Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

gestrichen werden müssten, auf höchstens die Hälfte. Krawinkel rät dazu, die Windkraft an Land viel stärker auszubauen. Zudem wird in diesem Artikel angeführt, dass die Kosten für Offshore stetig stiegen und derzeit sogar darüber nachgedacht würde, die unternehmerischen Risiken für die Offshoreprojekte vom Staat zu übernehmen.

In einem Positionspapier der CDU-Fraktionen im Niedersächsischen Landtag und in der Bremischen Bürgerschaft vom 18. April 2012 wird gefordert, dass der Bund die Offshoreprojekte über die Kreditanstalt für Wiederaufbau massiv finanziell unterstützt und zugleich das Haftungsrisiko für den seeseitigen Netzausbau übernimmt.

Ministerpräsident McAllister hat am 2. Mai 2012 im Handelsblatt in einem Interview erklärt, dass die aktuelle Frage sei, die Windparks auf dem Meer ans Netz anzuschließen. Es solle geprüft werden, ob eine einheitliche Netzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung sinnvoll sein könne. Beim Energiegipfel mit der Kanzlerin am 23. Mai wollten die norddeutschen Ministerpräsidenten dieses Thema vortragen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die Ziele für die Offshorewindenergie im Energiekonzept vom Februar 2012 zu erreichen?

2. Welche Alternativen plant die Landesregierung für den Fall, dass die Offshoreziele nicht erreichbar sind, um insgesamt die Ziele des Energiekonzeptes im Bereich der Windenergie zu realisieren?

3. Was genau versteht die Landesregierung unter „einheitlicher Netzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung“, und umfasst dieser Vorschlag auch schon bestehende Netze?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Dr. Birkner. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Herzog, die Bundesregierung und auch die Landesregierung haben sich ambitionierte Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt. So will die Bundesregierung den

Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung schrittweise bis spätestens zum Jahr 2050 auf mindestens 80 % erhöhen. Die Landesregierung will bis 2020 25 % des Endenergieverbrauchs in Niedersachsen aus erneuerbaren Energien decken. Bei der Stromerzeugung ist eine Erhöhung des rechnerischen Anteils der erneuerbaren Energien am Strombedarf des Landes auf ca. 90 % vorgesehen. Unter Berücksichtigung des in der Nordsee erzeugten und in Niedersachsen eingespeisten Offshorewindstroms können sogar 150 % erreicht werden.

Diese ambitionierten Ziele lassen sich allerdings nur erreichen, wenn möglichst alle wirtschaftlich verfügbaren Ressourcen erneuerbarer Energien effizient erschlossen werden. Einen wesentlichen Baustein dabei muss die Windenergie in der Nord- und Ostsee mit ihren riesigen Potenzialen leisten.

Die Landesregierung hat dieses erkannt und nutzt die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um den Ausbau der Offshorewindenergie auch zum Wohle des Landes voranzutreiben.

Die durch mögliche Netzschäden entstehenden Haftungsrisiken bei den Übertragungsnetzbetreibern sind aktuell das zentrale Hemmnis für den weiteren Ausbau der Offshorewindenergie. Die Bundesregierung hat bereits zugesagt, kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Nach Auffassung der Landesregierung wird dabei von zentraler Bedeutung sein, einen fairen Ausgleich zwischen allen Beteiligten zu finden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1. Bei den Berechnungen zum Energiekonzept des Landes Niedersachsen ist die Landesregierung davon ausgegangen, dass die von ihr bereitgestellten Kabelsammeltrassen mit einer Leistung von rund 8 000 MW bis 2020 ausgeschöpft werden. Dass eine neue Industrie, die darüber hinaus in dem extremen Umfeld der Nord- und Ostsee entsteht, Startschwierigkeiten überwinden muss, ist nicht verwunderlich. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen der Landesregierung jedoch keine belastbaren Informationen vor, die eine Herabstufung der im Energiekonzept getroffenen Annahmen rechtfertigen würden.

Zu Frage 2. Die erheblichen Potenziale der Offshorewindenergie sind nach Auffassung der Landesregierung nicht durch andere erneuerbare Energienquellen zu ersetzen. Es macht auch keinen Sinn, die verschiedenen Formen der Nutzung

der erneuerbaren Energien gegeneinander auszuspielen.

Bei der Nutzung fluktuierender erneuerbarer Energien ist nicht die installierte Leistung entscheidend, sondern die erzeugte Strommenge. Während die Offshorewindenergie Volllaststunden von rund 4 000 Stunden pro Jahr erreicht - bei Alpha Ventus sind es sogar fast 4 500 Stunden -, sind es bei der Windkraft an Land vielleicht 2 000 Stunden und bei der Photovoltaik weniger als 1 000 Stunden.

