Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Da Frankreich schon vorangegangen ist, geht es darum, dass Deutschland jetzt mit vorangeht. Genau das ist unser Petitum.

Da Sie das nicht wollen, sondern es - im Gegensatz zu Ihrer Rede - in Ihrem Antrag heißt „Einen Alleingang wollen wir nicht“ - übersetzt: vorangehen wollen wir nicht -, werden wir uns bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthalten. Wenn Sie Ihren Antrag an Ihre Rede angleichen und sagen würden, jawohl, nachdem Frankreich vorangegangen ist, sollte auch Deutschland mit vorangehen, würden wir das unterstützen.

Aber auch hier fallen leider die Rede von Frau Emmerich-Kopatsch und der Antrag der SPD auseinander. Das ist leider die typische SPDHalbherzigkeit. Deshalb enthalten wir uns.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Klein das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ball für die Finanztransaktionssteuer liegt zurzeit bei der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin. Die hat sich bekanntlich in dieser Frage nun wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Gründe sind bekannt. Die Schutzmacht der Reichen und Mächtigen, manchmal auch FDP genannt, hat wieder

einmal Veto eingelegt und damit eine zügige Umsetzung verhindert.

Wir hatten schon direkt nach der Bankenkrise eine schnelle Umsetzung der erforderlichen Regulierungsmaßnahmen, zu denen eben auch die Finanztransaktionssteuer gehört, gefordert. Es war relativ klar, dass das günstige Zeitfenster dafür nicht ewig geöffnet sein würde. Inzwischen hat sich die Finanzlobby wieder gefangen und verteidigt ihre Abzockprivilegien mit List und Tücke und selbstverständlich mit viel Einflüsterung bei ihnen ideologisch gewogenen Politikern, zu denen wir bekanntlich nicht gehören.

Die Bundesregierung hat zu zögerlich agiert. Welche Überzeugungskraft die Wirtschaftsmacht Deutschland - noch dazu im Gleichschritt mit Frankreich - in der EU und im Euroraum hat, konnten wir häufiger bei den vielen Einzelentscheidungen im Zuge der Krise erleben. Man stelle sich einmal vor, die Bundesregierung hätte sich mit der gleichen Vehemenz um die Finanztransaktionssteuer gekümmert wie um den Fiskalpakt.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Genau!)

Dann könnten wir auch gegen den britischen Widerstand - davon bin ich überzeugt - längst die ersten Einnahmen verbuchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, inzwischen schmort der wirklich gute Richtlinienentwurf der Kommission beim Europäischen Rat, der diesen einstimmig beschließen müsste. Die Umsetzung der Alternative, nämlich die Beschränkung auf die Euroländer, ist inzwischen schwierig geworden, weil es inzwischen einige Euroländer gibt, die diese Initiative ebenfalls ablehnen.

Herr Kollege Sohn, wir müssen noch nicht auf die nationalstaatliche Ebene gehen; denn es gibt noch eine weitere Möglichkeit, diese Steuer auf den Weg zu bringen. Mit mindestens neun Staaten kann ein solcher Antrag im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit in der EU an die Kommission gestellt werden. Eine entsprechende Vorlage der Kommission könnte dann vom Rat mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden. Die Stempelsteuer, also die Übernahme der britischen Besteuerungsregeln, ist für uns keine Alternative. Sie ist absolut unzulänglich und in Bezug auf die mit der Finanztransaktionssteuer angestrebten Ziele völlig wirkungslos.

Meine Damen und Herren, dass sie nichts taugt, erkennt man allein schon daran, dass sich selbst die FDP dafür erwärmen könnte. Wir hätten jedenfalls gern auf der Basis der SPD-Initiative noch einmal eine dringende Aufforderung zum Handeln nach Berlin und nach Brüssel geschickt. Dass es dafür in diesem Hause keine Mehrheit gibt, zeigt uns, dass Schwarz-Gelb in Niedersachsen genauso handlungs- und regierungsunfähig ist wie das Pendant in Berlin. Deshalb werden wir die Ausschussempfehlung ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Klein. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Grascha zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal auf einen Punkt eingehen, den die Kollegin Emmerich-Kopatsch in ihrer Rede angesprochen hat, und zwar auf den Fiskalpakt. Ich halte es für unverantwortlich, wie die SPD-Bundestagsfraktion den Fiskalpakt mit ihrem parteipolitischen Kleinklein vermengt. Das ist angesichts der Staatsschuldenkrise, die wir haben, unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Man muss sich einmal überlegen: Da gibt es diese wichtige Vereinbarung, den Fiskalpakt, der an das Grundübel der Verschuldungskrise herangeht, und Sie versuchen jetzt hier, parteipolitisch den einen oder anderen Vorteil zu ziehen. Das ist aus meiner Sicht unverantwortlich.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie können es nicht besser!)

