teilweise Aufarbeitung des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte sollten wir nicht empfinden.
„Sorgen Sie als gewählte Vertreter des deutschen Volkes dafür, dass die Demokratie in diesem Land nicht mehr gefährdet werden kann!“
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der CDU und bei der FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist von meinen Vorrednern viel Richtiges gesagt worden. Es ist in der Tat so: Aktueller kann diese Frage eigentlich gar nicht behandelt werden, weil wir erst in der letzten Woche das Buch vorgestellt bekommen haben. Ich gestehe auch: Ich habe das Buch nur oberflächlich lesen können bzw. mich oberflächlich hineinlesen können.
Mit Geschichte geht jeder sehr persönlich um. Ich möchte dazu einmal etwas aus meiner ganz persönlichen Sicht sagen. Als ich Anfang der 60erJahre anfing, mich für die Verhältnisse zu interessieren, die um mich herum passierten, habe ich durchaus Probleme gehabt, Informationen von meiner Familie über die Zeit zwischen 1930 und 1945 zu bekommen. Da bin ich in der Tat auch teilweise auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.
Dieses Phänomen ist mir übrigens in den 90erJahren, verehrte Frau Flauger, wieder begegnet, als ich mit Schülern in der ehemaligen DDR war und mich dort mit Menschen unterhalten habe, die eben auch nicht den Zugang gefunden haben. Ich finde es richtig, dass wir aus der Vergangenheit lernen sollten.
Ich möchte zunächst einmal meinen Respekt vor der Arbeit ausdrücken: eine ausführliche Arbeit, eine sehr dezidierte Arbeit. Insbesondere hat mich die Recherche beeindruckt, die durchgeführt wor
den ist. Man kann auf den Seiten 123 bis 126 nachlesen, wo hinein man sich überall begeben musste, um verlässliche Informationen zu erhalten.
Ich möchte für diese Lektüre werben. Wie gesagt, jeder geht anders damit um. Wichtig ist aber, dass man das sorgfältig tut und dass man die Informationen, die dort gegeben werden, nicht einfach plakativ herauspickt, sondern dass man genau hinterfragt, um was für eine Information es sich eigentlich handelt.
Ich möchte das Beispiel der FDP-Fraktion in der 6. Wahlperiode geben. Damals hatte die FDPFraktion einen Anteil von 60 % ehemaliger NSDAP-Mitglieder. Es handelte sich um 6 Abgeordnete. Bei der SPD waren es 18,34 %. Es handelte sich um 13 Abgeordnete. Zum Anteil der NSDAP-Mitglieder an allen Abgeordneten in diesem Parlament trug die FDP mit 3,87 % und die SPD mit 8,4 % bei. Man muss also sehr genau hinschauen
- das ist kein Vorwurf -, wie man mit diesen Informationen umgeht, und darauf achten, dass man sie sehr bewusst aufnimmt.
Das Wichtigste ist zu versuchen, genau zu hinterfragen, wie die persönliche Situation jedes Einzelnen gewesen ist. Da darf es nicht zu irgendwelchen Schuldzuschreibungen oder Ähnlichem kommen. Ich finde es richtig, wenn Dieter Möhrmann sagt, dass man auch einmal genau hinterfragen sollte, vor welchem Hintergrund Hinrich Wilhelm Kopf gehandelt hat. Man muss darauf achten, dass man dieses Buch nutzt, um genau zu fragen, welche Bedingungen damals bestanden haben.
Ich finde, es hat durchaus ein positives Zeichen gegeben. Bei den nachfolgenden Wahlen zum niedersächsischen Landesparlament bestand auch ein Angebot, sich rechtsradikalen Parteien zuzuwenden. Das ist aber nicht genutzt worden, sondern es haben sich die demokratischen Parteien durchgesetzt. Das ist, glaube ich, ein guter Weg, den wir mit in die Zukunft nehmen sollten.
„Die Rückholung ist die einzige Möglichkeit, eine Verseuchung der Region zu verhindern“ (Aufruf der Samtgemeinden Asse und Schöp- penstedt) - Wann übernimmt die Landesregierung Verantwortung und macht die Asse zur Chefsache? - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4384
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation im Atommülllager Asse kann niemanden zufriedenstellen. Dort lagern unverändert 126 000 Fässer mit radioaktivem und chemotoxischem Müll. Seit mehr als zwei Jahrzehnten fließen täglich rund 12 000 l Salzlauge zu. Es gibt radioaktive Pfützen. Die Standsicherheit kann bisher nur bis 2020 gewährleistet werden.
Vor mehr als zwei Jahren ist die Grundsatzentscheidung gefallen, den Müll aus der Asse herauszuholen. Die Rückholung wird favorisiert, weil nur mit ihr die Langzeitsicherheit für die Region gewährleistet werden kann, weil nur so auszuschließen ist, dass in wenigen Jahrzehnten ein hochgiftiger Mix an die Biosphäre gelangt.