Die vorgesehene Offshoreleistung müsste daher beispielsweise durch mehr als 50 GW Windkraftleistung an Land ersetzt werden, bei Photovoltaik sogar über 100 GW. Das würde, je nach Leistung, 15 000 bis 25 000 zusätzliche Windkraftanlagen bedeuten. An Land wäre das kaum oder nur mit erheblichem Widerstand in den betroffenen Regionen und in der betroffenen Bevölkerung durchsetzbar. Darüber hinaus steht die Leistung der Anlagen auf See stetiger zur Verfügung als die Leistung an Land oder die der Photovoltaik, sodass die Offshorewindkraft besser zur Bereitstellung von Grundlast geeignet ist, wie wir ja auch dieser Tage in den Zeitungen lesen können.

Damit ist die Offshorewindkraft auch eher in der Lage, konventionelle Kraftwerke zu ersetzen. Ein Verzicht auf die Nutzung von Offshorewindkraft würde daher die Ziele der Energiewende in Deutschland grundsätzlich infrage stellen. Die Landesregierung steht aber entschlossen zu diesen Zielen und damit auch zur Nutzung der Offshorewindkraft.

Zu Frage 3. Netzanbindungen für Offshorewindparks sind immer noch Neuland. Der zuständige Übertragungsnetzbetreiber hat hier offensichtlich die Herausforderungen - wir haben das heute Morgen ja schon einmal erörtert - und den notwendigen Kapitalbedarf unterschätzt. Die Stromnetze sind das Rückgrat unserer Industriegesellschaft, auf sie müssen wir uns verlassen können.

Wenn erkennbar wird, dass es für die aktuellen Herausforderungen keine Lösungen gibt, dann dürfen wir uns im Interesse unserer wirtschaftlichen Entwicklung auch keine Denkverbote auferlegen. Die Landesregierung hat daher auch die Gründung einer einheitlichen Netzgesellschaft für das Höchstspannungsnetz in Deutschland ins Gespräch gebracht. In einer einheitlichen Netzgesellschaft könnten alle vier Übertragungsnetzbetreiber schrittweise zusammengeführt werden. Auch eine eventuell vorübergehende staatlichen Beteiligung an einer solchen Netzgesellschaft darf kein Tabu

sein, wenn diese dazu beitragen kann, Finanzierungsprobleme beim Netzausbau zu überwinden. Mit diesem Vorstoß bezieht sich die Landesregierung auch auf die Koalitionsvereinbarungen der Bundesregierung, in der bereits eine unabhängige und kapitalmarktfähige Netzgesellschaft vorgesehen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Herzog stellt die erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: In welcher Höhe wird sich die im Vergleich zur Onshorewindkraft mehr als doppelt so hohe Vergütung für die Offshorewindkraft auf die Steigerung der EEG-Umlage und damit auf die Strompreise auswirken?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Herzog, das lässt sich aus meiner Sicht nicht seriös sagen, weil das natürlich davon abhängt, wie viel Offshorestrom tatsächlich produziert und nach dem EEG vergütet werden wird, und natürlich auch davon, wie Effizienzen entstehen. Das haben wir ja bereits bei der Photovoltaik erlebt: Da musste im Laufe der Zeit ja auch nachgeregelt werden, weil es zu übermäßigen Förderungen gekommen ist. Insofern lässt sich meines Erachtens heute noch nicht verlässlich prognostizieren, welche Auswirkungen der Offshorestrom auf die Strompreisentwicklung haben wird.

Herr Kollege Lies stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle zwei Fragen.

Die erste Frage: Der Minister hat gerade ausgeführt, dass in den acht Jahren, die noch verbleiben, insgesamt 8 000 MW Offshoreleistung über die niedersächsischen Leitungen abgeführt werden sollen. Zurzeit sind es etwas mehr als 400 MW. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass in dem verbleibenden Zeitraum bis 2020 das Ziel von

8 000 MW an der niedersächsischen Küste erreicht wird? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen?

Die zweite Frage: Ein wesentliches Kriterium beim Ausbau der Offshorewindparks ist neben der Netzanbindung die Finanzierung dieser Parks. Hier sollen 400 Millionen Euro durch die KfW abgedeckt werden. Das KfW-Paket ist allerdings absolut überzeichnet. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um dieses Vorhaben konsequent umzusetzen? Wird es bei einer Förderhöhe von 400 Millionen Euro bleiben?

Herr Minister!

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Lies, zur ersten Frage. Offshorewindparks zu bauen, ist keine Aufgabe der Landesregierung, sondern eine Aufgabe von Investoren. Dafür müssen diese viel Geld, rund 1,5 Milliarden Euro, in die Hand nehmen.

