Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil sich hier ein ungeheuerlicher Vorgang andeutet. Ich will ausdrücklich klarmachen, dass bei der Frage, ob man einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichtet, das Parlament allein gefordert ist. Die Regierung hält sich aus diesem Vorgang heraus. Darüber mag hier nach Beratung mit entsprechender Mehrheit so oder so entschieden werden. In diesem Zusammenhang bin ich aber insbesondere durch den Beitrag von Herrn Wenzel zum einen persönlich und als Abgeordneter und zum anderen als Justizminister angesprochen worden, der für seine Staatsanwaltschaften und seine unabhängigen Gerichte natürlich in gewisser Weise verantwortlich ist. Auf den Punkt werde ich noch zurückkommen.
Es ist bemerkenswert, dass wir heute Morgen in der Fragestunde bei der Behandlung der ersten Mündlichen Anfrage, die von den Grünen gestellt war, die Frage zu beantworten hatten, ob es passiert sein könne, dass ein Landesminister Beamte beleidigt hätte. Ich will nun nicht urteilen, ob das ein bedeutender Vorfall war. Aber er entbehrte nicht einer gewissen Scheinheiligkeit. Kaum eine Stunde später wird die Staatsanwaltschaft diskreditiert. Das ist ein ganz anderer Vorgang.
Meine Damen und Herren, ich habe in diesem Hause schon viele Reden gehalten. Ich wurde aus dem Jahr 1999 zitiert. Da ging es um die Frage, ob zur Aufklärung der Vorgänge um den zum damaligen Zeitpunkt schon ehemaligen Ministerpräsidenten Glogowski ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden sollte oder ob ein Sonderermittler oder die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden sollte usw. - Ich muss Ihnen sagen: Jeder Fall ist anders. Das gilt auch hier. Was den Fall Glogowski anbelangt, so werden Sie, Herr Bartling und Herr Jüttner, sich daran erinnern, dass kein Sonderermittler aufzutreten brauchte, weil die Nachrichten aus dem SPD-Lager so schnell kamen, dass wir im parlamentarischen Raum gar nicht hinterherkamen. Im Übrigen haben sich damit später die Staatsanwaltschaft, die Gerichte und die Rechtsprechung zu befassen gehabt. Das letzte Meineidsverfahren liegt noch gar nicht lange zurück.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber ihr habt trotzdem einen Untersuchungs- ausschuss gemacht! Obwohl es gar nicht notwendig war!)
- Es ist damals ein Untersuchungsausschuss eingesetzt worden, weil er ein politisches Kampfinstrument ist. Im Nachhinein würden wir sagen, dass er sogar mit Erfolg eingesetzt worden ist, weil beachtliche Dinge - erstaunlicherweise nach Rücktritt eines Ministerpräsidenten - noch zutage gefördert werden mussten und daraus Konsequenzen für die praktische Politik erwachsen sind, etwa hinsichtlich der Frage, wie man mit Bezügen aus Aufsichtsratsmandaten umzugehen hat, Herr Briese. Wie damit zu verfahren ist, hatte sich damals selbst bis zum Ministerpräsidenten hin noch nicht so richtig herumgesprochen. Das ist aber Vergangenheit.
Ich möchte Ihnen Folgendes sehr deutlich sagen: Der Vorgang Asse ist sicherlich politisch schwierig, er ist umweltpolitisch und technologisch außerordentlich schwierig. Das ist die eine Seite. Der Sachverhalt mag so oder so behandelt werden. Wenn die Angelegenheit strafrechtliche Relevanz hat, in welchem Verfahrensstadium auch immer, dann können Sie davon ausgehen, dass die unabhängige Justiz und die Staatsanwaltschaften immer nach Kenntnisstand und nach Stand der jeweiligen Möglichkeiten zu Werke gehen werden - ohne Ansehen von Personen, ohne Ansehen von Parteien und auch nach Recht und Gesetz. Das
Herr Wenzel, Sie haben sich hier sozusagen geoutet. Der Hintergrund ist, dass Sie höchstpersönlich am 3. Juli 2007 eine Strafanzeige wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen usw. erstattet haben. Ihre Strafanzeige hat entsprechende Ermittlungen und Recherchen der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig nach sich gezogen und mündete im Januar dieses Jahres in eine Einstellung des Verfahrens, was Ihnen auch mitgeteilt worden ist. Sodann - ich konnte das eben nur ganz kurz recherchieren - haben Sie wohl im Wege einer Dienstaufsichtsbeschwerde versucht, dem Verfahren einen neuen Schub zu geben.
- Ihr Schreiben ist aber als Dienstaufsichtsbeschwerde gewertet worden. Wie dem auch sei: Der Generalstaatsanwalt hat sich aufgrund der entsprechenden Eingabe noch einmal neutral mit dem Vorgang befasst und kommt wieder zu dem Ergebnis, dass strafrechtliche Relevanz in Richtung weiterer Ermittlungen und Anklageerhebung nicht gegeben ist. Vertrauen Sie insoweit bitte unserer Staatsanwaltschaft.
Nun zum Stichwort „Ministerium und Kontakt“. So etwas kann bei solchen Angelegenheiten sehr leicht angesprochen werden. Natürlich erfährt das Justizministerium dann, wenn Anzeigen von Abgeordneten und politischen Parteien eingehen, von dem jeweiligen Vorgang und dem Ergebnis der Recherchen. Das ist meines Erachtens ein ganz normaler Kontakt. Da wird pflichtgemäß miteinander umgegangen. Im Übrigen gilt für unsere Gerichtsbarkeiten sowieso die Unabhängigkeit.
