Herzlichen Dank, Herr Dr. Hocker. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Hagenah das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der Überschrift her können wir Grüne diesmal sogar der FDP zustimmen. Bei den Ableitungen, die Sie aus dieser Überschrift vornehmen, sträuben sich uns allerdings die Haare. Denn nach dem, was Herr Rösler vorgestern im Handelsblatt und Sie hier gerade hinsichtlich einer drohenden Deindustriealisierung durch das Energieeinspeisegesetz - so Herr Rösler - gesagt haben, wonach sich die jetzige Förderung auf Dauer nicht durchhalten lasse, weil sie das System sprenge - so Herr Rösler -, wollen Sie genauso, wie es Herr Rösler vorgeschlagen hat, gerade die Solarförderung aufs Korn nehmen und ein Quotenmodell einführen.
Dabei sind die aktuellen Befunde genau gegenteilig; denn die Stromkosten an der Strombörse sind trotz des Atomausstiegs gesunken. Die Strombörsepreise kommen besonders der Industrie zugute, die dort hauptsächlich bezieht. Das senkt die Produktionskosten in Deutschland, und die Strombörsepreise sinken dadurch, dass EEG-Strom, vor allen Dingen Solarstrom, gerade zu den teuersten Zeiten eingespeist wird und dadurch die anderen teuren Ströme verdrängt. Das EEG ist also für die Industrie an dieser Stelle sehr vorteilhaft.
Selbst der prognostizierte massenhafte Stromimport Deutschlands nach dem Atomausstieg mit dem Abschalten von sechs Kernkraftwerken im letzten Jahr ist nicht eingetreten. Ihr Alarmismus war also ganz umsonst. Dabei hat sich gerade die FDP alle Mühe gegeben, Probleme des Atomausstiegs herbeizureden und, wenn das nicht hilft, welche herbeizuregieren, Herr Dr. Hocker. Denn Sie haben vor wenigen Monaten mal eben milliardenschwere Entlastungen für die Industrie beschlossen, mit denen weite Teile ganz von der EEG-Umlage und von den Stromdurchleitungsge
bühren befreit werden. Das haben Sie dankenswerterweise, weil Sie ja so bürgerfreundlich sind, den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den kleinen und mittleren Unternehmen oben draufgepackt. So sieht die Mittelstandsförderung der FDP auf Bundesebene aus!
Der Umgang der FDP mit dem Atomausstieg und der Energiewende ist mit „Fremdeln“ noch zu wenig beschrieben. „Obstruktion“ ist die richtige Beschreibung, wie die FDP Politik in Bezug auf die Energiewende macht. Immer dann, wenn Herr Rösler vorgibt, den Markt entscheiden lassen zu wollen, dann meint er die großen vier Energieerzeuger und die vier großen Netzbetreiber, die das unter sich ausmachen sollen. Das belegt sein Interview eindeutig. Wettbewerb sieht für uns Grüne jedenfalls anders aus, als Sie es mit diesen oligarchen Strukturen hier betreiben wollen.
Dass Röslers Vorschläge weder zu günstigeren Energiepreisen noch zu den bei einer dezentralen Energiewende möglichen positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt führen, ist doch klar. Denn, im Gegenteil, Ihre Vorschläge gefährden sogar Hunderttausende Arbeitsplätze. Mehr als 130 000 Arbeitsplätze sind z. B. in Deutschland im Bereich der Solarenergie.
Ähnliche Quotenmodelle, wie Sie sie jetzt vorschlagen, sind in anderen Ländern längst gescheitert. Quotensysteme sind aufgrund der Mitnahmeeffekte deutlich teurer als Einspeisesysteme und führen zu einem deutlich langsameren Ausbau der erneuerbaren Energien. Offensichtlich ist dies das Ziel der FDP. Zudem führen sie zu einer Monopolisierung des Ausbaus ganz im Sinne der FDP, die dort ihre Freunde hat.