Die Aufgabe der Politik und die Verantwortung der Landesregierung besteht darin, sich dafür einzusetzen, dass auf Bundesebene die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das Land hat hier keine echte Zuständigkeit, weil die Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone liegen und somit der Zuständigkeit des Bundes unterfallen.

Was wir konkret tun können, ist, die entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Damit haben wir auch schon begonnen. Ich verweise auf den Aufbau von Offshorebasishäfen; die Projekte in Emden und Cuxhaven sind Ihnen bekannt. Eine weitere Infrastrukturmaßnahme war die Norderney-Trasse, über die wir 3 000 MW Leistung abführen können. Eine zweite Trasse haben wir im Rahmen der Landes-Raumordnung im Emsfahrwasser vorgesehen. Sie soll 5 000 MW Leistung abführen können. Sie sehen also: Das, was wir landesseitig tun können, tun wir auch.

(Beifall bei der FDP)

Auf Bundesebene gilt es, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass es auch tatsächlich vorangehen kann. Bei Offshore gibt es nun einmal eine Reihe von Problemen zu überwinden. Das sollte man auch durchaus als Ansporn verstehen und eben nicht frühzeitig aufgeben. Es hätte uns doch alle überrascht, wenn bei diesem gewaltigen Vorhaben

der Energiewende keine Probleme aufgetreten wären.

Eines dieser Probleme sind Versicherungsfragen. Darauf habe ich in der Antwort schon Bezug genommen, und das war auch heute Morgen schon ein Thema. Der Bundeswirtschaftsminister beabsichtigt, bis zur Sommerpause eine gesetzliche Regelung zur Haftungsbeschränkung auf den Tisch zu legen. Das betrifft den Ausfall der Netzverbindungen, dessen Kosten die Übertragungsnetzbetreiber nicht zu tragen bereit sind; sie sagen, ohne Haftungsbeschränkung sei das Risiko nicht kalkulierbar und somit nicht versicherbar.

Das zweite große Problem sind die Zeiträume, die für den Bau der elektrischen Infrastruktur für die Anlagen - Verteilerstationen u. Ä. - benötigt werden. Sie haben sicherlich die Berichterstattung über die Schwierigkeiten verfolgt, die in diesem Zusammenhang bei Siemens aufgetreten sind. Aber da die Produzenten dieser Anlagen jetzt zu einer Standardisierung kommen, sind wir zuversichtlich, dass sich der Zeitraum von 50 Monaten, die man bisher warten musste, bis der Netzanschluss technisch vollzogen ist, reduzieren lässt. Insofern zeichnet sich also Beschleunigungspotenzial ab. Der Bund führt hierzu konkrete Gespräche mit den infrage kommenden Anlagenhersteller wie ABB, Siemens und anderen.

Der momentan dritte große Problembereich - damit komme ich auch zu Ihrer zweiten Frage - ist die Finanzierung. Die Rendite ist dabei aber nicht das Problem. Sie ist gesichert; denn insoweit ist in den letzten Jahren nachgebessert worden. Das Problem liegt vielmehr in der Beschaffung von Eigenkapital. Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems besteht nun darin, zu prüfen, ob sich die Finanzierungsbedingungen durch die KfW verbessern lassen. Darüber haben wir schon in der vorletzten Plenarsitzung diskutiert.

Man darf in diesem Zusammenhang aber nicht außer Acht lassen, dass in erster Linie der Gesellschafter von TenneT gefordert ist, die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, ihren Verpflichtungen nach dem Energiewirtschaftsgesetz nachzukommen, also diese Investition umzusetzen. Der Gesellschafter von TenneT ist zu einer solchen Kapitalisierung aber nicht in der Lage oder nicht bereit, aus welchen Gründen auch immer. Insofern ist es richtig und wichtig, dass der Bund nach Möglichkeiten sucht, in dieser Frage voranzukommen.

In diese Gespräche sind wir eng eingebunden. Ich habe unseren Vorschlag ja dargestellt. Er hätte

konkrete Auswirkungen nicht nur auf den gesamten Netzaufbau, sondern auch auf Offshore. Stichworte sind „einheitliche Netzgesellschaft“ und, keine Hemmungen zu haben, über ein staatliches Engagement nachzudenken, ohne gleich von Verstaatlichung zu reden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Sohn stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Birkner, teilt die Landesregierung die Einsicht, die jedem einigermaßen wachen Erdkundeschüler ziemlich früh vermittelt wird, dass es weder in Deutschland noch sonst wo auf der Welt Täler ohne angrenzende Höhen gibt und dass es demzufolge an einen Stuss grenzt - der fast schon mit einer an Rassismus grenzenden innerdeutschen Diffamierung verbunden ist -, wenn man den süddeutschen Menschen unterstellt, sie würden Windräder in den Tälern statt an den naturgegebenen angrenzenden Höhen errichten wollen?