Auch hier sehen wir überhaupt keine Veranlassung, unsere Staatsanwaltschaften in irgendeiner Form mit Weisungen zu beeinflussen. Ich kann nur davon ausgehen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat, überprüft durch den zuständigen Generalstaatsanwalt, korrekt gearbeitet. Einflussnahmen - das halte ich für einen sehr schlimmen Vorwurf - hat es aus dem Ministerium heraus weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart gegeben, und es wird sie auch in der Zukunft nicht ge
ben. Diese Vorgänge werden nach Recht und Gesetz bearbeitet. Das bitte ich hier einfach zur Kenntnis zu nehmen.
Vielen Dank. - Das fasse ich als Lob auf, Herr Minister. - Ich habe zwei Fragen. Erstens. Ist die StA eigentlich eine weisungsgebundene Behörde, gehört sie also der Exekutive an, oder genießt sie richterliche Unabhängigkeit? - Zweitens. Hat es eigentlich in der Vergangenheit in der Bundesrepublik Fälle gegeben, in denen die oberste Ebene der Exekutive - sprich: das Ministerium - die StA einmal angewiesen hat, dieses oder jenes zu unterlassen, und hat das vielleicht auch einmal zu politischen Skandalen oder sogar zu Rücktritten geführt? - Ich erinnere z. B. an das Bundesland Baden-Württemberg, wo meines Wissens zwei Minister wegen dieser Frage sogar zurücktreten mussten.
Es ist völlig klar: Richterinnen und Richter in Deutschland und auch in Niedersachsen sind absolut unabhängig und nicht weisungsgebunden. Von der verfassungsrechtlichen Ausgangslage her ist ein Staatsanwalt nicht dem Richter gleichgesetzt. Er wäre theoretisch weisungsgebunden. Es gibt eine rechtsstaatliche Übung in Deutschland,
Man müsste einmal in die Geschichte des Landes Niedersachsen und der Bundesrepublik hineinschauen; denn dann könnte man feststellen, dass die Fälle, in denen Weisungen erteilt worden sind, an einer Hand oder an wenigen Händen abgezählt werden können. Diese Fälle reduzieren sich auf ein absolutes minimales Maß.
Wir gewähren unseren Staatsanwaltschaften einen derartig gesicherten Status, dass wir nicht von oben in Ermittlungen eingreifen. Ich meine, dass das jeder unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nachvollziehen kann. Ich möchte ausdrücklich klarstellen: Hier gibt es keinen Grund für eine Weisung. Hier hat es keine Weisung gegeben. Hier hat es keine Einflussnahme gegeben, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart, noch in der Zukunft.
Herr Wenzel, es ist schon ein etwas perfides Vorgehen, dann, wenn eine Staatsanwaltschaft nicht so funktioniert, wie Sie es als Anzeigeerstatter oder wie Sie es mit Ihrer Truppe gerne hätten, zu versuchen, über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Staatsanwälte in das Verfahren hineinzuziehen, um denen mal so richtig Beine zu machen. - So geht es nicht. Das ist der allerletzte Grund, um einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu begründen. Wir können mit Ergebnissen zufrieden sein oder nicht zufrieden sein. Aber das ist nicht das richtige Mittel.
Mir liegt der genaue Wortlaut Ihrer Ausführungen noch nicht vor. Aber der Kollege Bode hat Ihre Ausführungen in ihren Feinheiten schon ein bisschen auseinandergenommen. Sie unterstellen letztlich gleichwohl, dass es Einflussnahmen auf die Staatsanwaltschaften gibt. Diese Unterstellung weise ich aber mit Nachdruck zurück. Ich meine, dass die Forderung, sich zu entschuldigen - nachdem wir bei der Behandlung der Frage 1 heute Morgen so sensibel gewesen sind -, nicht falsch ist.
Nach § 71 Abs. 3 hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Wenzel das Wort. Sie haben zusätzlich zwei Minuten. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Busemann, wir haben selbstverständlich nicht nur diesen einen Aspekt vorgebracht, der unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begründet, sondern in unserem Antrag sind meines Wissens insgesamt acht Punkte aufgeführt.
Aber - deshalb möchte ich auf Ihren Beitrag antworten - wenn die Frage, ob in der Asse mit radioaktiven Stoffen rechtswidrig umgegangen worden ist oder nicht, auch in Ihrem Hause und im Haus von Herrn Minister Sander aufgrund der Mitteilungen, die nach Ihren Worten bei Vorliegen eines solchen Vorgangs offenbar in der Regel erfolgen, geprüft worden ist und wenn jetzt kürzlich festgestellt wurde, dass § 19 Atomgesetz nur Anordnungen bei Gefahr im Verzuge rechtfertigt, aber in der Asse seit 1978 mit Folgegenehmigungen bis heute nach § 19 Atomgesetz agiert wurde, frage ich mich: Warum hat man das im Umweltministerium nicht gemerkt? Warum hat man das bei Ihnen im Ministerium nicht gemerkt? Wer ist denn hier überhaupt noch in der Lage, das Gesetz zu lesen, das die Grundlage für den Umgang mit radioaktiven Stoffen darstellt? Und wer kann beurteilen, dass das, was dort gelaufen ist, rechtswidrig ist?
Jetzt haben zwei hohe staatliche Institutionen, das Bundesumweltministerium und notgedrungen der Landesumweltminister, zugeben müssen, dass es rechtswidrig war. Warum hat Ihr Haus das nicht erkannt? - Das frage ich mich schon.
Herzlichen Dank. - Ebenfalls zusätzliche Redezeit erhält die Fraktion DIE LINKE. Herr Kollege Adler, auch Sie haben zwei Minuten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nur zu dem äußern, was Herr Justizminister Busemann eben gesagt hat. Er hat so getan, als sei es einem Parlamenta
Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich denke, es ist das vornehmste Recht eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, alle Mitglieder der Exekutive zu kontrollieren und entsprechende Fragen zu stellen.