Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

„Ausgestaltung der Erbschaftssteuer mit dem Ziel eines Aufkommens von wenigstens 10 Mrd. Euro, bei hohen Freibeträgen für Ehegatten und Kinder.“

Sie fordern, die

„Steueroasen trocken(zu)legen: verstärkte Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch personelle Verstärkung durch Betriebsprüfungen sowie Steuerfahndung durch die Länder und Erhöhung des politischen Drucks auf internationaler Ebene.“

Diese klugen Sozialdemokraten fordern in ihrem Papier schließlich die

„Neujustierung der Progression bei der Einkommenssteuer. Die unteren und mittleren Einkommen müssen entlastet, höchste Einkommen stärker belastet werden.“

(Beifall bei der LINKEN)

Dies ist auch unsere Meinung. Dann wäre auch das Geld da, um die Schulden in Niedersachsen zurückzudrängen. Denn es geht nicht ohne soziale Massaker, wenn die Politik sich nicht traut, an die Reichen und die sprudelnden Gewinne vor allem internationaler Unternehmer wieder beherzt heranzugehen.

Die Frage des Steuervollzugs muss dabei stärker als bisher thematisiert werden. Wir hatten bereits in der konstituierenden Sitzung des Landtages am 27. Februar darauf hingewiesen - ich erinnere an diese Aussagen von damals -:

„Wir brauchen in Niedersachsen … dringend mehr Steuerfahnder und eine bessere personelle Ausstattung der Finanzämter. Hier gilt … der Satz ‚Das rechnet sich’ tatsächlich einmal, weil nach diesen Untersuchungen … im Jahre 2004 … die“

- bundesweit -

„2 570 Fahnder rund 1,6 Milliarden Euro hereingeholt haben, also pro Kopf ungefähr 630 000 Euro. Das rechnet sich, das lohnt sich. In diesem Bereich müssen wir also etwas ändern. Dort müssen wir in Personal investieren. Das tun Sie“

- als Landesregierung -

„nicht. Das wollen wir machen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Ein solches Herangehen würde drei Ziele gleichzeitig erfüllen. Wir würden damit mehr Steuergerechtigkeit erzeugen, weil eben jeder und jede vor unseren Steuergesetzen gleich sein muss, aber immer weniger gleich ist; das betrifft arme wie reiche Menschen. Das würde die Steuereinnahmen des Landes spürbar verbessern. Schließlich wäre das ein Beitrag zur Erleichterung der wichtigen Arbeit der Steuerbeamten. Und wir würden durch diese Maßnahmen dem Schuldenabbau eine soziale Basis geben.

Damit bin ich bei der Schuldenfrage. Herr Wulff und Herr Möllring reisen im Moment durchs Land und sagen: Das wichtigste, das prägende - man könnte fast schon meinen: das alleinige - Ziel ist, keine neuen Schulden zu machen. Da wird dann das Horrorgemälde gemalt, Niedersachsen werde von den Schulden erdrückt. Plastisch wird die Verschuldung pro Kopf auf fast jeder Veranstaltung ausgerechnet. Da ist es auch kein Wunder, wenn Leute nach CDU-Veranstaltungen bekümmert nach Hause gehen und nicht wiederkommen und diese Partei mit der SPD gegenwärtig um die Wette schrumpft.

Die soziale Armseligkeit dieses Schuldenbegriffs erwähne ich gleich noch. Dieser Schuldenbegriff ist aber natürlich auch ökonomisch armselig. Denn

die Frage, welche Vermögenswerte diesen Schulden und diesen Krediten gegenüberstehen, wird überhaupt nicht thematisiert. Auf den Aspekt der Bildungsinvestitionen ist Herr Jüttner ja zu Recht schon eingegangen. Kein Unternehmen käme auch auf den Gedanken, bei kreditfinanzierten Investitionen sofort eine Grafik „Verschuldung pro Mitarbeiter“ oder gar „Verschuldung pro Kunde“ in die unternehmensinternen Websites zu setzen. Das wäre ungefähr so, als würde Madsack eine neue Rotation kaufen, kreditfinanziert oder jedenfalls teilweise kreditfinanziert, und am nächsten Tag in der HAZ die Schlagzeile bringen: Die Verschuldung pro Leser ist jetzt um soundso viel gestiegen. Das aber machen Sie mit Ihren albernen Propagandatouren zur Frage der Verschuldung.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber schlimmer als die ökonomische Unsinnigkeit ist, dass Sie überhaupt kein politisches Gespür mehr dafür haben - das ist Ihnen auf Ihrer Klausur ja noch einmal buchstabiert worden -, dass in diesem Lande inzwischen die sozialen Schulden viel gravierender wachsen als die haushalterischen. Kinder von Hartz IV, die in diesem Winter frieren - und das werden einige Tausend sein -

(Zuruf von der CDU: Quatsch! Das wird doch bezahlt!)