Man muss ganz ehrlich sagen: Die SPD hat als Erste damit angefangen und hat Griechenland in die Eurozone geholt. Dann ist Herr Schröder mit seinem Finanzminister, Herrn Eichel, nach Brüssel gefahren und hat für Deutschland die MaastrichtKriterien entsprechend aufgeweicht. Die gleichen Politiker wollen uns dann erzählen, wie Finanzstabilität funktioniert? - Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Ich möchte zum Antrag der SPD noch konkret etwas sagen, was ich auch schon im Ausschuss gesagt habe. Ihr Antrag ist auch von daher untauglich, weil er eine ganz andere Grundlage hat als der Kommissionsvorschlag. Der Kommissionsvorschlag sieht einen anderen Steuersatz vor. Der Kommissionsvorschlag sieht eine andere Bemessungsgrenze vor. Von daher jetzt aus deutscher Sicht mit einem ganz anderen Vorschlag in die Diskussion hineinzugehen, als die Kommission hier präsentiert hat, das ist doch wirklich kontraproduktiv. Das müssen Sie doch auch einmal zugeben.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Denn Ihr Vorschlag bedeutet doch, dass beispielsweise Kreditabsicherungsgeschäfte, Währungsabsicherungsgeschäfte nicht nur des deutschen Mittelstands, sondern beispielsweise auch der öffentlichen Hand besteuert werden. Wie erklären Sie denn dann beispielsweise - diese Diskussion wird im Land beginnen -, dass wir und die Kommunen durch solche Steuerarten Mehrausgaben haben werden? Dann müssen Sie den verantwortlichen Politikern auch erklären, wo dieses Geld herkommen soll.

Die Grünen hatten ja im Ausschuss einen Änderungsvorschlag präsentiert, der vorsieht, dass man sich im Prinzip an dem Vorschlag der Kommission orientiert. Dagegen haben wir als FDP-Fraktion nichts, ausdrücklich nicht. Wir haben allerdings auch - wir waren ja mit dem Ausschuss in Brüssel - von der Kommission gehört, dass sie ausdrücklich Wert darauf legt, dass diese Steuer europaweit eingeführt wird. Das ist exakt die Position der FDPLandtagsfraktion, im Übrigen auch die der FDPBundestagsfraktion.

Was allerdings an dem Vorschlag der Grünen, die die Vorstellungen der Kommission mit dem Änderungsvorschlag einbringen, aus unserer Sicht falsch ist, ist die Voraussetzung der Kommission, dass die Finanztransaktionssteuer als EU-Steuer, das heißt als direkte Einnahme für die EU-Ebene, eingeführt wird. Das lehnen wir als Liberale ab, weil es zusätzliche Bürokratie bedeutet. Es bedeutet eine komplette Veränderung der Finanzierungsart auf europäischer Ebene. Das halten wir für falsch.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP] - Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss. Für uns ist wichtig: Es darf keine Schwächung des Finanzmarktes geben. Schon heute finden 70 % aller Finanzmarktgeschäfte in London statt. Es ist ein Leichtes, die anderen 30 % auch noch zu verlagern. Für uns ist wichtig, dass es eine unbürokratische Lösung gibt. Es geht um die tatsächliche Regulierung. Bei der Finanzmarktsteuer geht es fast ausschließlich um die Einnahmesituation des Staates.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Grascha. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/4441 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir stellen fest, das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Abschließende Beratung: Privilegien für Tierfabriken streichen - kommunale Mitbestimmung und bäuerliche Landwirtschaft stärken! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3911 (neu) - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - Drs. 16/4532