Anstatt unser CO2-Problem in Deutschland zu vergrößern und neue konventionelle Kraftwerke, wie es Herr Rösler vorschlägt, zukünftig auch noch zu bezuschussen, wollen wir Grüne den Ausbau der regenerativen Energie mit Augenmaß weiter voranbringen. Die bereits beschlossene sogenannte atmende Degression - je mehr Zubau, desto mehr Kürzung bei der Solarstromvergütung - ist dafür das richtige Instrument. Allein in diesem Jahr wird sich die Solarförderung, die Fotovoltaikförderung um 27 % pro Kilowatt verringern, Herr
dass hier in zwei Schritten in diesem Jahr zum 1. Januar und zur Mitte des Jahres entsprechend abgesenkt wird. Das wurde übrigens von Ihrer Regierung und von Herrn Rösler noch vor wenigen Monaten beschlossen. Im Augenblick schlägt er ja einen Haken, um sozusagen seine eigenen Beschlüsse von vor ein paar Monaten noch zu überholen.
Damit zeigt das EEG, dass es effizient funktioniert und im besten Sinne wirtschaftliche Vernunft ist. Das zeigt auch der Vergleich mit anderen Ländern, wie z. B. Spanien, wo solche Quotenmodelle eingeführt worden sind und der Markt sofort zusammengebrochen ist und überhaupt nicht mehr investiert worden ist. Das Beispiel England zeigt: Dort, wo feste Quoten gezahlt werden, ist die Förderung regenerativer Energie deutlich teurer als in Deutschland.
Das heißt, das Energieeinspeisegesetz hat in der Vergangenheit - da sind wir uns offensichtlich einig - einen sehr guten Dienst zur Markteinführung geleistet. Aber jetzt, wo wir gerade beim Solarstrom dieses Jahr endlich die Schwelle erreichen, dass die Leute den Solarstrom selber nutzen, weil die Preise, die sie bekommen, unter die tatsächlichen Verbraucherpreise sinken, und dass der Eigenverbrauch in Deutschland ordentlich anspringt, wollen Sie aus diesem sinnvollen Gesetz, aus dieser sinnvollen Regelung aussteigen und andere, schlechtere, Instrumente einführen. Das ist gegen wirtschaftliche Vernunft und typisch Klientelpolitik der FDP.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hocker, „effizient, nachhaltig, bezahlbar“ - da gehen wir völlig mit, bis dahin sind wir einverstanden. Auf dem Weg aber verstolpert sich die FDP wie erwartet und redet die halbe Pressetribüne leer.
Ich möchte Sie auf Folgendes hinweisen - das hat ja auch bei dem, was Sie gesagt haben, eine Rolle gespielt -: Der Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft hat Anfang des Jahres darauf hingewiesen, dass - dafür können weder die FDP noch die Linken etwas - wegen der anhaltenden starken Westwinde im Dezember der Monatsrekord in der Onshorewindanlagenstromproduktion erreicht worden ist. Das ist also bisher Rekord. Der Anteil erneuerbarer Energie 2011 liegt insgesamt, je nach Rechenweise, zwischen 20 und 25 %, also bei fast einem Viertel.
Das ist vor allen Dingen Windenergie, die dezentral und damit in der Perspektive auch kommunal verwaltet produziert worden ist. Da schrillen bei der FDP natürlich alle Alarmglocken. Die FDP ist ja nicht die ENB - „Effizient“, „Nachhaltig“, „Bezahlbar“ -, sondern die FDP ist die „Fossil Degenerierte Partei“. Insofern ist die Partei notwendigerweise der Schutzpatron der großen Vier. Darauf hat Herr Hagenah hingewiesen. Sie schützen die Kohleproduktion. Sie wollen so lange wie möglich am Atom festhalten. Sie wollen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, natürlich den Ausstieg aus dem Ausstieg. Und Sie wollen zentrale Offshorewindparks, weil das die großen Vier begünstigen würde.
Das erklärt, warum Herr Rösler und seine leichten Hilfstruppen das Feuer gegen die Solartechnik eröffnen. Es ist doch völlig bizarr, dass gegen die Solartechnik gewettert wird mit dem Argument, dass die Energiewende jetzt gelingen würde, weil im Dezember so viele Solarzellen auf die Dächer Deutschlands und auch Niedersachsens geschraubt worden sind wie niemals zuvor. Das ist großartig. Deswegen werden aus den 3 % Solarstromanteil, von dem Sie erzählt haben, mit Sicherheit im Jahr 2012 - weil das jetzt in die Produktion geht - 4 %. Wenn Sie sagen, dass das furchtbar ist, dann macht das deutlich, dass die Energiewende von Ihnen nicht gewollt ist.
