Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Unser Ziel ist es, im Rahmen der Europäischen Zinsrichtlinie - auch da ist es ja festgelegt - zu einem automatischen Informationssystem zu kommen. Die USA haben es gegenüber der Schweiz durchgesetzt. Darum sagen wir, es muss auch möglich sein, dass die europäischen Länder das gegenüber der Schweiz durchsetzen. Damit ist uns langfristig sehr viel mehr geholfen als mit einem kurzfristigen Erfolg zum jetzigen Zeitpunkt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Es hat sich Herr Minister Möllring gemeldet. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Die Europäische Zinsrichtlinie bringt uns gar nichts. Sie ist nett gemeint, bringt aber keinen Ertrag.

Zweitens. Die Amerikaner haben deutlich schlechter verhandelt als wir. Dass das Abkommen mit den Amerikanern besser ist, ist eine schlichte Behauptung. Es ist nicht besser, sondern schlechter.

Drittens. Ich habe hier gesagt, dass die Ausweichler benannt werden. In dem Abkommen steht drin, dass uns diejenigen, die in die zehn bedeutendsten Ausweichländer ausweichen, genannt werden. Was wollen Sie denn noch mehr?

Die Steuerfahndung brauchen wir dann nicht mehr, weil der Ertrag automatisch vom Vermögen abgeführt wird, und zwar nach dem jeweils geltenden Abgeltungsteuersatz in Deutschland; da gibt es eine dynamische Verweisung. Das ist also nicht auf die 25 % plus Soli festgeschrieben, sondern wenn das Parlament im nächsten Jahr beschließt, dass es künftig 35 % oder 39 % oder 14 % sein sollen, dann erhebt die Schweiz eben 35 % oder 39 % oder 14 %. Das ist für uns ein unwahrscheinlich großer Vorteil, weil wir keine Arbeit damit haben und den ganzen Betrag auf einmal bekommen. Es muss nur einmal die Leistung erbracht werden, es durch 17 Empfänger zu teilen; das sind der Bund und die 16 Bundesländer. Dann muss noch geguckt werden, was die Kommunen bekommen. So einfach ist das.

Warum Sie dem nicht folgen können, ist mir völlig unerklärlich. Sie wollen auf das Geld verzichten, weil Sie sagen, da gibt es irgendjemanden, den wir dann nicht mehr erwischen. Nein, wir werden anderenfalls Hunderttausende und Millionen nicht erwischen, und das ist das Problem. Mir ist es lieber, eine Steuergerechtigkeit zu 90 % oder 95 % zu haben, statt eine Steuerungerechtigkeit zu 100 %, nur weil das Prinzip hochgehalten werden muss. Da ist es mir dann doch lieber, dieses Geld im Interesse des Landes zu bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr DammannTamke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Klein hat im Zusammenhang mit der Debatte um diesen Tagesordnungspunkt den Fraktionen von CDU und FDP infantile Desorientierung vorgeworfen. Ich meine, die Ausführungen des Ministers auf die Einlassungen des Kollegen Klein haben in entwaffnender Art und Weise gezeigt, wie sehr ihm dieser Vorwurf in den eigenen Schoß fällt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Enno Hagenah [GRÜNE]: Zu einem einzigen Punkt von zehn Punkten!)

Herr Klein hat erneut um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 gebeten. Sie haben eine Minute. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, von dem, was Sie nachgeschoben haben, will ich nur zwei Punkte aufgreifen.

Was die Schweiz liefern wird, ist eine Statistik der zehn Länder, in die das meiste Geld abfließt. Dann können Sie in diese Länder gehen und schauen, was dahin geflossen ist. Das ist doch die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das bringt doch im Grunde gar nichts.

Es ist nicht so, dass die Europäische Zinsrichtlinie nichts bringt. Aber sie bringt sehr viel weniger, als ursprünglich vorgesehen. Warum ist das so? - Weil auch in diesem Fall wiederum die Schweizer Banken zur ausführenden Stelle für die Zinsrichtlinie gemacht werden. Genauso bleibt es doch, wenn

Sie dieses Schweizer Abkommen schließen. Die Schweizer Banken sind dann quasi die Außenstellen der deutschen Finanzämter. Was erwarten Sie denn dann? Glauben Sie, dass das besser läuft als bei der Zinsrichtlinie? - Sie werden dann genauso in die Röhre schauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP soll an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann haben Sie so beschlossen. Herzlichen Dank.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 42 auf:

