Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das hat andere Gründe!)

Der Niedersächsische Landtag hat sich im Übrigen rechtzeitig während des Gesetzgebungsverfahrens zur weiteren Bahnreform mit großer Mehrheit zum DB-Börsengang positioniert. Wir haben in sechs Punkten klare Bedingungen für die Beratung auf Bundesebene formuliert: erstens Bestand und Leistungsfähigkeit des Netzes sichern, zweitens keine Privatisierung zulasten des Landeshaushalts zulassen, drittens den verkehrspolitischen Einfluss des Landes sichern, viertens die Unabhängigkeit des DB-Netzes vom Betrieb sichern, fünftens weiterhin konkrete Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen einfordern und sechstens eine Anreizregulierung erreichen und durchsetzen, um den Wettbewerb erfolgreich zu gestalten.

Sie kommen mit Ihrem Antrag wirklich reichlich spät. Nicht der Privatisierungskurs der Bahn war der Irrweg, sondern Ihr rückwärtsgewandter Antrag heute. Auch der zweite Teil der Bahnreform hat sichergestellt, dass das Netz des Bundes ein wichtiges Instrument der staatlichen Daseinsvorsorge bleibt. Entscheidend bei der Weiterentwicklung der Bahn ist aber die Beteiligung der Bundesländer. Wer wie Sie gegen die Bahnreform streitet, muss doch zur Kenntnis nehmen, dass wir in Niedersachsen z. B. über die Gründung der Landesnahverkehrsgesellschaft bei der Ausschreibung von Regionalverkehren und die Vergabe im Wettbewerb erheblich mehr Leistung bei gleichen oder gar sinkenden Kosten erreicht haben.

Auch hier zeigen die stark gestiegenen Fahrgastzahlen in den letzten zehn Jahren, dass diese Ausschreibungen, die den Wettbewerb erst ermöglicht haben, auch bei den Kunden sehr gut angekommen sind. Wer sich gegen die Bahnreform ausspricht, der müsste dann im Lande auch konsequenterweise gegen den Wettbewerb und gegen die Landesnahverkehrsgesellschaft vorgehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtag hat sich im Oktober des letzten Jahres zu den Bedin

gungen der Bahnreform klar positioniert. Jetzt muss es darum gehen, Handlungsanleitung für die Niedersächsische Landesregierung zu geben, die verkehrspolitischen Interessen des Landes bei der anstehenden Umsetzung der Bahnreform zu vertreten. Dafür bedarf es nicht eines Grundsatzantrags, der rückwärts gerichtet ist. Sie werden die Bahnreform so, wie sie eingeleitet worden ist, ohnehin nicht aufhalten. Jetzt geht es um die Bedingungen; die müssen wir gemeinsam definieren. Dafür muss das Land natürlich auch nachhaltig streiten. Wir wünschen der Landesregierung dabei viel Erfolg, die niedersächsischen Interessen auch entsprechend einzubringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Will. - Es folgt eine Kurzintervention von Frau Weisser-Roelle auf Herrn Kollegen Will.

Ich möchte nur noch auf einen Punkt eingehen. Herr Will, Sie haben gesagt, dass der Privatisierungskurs der Bahn AG ein Erfolg gewesen sei. Dazu vielleicht noch einige Zahlen.

Die Anbindung der Fläche ist zurückgegangen. Die Folgen haben Sie ja in Ihrem Antrag selber beschrieben. Weitere Folgen werden kommen.

Das Schienennetz schrumpfte um 5 000 km, Fahrpreise wurden mehrfach, teilweise deutlich, angehoben.

Dann noch ein ganz wichtiger Punkt: Die Beschäftigtenzahl verringerte sich von 380 000 Personen im Jahr 1994 auf 180 000 Personen im Jahr 2007.

Rund 1 000 Bahnhöfe wurden seit 1994 geschlossen.

Das sind nur einige Fakten zu diesem Thema. Wenn Sie dann noch sagen, das war ein Erfolg, und das ist der richtige Weg, dann sprechen diese Zahlen, die ich eben genannt habe, dagegen. Das lässt sich sicherlich auch noch mit anderen Zahlen beweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Will möchte gern antworten. Bitte schön. Auch Sie haben eineinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Frau Weisser-Roelle, Sie wissen genauso gut wie ich, dass mit der ersten Bahnreform zwei Eisenbahnen verschmolzen wurden. Da gab es eine Menge Aufräumarbeiten - gerade bei der Deutschen Reichsbahn - zu leisten.

Sie wissen auch, dass ein in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliches Unternehmen von der Bahn übernommen und stabilisiert werden musste.

(Björn Thümler [CDU]: So ist das!)

Vor dem Hintergrund zu sagen, da gehe es nur um Arbeitsplatzabbau, ist zu kurz gesprungen. Es ging auch darum, beide Eisenbahnen überhaupt erst einmal zu erhalten.

(Beifall bei der SPD - Sehr richtig! bei der CDU)

Jetzt erteile ich Herrn Kollegen Hagenah das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir uns zumindest hier in Niedersachsen gemeinsam, parteiübergreifend, für den Erhalt eines attraktiven Intercity-Angebots stark machen. Die Unterstützung durch den Landtag ist für die betroffene Region sicherlich dringend nötig.

