Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die 80 Industrie- und Handelskammern in Deutschland - davon sieben in Niedersachsen - sind seit jeher neutrale und objektive Partner für Politik und Verwaltung.

Viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen wahrscheinlich ebenfalls in regelmäßigem Kontakt mit der IHK oder Handwerkskammer in Ihren Wahlkreisen vor Ort. Die Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Mitglied einer Kammer wird man ganz einfach durch Gründung eines Unternehmens. Die daraus resultierende, vom Bundesgesetzgeber vorgesehene Pflichtmitgliedschaft macht die Kammern stark und vor allen Dingen unabhängig von Einzelinteressen. Das gilt genauso für die Handwerkskammern.

Zu den wichtigsten Aufgaben der IHKs gehören die Bündelung des Interesses der ihr zugehörigen Unternehmen in den jeweiligen Bezirken und die Vertretung dieses Interesses gegenüber Politik und Verwaltung. Diese Lobbyarbeit im wohlverstandenen Sinne ist wichtig für die wirtschaftliche Weiterentwicklung in den Regionen. So manches Infrastrukturprojekt wäre ohne die fundierte Fürsprache der Kammern wahrscheinlich heute noch nicht realisiert. So manche gesetzliche Regelung gerade im Bereich der Steuergesetzgebung hätte

ohne die Intervention der Kammern eine hohe finanzielle Belastung für die Wirtschaft mit sich gebracht. Auch so mancher Bebauungsplan hätte die Belange der Wirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt, wenn die Kammern diese in ihren Stellungnahmen nicht deutlich gemacht hätten.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere wichtige Aufgabe der IHKs besteht darin, eine Vielzahl von Aufgaben für die Wirtschaft zu erledigen, die ihnen vom Staat übertragen worden sind. Dazu gehören z. B. die gesamte Organisation von Prüfungen in der Berufsausbildung sowie die Ausstellung von Außenwirtschaftsdokumenten für im- und exportierende Unternehmen. Seit ein paar Jahren gehört auch die Führung des Versicherungsvermittlerregisters dazu.

Das sind alles Aufgaben, meine Damen und Herren, bei denen der Staat zu Recht gesagt hat, dass die Kammern wegen ihrer Wirtschaftsnähe wohl am ehesten dazu geeignet sind, sie zu erledigen. Sie tun es sehr effizient, indem sie sehr stark auf das ehrenamtliche Engagement der Unternehmen setzen.

Allein bei den sieben niedersächsischen IHKs nehmen Tausende von Prüferinnen und Prüfern die Berufsausbildungsprüfungen ab. Wenn es die Kammern mit ihrer Ehrenamtlichkeit nicht gäbe, meine Damen und Herren, dann müsste der Staat all diese Aufgaben mit wahrscheinlich viel zusätzlichem hauptamtlichem Personal selbst erfüllen.

Eine weitere wichtige Aufgabe der IHKs, eine sogenannte freiwillige Leistung, ist es, Serviceleistungen für Unternehmen vorzuhalten. Das Spektrum reicht dabei von Existenzgründungsberatungen über die Durchführung von Informationsveranstaltungen bei gesetzlichen Neuregelungen bis hin zur Vermittlung von Geschäftskontakten ins Ausland, meistens unter Hinzuziehung einer Auslandshandelskammer, die die IHK-Organisation an 120 Standorten in 80 Ländern vorhält und die mit den Gegebenheiten vor Ort bestens vertraut sind.

Meine Damen und Herren, alle diese Aufgaben erfüllen die Kammern ohne öffentliches Geld. Sie finanzieren sich ausschließlich durch die Beiträge und die Umlagen ihrer zugehörigen Unternehmen. Die Wirtschaft regelt damit ihre Belange selber und bezahlt sie auch selber. Aus der Sicht des Staates ist dies eine sehr komfortable Art der Aufgabenerledigung. Das ist gelebte wirtschaftliche Selbstverwaltung.

Die Meinungsbildung in den IHKs vollzieht sich auf demokratische Weise, so wie wir es von unseren Kommunen, aber auch von unseren Parlamenten her kennen. Zunächst befasst sich ein Fachausschuss mit einem Thema. Das Votum dieses Ausschusses wird dann über das Präsidium an die Vollversammlung zur Beschlussfassung weitergeleitet. Die Vollversammlung - das „Parlament“ der Wirtschaft - ist das oberste Beschlussorgan jeder Kammer. Die Mitglieder werden alle vier Jahre, teilweise auch alle fünf Jahre von den Kammerzugehörigen in den Bezirken gewählt. Dabei gilt das Prinzip: ein Unternehmen gleich eine Stimme, egal wie groß es ist.

Mit dem Gesetz zur Neufassung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern und zur Änderung des Gesetzes zur Ausfüllung des Berufsbildungsgesetzes auf dem Gebiet der Berufsausbildung im öffentlichen Dienst passen wir heute die niedersächsische Regelung an das Bundesrecht an. Das ist richtig und gut. Deshalb ist es erfreulich, dass es dafür eine breite parlamentarische Mehrheit gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist der Kollege Will für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Gesetz mit dem unaussprechlichen Namen: dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern und zur Änderung des Gesetzes zur Ausfüllung des Berufsbildungsgesetzes auf dem Gebiet der Berufsausbildung im öffentlichen Dienst.