Erste Beratung: „Innovativ - familienfreundlich - weltoffen sucht …“ Fachkräfteoffensive für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4580

Zur Einbringung hat sich seitens der SPD-Fraktion Herr Kollege Will zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Landauf, landab beklagen niedersächsische Unternehmen derzeit zunehmenden Fachkräftemangel. Zum einen ist das der stabilen Konjunktur- und Beschäftigungslage geschuldet, zum anderen macht es jedoch auch unabhängig davon deutlich, dass sich daraus regional und sektoral erhebliche Standortprobleme für die niedersächsischen Unternehmen ergeben. 70 % von 1 600 bundesweit durch die Kammern im Jahre 2011 befragten Unternehmen berichten für ihren Bereich von erheblichem Fachkräftemangel. Die Kammern sprechen von der Fachkräftesicherung als Herausforderung der Zukunft.

Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass die Zahl der Personen im mittleren und erwerbsfähigen Alter bis zum Jahr 2025 um 229 000 Personen und die Zahl der Nachwuchsgeneration sogar um rund 400 000 Personen sinken wird. Wir werden eine Nachwuchslücke bekommen. Je nach Region, Branche und Qualifikation wird sie sehr unterschiedlich ausfallen.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus kommt ein erheblicher Wandel auf die niedersächsische Wirtschaft zu, nämlich a) ein sektoraler Strukturwandel hin zu wissensbasierten Wirtschaftszweigen und b) ein steigender Innovationsdruck auf Handwerk und kleine und mittelständische Unternehmen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der aktuelle Fachkräftemangel keinesfalls nur konjunkturell bedingt ist. Es zeichnet sich eine zunehmende strukturelle Unterversorgung des Arbeitsmarktes ab. Daraus ergeben sich zunehmend auch Standortfragen für die Unternehmen und Fragen zur Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Vergleich. Der Wettbewerb um die besten Köpfe wird dabei auch in Niedersachsen immer mehr über die Arbeits-, Ausbildungs- und Studienbedingungen und eben auch über existenzsichernde Bezahlung einerseits und andererseits über förderliche Rahmenbedingungen z. B. für junge Familien, umfassende Daseinsvorsorge und Vielfalt des kulturellen Angebots geführt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, seit 2008 ist Niedersachsen ein Land der Auswanderung. Mehr Menschen gehen weg, als zu uns kommen, um hier zu leben oder zu arbeiten. Der Braindrain - als Stichwort -, der Export und die Abwanderung von Wissen und Potenzial gerade bei Studierenden und Fachkräften, ist akut und nicht länger hinnehmbar.

Engpässe bestehen laut NIHK a) über alle Qualifikationsstufen hinweg - nicht nur Akademiker sind betroffen -, b) bei Fachkräften mit Weiterbildungsabschlüssen wie Fachwirt oder Meister - mehr als jedes zweite Unternehmen, inzwischen 56 %, hatte Stellenbesetzungsprobleme bei diesen Qualifikationsanforderungen -, und c) auch dual ausgebildete Bewerber sind inzwischen schwierig zu finden. Besonders betroffen sind Bereiche wie Metall, Hightech, Chemie und Physik. Auch in der Gesundheitswirtschaft besteht ein erheblicher Fachkräftemangel, z. B. in der Altenpflege. Die IHKOrganisation hat das letzte Jahr bereits unter das Motto gestellt „Gemeinsam für Fachkräfte - bilden, beschäftigen, integrieren“.

Vor diesem Hintergrund müssen wir feststellen: Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit. Von Konzepten ist bei dieser Landesregierung weit und breit keine Spur zu sehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Heinz Rolfes [CDU])

Da reicht es keinesfalls, Herr Rolfes, die Partner nur einmalig an einen Tisch zu holen, sondern da bedarf es einer ressortübergreifenden Koordinierung; denn das Thema Fachkräftesicherung ist ein Zukunftsthema.

Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich einen integrierten Ansatz für eine Fachkräfteoffensive in Niedersachsen.

Dazu gehört erstens die Beendigung der Unterbeschäftigung durch geringfügige und prekäre Beschäftigung in Niedersachsen. Dazu gehört es, vorhandene Arbeitskräftepotenziale endlich wirkungsvoll zu heben; denn viele Menschen in unserem Land wollen mehr arbeiten, als ihnen betrieblich angeboten wird.

Zweitens muss endlich eine hohe und bedarfsgerechte Qualifikation der Schulabgänger gewährleistet werden.