und nicht wissen warum, weil sie doch in einem angeblich reichen und gut organisierten Land leben, werden die sozialen Schulden dieses Landes vermehren. Kinder, die nach der vierten Klasse auf die Hauptschule aussortiert werden und deren Traum von der Gesamtschule zertreten wird, vermehren die sozialen Schulden dieses Landes. Menschen im ländlichen Raum, die Angst bekommen, weil nach der Sparkasse und der Post jetzt auch noch das nahe gelegene Krankenhaus dichtmacht, vermehren die sozialen Schulden in diesem Lande. Herr Möllring, wer glaubt, diese Schulden trügen nicht auch politisch Zins und Zinseszins, der denkt und handelt nicht politisch sondern kleinkrämerisch wie diese Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr fataler Nullkurs hat schon jetzt schreckliche Spuren in diesem Lande hinterlassen: Das sind Schulgebäude, die zerfallen, das sind architektonisch, optisch und sachlich unwürdige Zustände an einst würdigen Hochschulen, und das sind bröckelnde Krankenhäuser.

Wir hatten am 9. September eine ganze Serie von Krankenhauspersonalversammlungen. Ich war auf

mehreren, weil sie das nach Schichten vor- und nachmittags gemacht haben. Mich hat verblüfft, Kolleginnen und Kollegen, dass dort zwar alle Fraktionen eingeladen waren, aber bei keiner der Veranstaltungen, auf der ich war, ein CDU-Landtagsabgeordneter dabei war.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Rich- tig!)

Man muss zur Ehre sagen: Frau Möllring als Bundestagsabgeordnete war in Peine dabei. Ansonsten: Alle untergetaucht!

Weil Sie untertauchen und Ihren Laden nicht im Griff haben - eingeladen zu solchen Personalversammlungen zu erscheinen, wäre eigentlich ein Pflichtprogramm für Landtagsabgeordnete auch der CDU -, haben Sie keine Ahnung vom Zustand in diesem Land und der Krankenhäuser in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Hirche, wenn Sie nur für einen Monat Ihren Dienstwagen stehen lassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren würden, würden Sie vielleicht weniger Kilometer machen, Sie würden aber intellektuell in diesem Lande mehr herumkommen.

(Minister Walter Hirche: Absurd! Dann würde ich viel weniger herumkom- men!)

Sie würden dann an Bushaltestellen die Jugendlichen sehen, die dort ihre Zeit totschlagen, weil es keine vernünftigen Jugendarbeits- und -ausbildungsprogramme Ihrer Landesregierung mehr gibt, und die Sie sie inzwischen als Gruppe, um die man sich kümmern muss, aus Ihren Landeshaushalten gestrichen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

All das sehen Sie nicht, weil Sie Ihrem bornierten Ziel, im Jahre 2010 auf dem Papier keine neuen Schulden zu hinterlassen, alles unterordnen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: So ein krauses Zeug! - David McAllister [CDU]: „Borniertes Ziel“!)

Für dieses bornierte Ziel der Nulllinie wird zurechtgebogen, was das Zeug hält. Es mag ja gelingen, 2009 auf dem Papier 250 Millionen Euro neue und 2010 null Schulden zu machen.

Das Finanzministerium selbst hat in den verschiedenen Papieren, die Sie alle kennen, konzediert, dass es in den beiden Jahren ein strukturelles De

fizit von trotzdem mehr als 1 Milliarde Euro geben wird. Der verschuldete Hausbesitzer oder der Fabrikant, der alle seine Vermögenswerte aktiviert - also verkauft -, hat natürlich weniger Schulden. Aber er hat gegebenenfalls eben auch kein Dach über dem Kopf und ist ökonomisch nicht schlank, sondern tot gehungert und handlungsunfähig. Das scheint das Ziel Ihrer Landesregierung für das Land Niedersachsen zu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Diesen fatalen Kurs verfolgen Sie wie ein Kabinett der Lemminge weiter, koste es was es wolle. Die Krone setzt dem der Vorschlag von Herrn Althusmann auf, auch Ministerien zu verkaufen und sich als politisches Hauptziel zu setzen, dass der Ministerpräsident in Zukunft in der Staatskanzlei zur Miete wohnt. Herr Althusmann, auch Sie werden von Ihrem Sparkassenberater oder von wem auch immer mehrfach den Hinweis bekommen haben, dass Eigentum auf Dauer billiger ist als Miete. Es ist schade, dass Sie das im politischen Bereich vergessen.

(Christian Dürr [FDP]: Das von einem Linken!)

Herr Dr. Sohn, Herr Dr. Althusmann bittet um eine Zwischenfrage.

Gerne.

Herr Dr. Sohn, erklären Sie mir bitte, wo ich diese Forderung jemals getätigt hätte.

Laut Aussagen in der HAZ haben Sie

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Falsch! Das ist die Überschrift!)

- Sie müssen erst einmal warten, was ich sage - gesagt, man müsse ernsthaft prüfen, ob man nicht auch landeseigene Ministerien verkaufen und dann wieder mieten kann.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Nein! Das habe ich nicht gesagt!)

Dann dementieren Sie doch diese Aussage. Sie haben wieder das Wort für einen Zwischenruf.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Nein, ich rufe nicht dazwischen! - Heiterkeit)