Ausgelöst durch Änderungen im IHK-Gesetz des Bundes aus dem Jahr 2011 fallen zum Teil landesrechtliche Regelungen weg. Daneben werden redaktionelle Änderungen aufgenommen. Gleichzeitig wird in § 2 des Gesetzes die Ermächtigungsgrundlage erweitert.

Die Beteiligung und die Zustimmung von Verbänden und Kammern ist erfolgt.

Im Gegensatz zu meinem Vorredner von der CDUFraktion komme ich damit auch schon zum Schluss. Da die Gesetzesänderungen in erster

Linie technisch-redaktioneller Art sind und belastende Auswirkungen auf den Landeshaushalt nicht zu erwarten sind, werden wir diesem Gesetz zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion spricht nunmehr Frau Kollegin König.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nenne jetzt nicht noch einmal die Überschrift des Gesetzentwurfs. Diese haben wir schon zweimal gehört.

Ich stimme den Ausführungen meiner Vorredner zu. Durch die Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes können Industrie- und Handelskammern von der Landesregierung nach Anhörung der beteiligten Kammern errichtet und aufgelöst werden. Das Gleiche gilt für die Änderung der Bezirke. Bei der Abgrenzung der Bezirke soll u. a. die Eigenart der Bezirke maßgebend sein.

Wir bringen jetzt also ein Gesetz auf den Weg, das es im Prinzip schon gegeben hat.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Weisser-Roelle das Wort.

Schönen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Linksfraktion hat keine Einwendungen gegen den Entwurf des Landesgesetzes zu den IHKs in der Fassung der Beschlussempfehlung. Dennoch werden wir uns bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung der Stimme enthalten. Warum wir das tun, möchte ich gern erläutern.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das ist ty- pisch!)

- Hören Sie erst einmal zu!

Unsere Stimmenthaltung hängt damit zusammen, dass unser bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss eingebrachter Antrag zu dem Gesetzentwurf, den Bundesverband freier Kammern zum Thema Zwangsmitgliedschaft von gewerblichen Unternehmen anzuhören, von einer Mehrheit aus

CDU und FDP, aber auch der SPD leider abgelehnt worden ist.

Die Pflichtmitgliedschaft von gewerblichen Unternehmen in den Industrie- und Handelskammern ist seit Jahren heftig umstritten. Das zeigen viele Petitionen an den Deutschen Bundestag, Briefe an die Abgeordneten und Umfragen. Insbesondere kleinste Unternehmen, aber auch kleine und mittlere Unternehmen beanstanden, dass sie gesetzlich gezwungen sind, als Pflichtmitglieder eine Kammer zu finanzieren, die ihre Interessen nicht oder kaum beachtet und deren Nutzen sie nicht erkennen können.

Daher ist es nicht nur nach der Ansicht des Bundesverbandes der freien Kammern, sondern auch Zehntausender Unternehmen bundesweit erforderlich, eine grundlegende Reform der Industrie- und Handelskammern auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb wäre eine Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen durchaus vorstellbar. Diese Diskussion haben Sie abgelehnt. Aus dem Grund werden wir uns der Stimme enthalten.

(Zuruf von Norbert Böhlke [CDU])

Lassen Sie mich aus der Sicht der Linksfraktion ein paar Anregungen für eine Bundesratsinitiative geben.

Vorrangig geboten wäre es hierbei, einen gesetzlichen Rahmen festzusetzen, der ertragsschwache Kleinst- und Kleinunternehmen von Beiträgen vollständig befreit. Die gegenwärtige, große Unternehmen begünstigende Beitragsregelung soll endlich überwunden werden. Vorstellbar ist, dass allen Unternehmen bis zu einer Grenze von 30 000 Euro Gewerbeertrag eine beitragsfreie Mitgliedschaft gewährt wird. Die große Mehrheit der Kleinst- und Kleinunternehmen braucht dann, meine Damen und Herren, keine IHK-Beiträge mehr zu zahlen. Im Gegenzug könnten die IHKs gesetzlich verpflichtet werden, ausschließlich im Sinne ihrer Kernaufgaben, der Erbringung von Dienstleistungen für die Mitgliedsfirmen, tätig zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf diese Weise könnten die Mindereinnahmen aus der angeregten neuen Beitragsregelung kompensiert werden.

Sie sehen, es gibt auf diesem Gebiet viel Handlungsbedarf. Ich bedauere, dass Sie nicht bereit

waren, diese Diskussion zu führen. Aus dem Grund werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Norbert Böhlke [CDU])

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hätten diese Auseinandersetzung auch sehr gern geführt. Wir stimmen dem Gesetz dennoch zu, weil es an der derzeitigen Situation faktisch tatsächlich nichts verändert. Die Abwägung dazu, ob damit überhaupt eine Zwangsmitgliedschaft oder eine Aufweichung der Zwangsmitgliedschaft mit den derzeit übertragenen Aufgaben an die Kammern einhergehen würde, würde durchaus eine eigenständige Diskussion erfordern, die man aber nicht huckepack auf ein solches schlichtes Gesetzgebungsverfahren draufpacken kann. Das sollten wir an anderer Stelle lösen.

Von daher glaube ich auch, wir sollten die Beratung nunmehr abschließen und die Abstimmung durchführen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Hagenah. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.