Drittens. Die Abbrecherquoten in Schule, Ausbildung und Studium müssen endlich wirkungsvoll gesenkt werden. Dazu gehören die Anpassung der Ausbildungs- und Studieninhalte sowie auch eine Verstärkung der Netzwerke zwischen Schulen, Unternehmen und Kammern.

Viertens. Endlich muss eine Ausbildungsgarantie für jeden jugendlichen Berufsanfänger sichergestellt werden. Dafür reichen die bisherigen Ausbildungspakte auf Landesebene noch nicht. Ich will aus der Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsberichtes 2012 zitieren. Zitat:

„Trotz der demografischen Entspannung und der guten Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2011 bleibt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt enttäuschend. … Rund 647 000 Bewerberinnen und Bewerbern standen nur knapp 600 000 offene Ausbildungsplätze gegenüber. Während die Wirtschaft über 29 689 unbesetzte Ausbildungsplätze klagt, haben 76 740 Jugendliche, die von der Bundesagentur für Arbeit als ‚ausbildungsreif‘ eingestuft wurden, noch keinen Ausbildungsplatz. Sie wurden entsprechend trotz weiteren expliziten Ausbildungswunschs in Warteschleifen ‚versorgt‘“

- das waren immerhin über 65 000 -

„oder als unversorgte Bewerberinnen und Bewerber weitergeführt. “

- Das sind bundesweit immer noch fast 12 000. -

„Besonders betroffen sind davon junge Frauen.“

Fünftens. Weiter gilt es, die Studierquote in Niedersachsen über die bisherigen 30 % hinaus zu erhöhen.

(Minister Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das ist bereits so!)

Das bedeutet auch, gezielt mehr Studierenden aus dem Ausland das Studium in Niedersachsen zu ermöglichen. Dazu sind eine stärkere Internationalisierung und eine zusätzliche interkulturelle Öffnung der Hochschulen notwendig.

Sechstens. Wir brauchen durchlässige Übergangssysteme zwischen Beruf und Hochschule und eine stärkere Öffnung der Hochschulen für die neue Zielgruppe der Erwerbstätigen. In diesem Zusammenhang geht es auch darum, wie z. B. die finanzielle Situation der Arbeitnehmer durch Kompensation von Einkommensverlusten gesichert werden kann. Hier sind Erwachsenen-BAföG auszubauen und auch Anreize für Hochschulen zu schaffen, die an solchen Programmen aktiv teilnehmen.

Siebtens. Bei den vorhandenen Beschäftigungspotenzialen muss es auch darum gehen, Qualifikationspotenziale durch Vereinbarung von Familie und Beruf zu sichern, sei es im Bereich Kindererziehung oder auch zunehmend z. B. bei der häuslichen Pflege Angehöriger. Gleichzeitig kommt der Erhaltungsqualifizierung während der Elternzeit eine immer größere Bedeutung zu.

Zwei wichtige vorhandene Zielgruppen will ich dabei besonders hervorheben. Zunächst zur Erhöhung der Frauenerwerbsquote: Sie ist in Niedersachsen mit nur 64 % im Bundesvergleich unterdurchschnittlich. Hier liegt ein riesiges Potenzial. Gleichzeitig muss eine sinnvolle gesetzliche und tarifliche Flankierung vorgenommen werden, um die Erwerbsquote der über 55-Jährigen, die derzeit bei nur 56 % liegt, zu erhöhen. Nicht nur Fordern, sondern auch Fördern ist wichtig. Eine positive Einstellung zu älteren erfahrenen Arbeitnehmern muss verstärkt werden.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Achtens. Nicht zuletzt die Delegationsreise z. B. des Wirtschaftsausschusses nach Indien hat gezeigt, dass die Kooperation zwischen Universitäten und Hochschulen nicht nur zwischen diesen beiden Ländern intensiviert werden muss. Wir brauchen eine stärkere Förderung der Zuwanderung von Studierenden aus diesen Ländern, um sie nicht in erster Linie in konkurrierenden Märkten - z. B. in China, Amerika oder Westeuropa - Zugang finden zu lassen. Es geht nicht nur um den freien Waren-, Dienstleistungs- und Finanztransfer. Wir brauchen auch eine stärkere Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Dafür ist die Anerkennung ausländischer Berufs- und Studienabschlüsse unabdingbar. Zumindest müssen zügige Nachqualifizierungen bei Bedarf sichergestellt werden.