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Beratung kommen können.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Meyer das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt - zu relativ später Stunde - zu einem sehr wichtigen Thema, das viele Landkreise und Kommunen in Niedersachsen umtreibt. Das ist die Genehmigung von immer größeren Tierhaltungsanlagen. Sie kennen sicher die

vielen Beschlüsse und Resolutionen, die etwa der Landkreis Verden, der Landkreis Göttingen, der Landkreis Emsland, die Region Hannover, der Landkreis Holzminden und als einer der letzten z. B. auch der Landkreis Heidekreis - meistens einstimmig - gefasst haben. Sie alle fordern von uns als Landtag, dass wir gegen das baurechtliche Privileg für immer größere Tierhaltungsanlagen vorgehen.

Auch der Niedersächsische Landkreistag hat bereits im Sommer letzten Jahres, also vor Einbringung unseres Antrages, gefordert, dass die Privilegierung für großgewerbliche Ställe eingeschränkt werden soll. Bislang gibt es da ja überhaupt keine Begrenzung. Die Kommunen fordern eben, dass sie dort mehr Mitbestimmung bekommen und im Interesse der Anwohner, des Umweltschutzes und der Lebensqualität eingreifen können.

Unser Antrag ist insofern hochaktuell, als sich gerade eine Änderung des Baugesetzbuches anbahnt. Frau Aigner hat ein bisschen eingelenkt; es soll jetzt eine Obergrenze geben. Sie ist aber unseres Erachtens deutlich zu hoch; denn darunter würden 95 bis 98 % aller Massentierhaltungsanlagen in Niedersachsen fallen. Sie will ja die UVPGrenze als Punkt nehmen.

Wir schlagen in unserem Antrag das vor, was z. B. der Landkreis Emsland, der Heidekreis und viele andere Landkreise gefordert haben, nämlich dass man die Grenze dort zieht, wo eine Anlage so groß ist, dass sie nicht mehr dem Baurecht, sondern dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterliegt. Das ist bei 30 000 Hühnern, 1 500 Schweinen und 600 Kühen z. B. der Fall. Anlagen darunter würden weiterhin privilegiert behandelt. Aber bei Anlagen darüber hätten die Kommunen eine erhebliche Mitbestimmung.

Das fordert übrigens auch Rot-Grün in NordrheinWestfalen; dort wird die gleiche Schwelle gesetzt. Rot-Grün in Rheinland-Pfalz fordert ebenfalls diese Änderung. Wir sind also mit der Forderung nach Einführung dieser Grenzen nicht allein. Der Kollege Sander - er ist jetzt nicht da - hat im Ausschuss behauptet, die Landesregierung würde da nichts ändern wollen usw. Ich habe in dem Antrag darauf hingewiesen, dass selbst Herr Lindemann in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt gesagt hat, Niedersachsen will der Agrarindustrie Grenzen setzen. Er hat dort gesagt, was eine Agrarfabrik ist. Er spricht da von 40 000 Hühnern.

Wenn man es sich noch genauer ansehen will, so gibt es noch ein Interview von ihm in der top agrar vom letzten Jahr. Dort hat er in einem langen Interview eine Bundesratsinitiative im Detail angekündigt und auch gesagt, die Kommunen brauchen neue Regelungen. Er will diese Grenze ab 2 000 Mastschweinen und 40 000 Hennen einführen. Es ist in Interviews genau aufgeführt, wie er die Regelung haben will.

Deshalb ist es sehr verwunderlich, dass sich nun CDU und FDP als Schutzpatron der Agrarindustrie betätigen wollen, keinerlei Änderungen im Baugesetzbuch für erforderlich halten und diese Privilegierung einfach so beibehalten wollen. Das ist wieder ein Stück Ankündigungspolitik, die der Minister da gemacht hat; das ist ein Stück Rosstäuscherei. Das passt vielleicht zu Niedersachsen. Aber es ist weiterhin eine Entscheidung zulasten der Kommunen und der Bürgerinitiativen sowie der vielen Anwohnerinnen und Anwohner, die unter dieser Fehlentwicklung leiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)