Erst vor zwei Monaten hatten wir von den Grünen mit einer Kleinen Anfrage auf die Absichten der Bahn zur Schließung von IC-Haltepunkten auch im Leinetal aus privatisierungsbedingten Rationalisierungsüberlegungen aufmerksam gemacht. Wir haben es zwischen Hannover und Göttingen mit den ersten Auswirkungen von Maßnahmen zu tun, die ab 2010 sicherlich auch anderswo bundesweit umgesetzt werden sollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie werden in diesem Fall von der Bahn mit der Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der IntercityLinie und der Entlastung der ICE-Linie zwischen Hannover und Göttingen begründet. Was auf der Leinetalstrecke bleiben wird, ist lediglich ein einziger Intercity am Morgen in Richtung Hannover und ein einziger, der am Abend zurückfährt. Das ist viel zu wenig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Intercitys werden dann zwar zwischen Hannover und Göttingen schneller, aber ich befürchte, dass es dann nicht lange dauern wird, bis die Bahn sagt, nun haben wir so eine schnelle Verbindung mit dem Intercity nach Göttingen, da braucht der ICE in Göttingen nicht mehr zu halten; denn der Intercity ist ja dann genauso schnell.

Das wäre - wie wir alle wissen - keine neue Diskussion; die hatten wir schon.

Um auch das zu verhindern und auch diese Kürzung, die jetzt ansteht, zu verhindern, werden wir uns alle gegenüber Bahn und Bund engagieren müssen.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Sie verweisen bei Problemen aus der Bahnprivatisierung gern auf das Fernverkehrssicherungsgesetz, das die Länder im Bundesrat auf den Weg gebracht haben. Ob wir damit das Ruder noch herumreißen können, das die Große Koalition im Bund bereits in eine ganz andere Richtung gedreht hat, Herr Krumfuß, wird tatsächlich immer zweifelhafter.

Wenn das nicht gelingt, werden ohnehin strukturschwache Regionen in Südniedersachsen, darunter eben auch der Harz und das Weserbergland, vom Fernverkehr abgekoppelt und buchstäblich auf der Strecke bleiben. Dabei hatte uns doch, Herr Krumfuß, Ihr Fraktionsvorsitzender McAllister noch vor Kurzem versprochen: Die Züge sollen da fahren, wo die Menschen sind.

(David McAllister [CDU]: Eben!)

Ich habe das so verstanden, dass die Züge da, wo die Menschen sind, nicht nur fahren, sondern ab und zu auch mal halten. Das, denke ich, ist hier schwer in Gefahr.

Wir stehen deshalb aus voller Überzeugung zu dem jetzt gemeinsam getragenen Antrag, aber wir kommen nicht umhin, Herr Schwarz, Sie daran zu erinnern, dass die Große Koalition im Bund, Ihre Bundesparteien, Herr McAllister und Herr Jüttner, Teil des Problems und eben nicht Teil der Lösung sind.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Weshalb das denn?)

- Weil das die schlichte Auswirkung der gerade beschlossenen Bahnreform ist, an deren Symptomen wir hier mit unserem Antrag herumkurieren.

Da haben Sie noch eine Menge zu klären, damit derartige Initiativen auch die nötige Erfolgsaussicht und Glaubwürdigkeit bekommen. Wenn die Privatisierung, wie bisher beschlossen kommt, ist der Zug abgefahren.

(Glocke der Präsidentin)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat hier ebenfalls einen Antrag vorgelegt, in dem einige durchaus vernünftige Kritikpunkte zur Bahnreform enthalten sind, die aber durch zu viel ideologische Soße leider verdorben werden. Korrekt ist jedoch die Kritik an der Art und Weise der aktuellen Privatisierungsbeschlüsse mit den bereits angesprochenen negativen und vorhersehbaren Konsequenzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auf ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren wurde aus machtstrategischen Gründen verzichtet. Die Länder wurden bewusst ausgebootet, um beim Netzerhalt nicht in die Pflicht genommen zu werden.

Wegen der allerdings im Antrag der Fraktion DIE LINKE enthaltenen ideologischen und wirtschaftlichen Nostalgie, die einem Zurück zum alten Staatsmonopolbetrieb gleichkäme, ist der Antrag jedoch in Gänze nicht zustimmungsfähig.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben noch elf Sekunden!

Eben. - Da das bisher von keiner der Vorrednerinnen und von keinem der Vorredner gesagt wurde, möchte ich noch etwas zum weiteren Verfahren sagen. Ich hielte es für richtig - meines Wissens sollte es auch so sein -, wenn über diesen gemeinsamen Antrag gleich in der Sache abgestimmt würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön für diese Anregung. - Jetzt hat sich aber für die FDP-Fraktion Frau Kollegin König zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Leinetalstrecke ist für die südöstliche Region Niedersachsens eine wichtige Verbindung sowohl in die Süd-Nord-Richtung und umgekehrt als auch in die West-Ost-Richtung. Sie betrifft sowohl die Berufspendler als auch die Ferienregionen und stellt über ihre Umsteigeknoten eine wichtige Verbindung für den schnellen Reiseverkehr dar.