Die Bürgermeisterinnen der Samtgemeinden Asse und Schöppenstedt formulieren deshalb in einem Aufruf sorgenvoll:
Sie bringen damit die Verzweiflung zum Ausdruck, die nach inzwischen zwei Jahren vorhanden ist, weil keine Fortschritte zu verzeichnen sind.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat immer noch nicht mit der Probebohrung angefangen. Die Genehmigungsauflagen des niedersächsischen Umweltministeriums verschlingen viel zu viel Zeit. Zwischen den Behörden gibt es Misstrauen und Blockaden. Lappalien wie fehlender Stickstoff oder die Entsorgung von 80 m3 Lauge werden zu schwerwiegenden Problemen gemacht.
Viele Menschen haben inzwischen den Eindruck, dass der Prozess gezielt verschleppt wird - und wir teilen diesen Eindruck, meine Damen und Herren!
Am meisten verärgert das Verhalten der verantwortlichen Minister. Wenn diese nicht glaubwürdig vermitteln, dass eine schnelle Rückholung des Atommülls aus der Asse gewollt ist, wenn sie sich nicht vor die Bürger vor Ort stellen, wie sollen dann die Beamten in den Behörden die Rückholung offensiv voranbringen?
Bundesumweltminister Röttgen signalisiert vor allem Desinteresse, lässt sich vor Ort nicht blicken und antwortet sogar auf Presseanfragen erst nach Wochen. Der ausgeschiedene Umweltminister Sander hat kurz vor Weihnachten zu Protokoll gegeben, dass er und sein Haus schon immer der Meinung gewesen seien, dass der Müll am besten unten bleiben solle. Wenn das die unverblümte Wahrheit war, würde das rückblickend einiges erklären. Wenn sich das Umweltministerium schon bei der Entsorgung von 80 m3 Lauge querstellt, wie soll dann die Rückholung von 126 000 Fässern Müll gelingen?
Herr Ministerpräsident, bei Ihrem Besuch vor Ort haben Sie die Asse als das größte Umweltproblem im Land bezeichnet, aber als ein Problem, für das - ich zitiere - die Landesregierung nicht zuständig sei. - Sie sehen das Problem, aber Sie halten sich nicht für zuständig. Sie sprechen sich für die Rückholung aus, aber Sie machen nichts dafür, damit sie Wirklichkeit wird. Das ist eine verantwortungslose Haltung!
Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Ihr Parteifreund Röttgen der Asse mit höchster Priorität annimmt.
Es ist Ihre Aufgabe, deutlich zu machen, dass die Rückholung für uns in Niedersachsen ein Anliegen von größter Bedeutung ist.
Herr Minister Birkner, diese Aktuelle Stunde bietet Ihnen die Gelegenheit, quasi als erste Amtshandlung zum größten Umweltproblem in Niedersachsen Stellung zu beziehen. Wir fordern Sie eindringlich auf: Bekennen Sie sich nicht nur zur Rückholung, tun Sie etwas dafür!
dem Weg zu räumen, und beenden Sie die Zuschauerrolle Ihres Hauses bei der Begleitung der Arbeiten in der Asse!
Meine Damen und Herren, heute und morgen treffen sich in Braunschweig Vertreter von Bund und Land, Fachleute und die Asse-II-Begleitgruppe, um Optimierungsmöglichkeiten zu erörtern. Es ist eine Unverfrorenheit, dass sich der Vorsitzende der Entsorgungskommission, Michael Sailer, einer der zentralen Einflüsterer von Herrn Röttgen, der Diskussion vor Ort verweigert und stattdessen ankündigt, in einigen Monaten ein Gutachten vorzulegen, das dann für Herrn Röttgen die Grundlage für die nächsten Schritte sein soll. Das sind die Torpedierer, die von Anfang an versucht haben, diesen Rückholungsprozess zu verhindern.
In Braunschweig muss zur Beschleunigung geprüft werden, wie zeitverzögernde Lappalien, z. B. Fehlen von Stickstoff, frühzeitig vermieden werden können, welche weiteren Schritte bereits parallel begonnen werden können, welche Zeitersparnis möglich wäre, wenn man das Genehmigungsverfahren nicht für die Asse komplett, sondern für viele kleine Teile der Asse anschiebt. Und natürlich sollte auch geprüft werden, welche Anforderungen an ein Asse-Maßnahmengesetz zu stellen wären, wenn alles Genannte noch nicht ausreichen sollte, um den ganzen Vorgang zu beschleunigen.
Das Wichtigste aber ist, meine Damen und Herren, dass sich alle politisch Verantwortlichen klipp und klar zur Rückholung bekennen.
Es gilt, keine Zeit mehr zu vertun. Die Asse muss auf Landes- und auf Bundesebene endlich zur Chefsache werden!