Sponsoren für ihre Feiern und andere Aktivitäten auf deren Wunsch hin geheim zu halten. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer der Landesregierung das Bier oder andere Sachen bezahlt. Die Landesregierung ist den Menschen in Niedersachsen Rechenschaft und Solidarität schuldig, niemandem sonst. Daran sollte sie sich auch halten, wenn es um Sponsoring ihrer Veranstaltungen geht.

(Unruhe)

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Wer jetzt großen Gesprächsbedarf hat, der kann diesem Bedürfnis auch außerhalb des Plenarsaals nachkommen. Ich finde, das Gemurmel in den Fraktionen stört den Redner erheblich. Insofern bitte ich darum, ihm die entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Ein weiterer Punkt in unserem Antrag ist der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung. Die Unfähigkeit des Deutschen Bundestages, diesen Straftatbestand an internationale Vorgaben anzupassen, verhindert bis heute eine Ratifizierung der bereits 2003, also vor acht Jahren, von Deutschland unterzeichneten UN-Konvention gegen Korruption. Hier gilt es, auch von Niedersachsen aus Druck zu machen, damit dieser unsägliche Zustand endlich beendet wird.

Meine Damen und Herren, das Europäische Parlament hat sich in der vergangenen Woche einen neuen Verhaltenskodex gegeben, mit dem u. a. auf den Fall des konservativen Europaabgeordneten Ernst Strasser reagiert worden ist, der sich für seine Abgeordnetentätigkeit nebenbei auch noch von Industrieunternehmen und Lobbyorganisationen bezahlen lassen wollte. Vielleicht wäre ein solcher Verhaltenskodex auch ein erster Schritt für den Niedersächsischen Landtag, so lange bis Berlin endlich tätig wird.

Schließlich behandeln wir in unserem Antrag den Aspekt Sponsoring und Spenden an Parteien. Ich

habe Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, in den Ausschussberatungen deutlich gesagt, dass wir nicht an jedem einzelnen Punkt hängen und dass wir nicht auf jeder einzelnen Grenze bestehen. Aber es muss im Grundsatz darum gehen, dass wir eine Deckelung für jährliche Spenden einführen, damit sich nicht einzelne Unternehmen oder sehr vermögende Personen einen übermäßigen Vorteil oder einen übermäßigen Einfluss auf die politische Willensbildung erkaufen können.

Es muss auch darum gehen, in Zeiten des Internets eine zeitnahe und schnelle Veröffentlichung von Großspenden, und zwar von Spenden in geringerer Höhe als bislang, zu ermöglichen. Nur so kann echte Transparenz in diesen Zeiten geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Professor Zielke, Sie haben in der ersten Beratung unsere zahlenmäßigen Grenzen kritisiert. In der Ausschussberatung habe ich dann vergeblich darauf gewartet, dass Sie dazu eigene Vorschläge machen. Wie gesagt, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Aber halten Sie nicht zu sehr mit den einzelnen Grenzen auf! Darüber können wir reden.

Der Grundsatz muss klar sein: Es muss in Niedersachsen und in Deutschland mehr Transparenz, mehr Offenheit bei Spenden und Sponsoring an Parteien geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Frau Kollegin Flauger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Grundgesetz steht:

„Die Abgeordneten … sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Leider sieht das in der Praxis oft anders aus. Es wird mit Geld und mit Vorteilen ganz massiv Einfluss auf politische Entscheidungen genommen. Wir können uns das heute kaum noch vorstellen, aber 2009 bei der Bundestagswahl hat die FDP das Versprechen „Mehr netto vom Brutto“ gegeben und das Rekordergebnis von 14,6 % erzielt. Eben

falls im Jahr 2009 war die größte Spende, die an die FDP ging, 850 000 Euro von August Finck jun., Besitzer der Hotelkette Mövenpick.

Das Versprechen der FDP „Mehr netto vom Brutto“ war offensichtlich sehr zielgruppenorientiert gemeint. Steuersenkungen gab es nämlich nur für ausgewählte Gruppen, z. B. für die Hotelindustrie, nämlich die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Alles Zu- fall!)

Im Jahr zuvor hat übrigens die CSU von dem gleichen Spender, der Mövenpick-Kette, 820 000 Euro bekommen. Ich denke, beide hätten eigentlich den Titel „Mövenpick-Partei“ verdient.

Normale Menschen, die nicht 800 000 Euro und mehr einfach so übrig haben, wurden nicht so wohlwollend mit Steuergeschenken bedacht. Aber es gibt auch weniger offensichtliche Beziehungen als im Fall Mövenpick: die Teilprivatisierung der Altersvorsorge unter massiver inhaltlicher Beeinflussung von Bert Rürup in seiner damaligen Funktion als sogenannter Wirtschaftsweiser. Die Folge war ein Geldsegen ohnegleichen für die private Versicherungs- und Finanzwirtschaft. Nach diesen Geschenken und nach diesen Abläufen wechselte Rürup dann nahtlos zum AWD, einem der Hauptprofiteure der Rententeilprivatisierung.

Riester hat nach eigenem Bekunden 330 000 Euro für Vorträge und andere Nebentätigkeiten während seines Mandats bekommen. Schröder hat die Gaspipeline in Nordeuropa ermöglicht und ist anschließend direkt zu Gazprom gewechselt. Ein anderes Beispiel ist Kohl mit seiner CDU-Schwarzgeldaffäre. Ich könnte hier sehr lange fortfahren.

Unternehmen und Verbände haben CDU und CSU allein im Jahr 2009 fast 20 Millionen Euro gespendet. Die FDP hat fast 6 Millionen Euro erhalten, die SPD mehr als 4 Millionen Euro, die Grünen immerhin fast 1 Million Euro. Die Linke hat als einzige Bundestagsfraktion keine Großspenden von Unternehmen und Verbänden bekommen. Das wird auch so bleiben.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir wollen unsere Unabhängigkeit bewahren, damit wir unserem grundgesetzlichen Auftrag als Abgeordnete weiterhin unbestechlich und zum Wohle aller nachkommen können.

Meine Damen und Herren, die Menschen registrieren die Verflechtungen und Beeinflussungen von Politik sehr wohl. Deshalb und wegen der Freiheit des Mandats besteht dringender Handlungsbedarf. Wir brauchen dringend mehr Transparenz über Sponsoring und Parteispenden. Wir müssen eine Änderung des § 108 e StGB haben, damit nicht nur der Kauf und Verkauf von Stimmen bestraft wird, sondern auch Vorteilsannahme für Handlungen, die nicht direkt Wahlen und Abstimmungen sind. Deutschland muss dringend die UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren; denn Deutschland steht mit der Nichtratifizierung sehr allein da.