Nun gibt es Hockers Milchmädchenrechnung, und die geht so: Das ist alles viel zu teuer erkauft, weil die Subventionen zu hoch sind.
Das ist deshalb Unsinn, Herr Hocker, weil Sie aus Ihrer Rechnung die gesamten allgemeinen wirtschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit dem
Atomstrom, die vom Steuerzahler zu begleichen sind, herausrechnen. Die gesamten Kosten für Gorleben sind nicht in Ihrer Rechnung drin.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wer spricht denn von Atomstrom? Ich spreche überhaupt nicht von Kern- energie!)
Die gesamten Kosten für die Asse sind nicht in Ihrer Rechnung drin. Die gesamten Kosten für das Riesenprojekt „Aufbewahren bis in alle Zeit“ sind nicht in Ihrer Rechnung drin.
Das Gleiche gilt für die Kohle, Herr Hocker - Sie sind ja ein Fossilkraftwerksliebhaber. Die gesamten Folgekosten für die Renaturierung des Braunkohletagebaus sind nicht in Ihrer Rechnung drin. Allein in Nordrhein-Westfalen braucht man 55 Millionen Euro jährlich für das Wegpumpen von Wasserrückständen in den Kohlebergwerken, weil es dort Bodensenkungen gibt. Das ist nicht in Ihrer Rechnung drin. Wenn Sie das alles in Ihre Rechnung aufnehmen würden, dann würde Ihr Kostenvergleich - Umstellung auf Solartechnik versus traditionelle Fossil- und Atomtechnik - völlig anders aussehen, Herr Hocker. Sie haben ja gesagt, dass die Umstellung im Vergleich viel zu teuer ist.
Also hören Sie auf, mit diesen völlig unsinnigen Scheinrechnungen Ihre vier Lieblingsmonopolisten zu schützen. Sie sind eine Monopolschutzpartei. Das ist der dürre Kern Ihrer Argumentation.
Wir sagen stattdessen: Dezentral geht das besser. - Ich verweise, weil ich nicht so viel Zeit habe, auf unseren sich immer noch in der Diskussion befindlichen großartigen Antrag mit einem etwas sperrigen Titel zum Stoffstrommanagement. Für etwas zahlenbeflissenere Leute: Das ist die Drs. 16/2402. In diesem Dokument haben wir Ihnen dargelegt, wie das ginge - effizient, nachhaltig und bezahlbar -, nämlich indem Sie die kommunale Energie
gewinnung fördern, indem Sie in die verschiedenen Energieerzeugungen vor Ort investieren. Das geht nur kommunal; das geht nur gegen die vier Monopole, die Sie schützen wollen; das geht nur kommunal geleistet und kommunal organisiert.
Das wäre eine Energiegewinnung weg von der Energiepolitik, die Sie betreiben, und tatsächlich hin zu effizient, nachhaltig und bezahlbar. Dazu braucht man viel Gehirnschmalz, aber eines mit Sicherheit nicht: die FDP.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Effizient, nachhaltig, bezahlbar - damit nimmt die FDP den Titel unseres Entschließungsantrags aus dem letzten Jahr auf. Das ist gut. Aber, Herr Hocker, geschmunzelt habe ich doch bei der Folgeformulierung: Wettbewerb und wirtschaftliche Vernunft. Genau das lassen Sie, die FDP, doch seit Langem vermissen. Sie behindern doch sogar ständig Wettbewerb: Bei der Kreislaufwirtschaft begünstigen Sie Privatunternehmen,
bei der Laufzeitverlängerung haben Sie dezentrale Strukturen - besonders Stadtwerke - behindert. Sie haben Wettbewerb behindert, ja sogar verhindert.
Sie haben das Oligopol der vier Stromkonzerne - meine beiden Vorredner haben das erwähnt - gestützt. Wettbewerb ist im Jahr 2012 bei der FDP nur noch eine Worthülse. Aber am schlimmsten ist, Herr Hocker, dass Sie mit Ihrer verbohrten Ideologie Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien gefährden. Das ist wirklich schlimm bei der FDP.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Steinkohle ist über Jahrzehnte sub- ventioniert worden, und das Ergebnis kennen Sie!)