Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

schweigische Landesmuseum mit einem Schwerpunkt Archäologie. An dieser Stelle - ich räume es ein - ist eine Ungeschicklichkeit in der Kommunikation geschehen; denn in der Pressemitteilung ist tatsächlich dieser Satz zu lesen:

„Mit dieser Ausrichtung wird das Braunschweigische Landesmuseum ebenfalls Teil des neuen Niedersächsischen Instituts für Archäologie und Baudenkmalpflege sein!“

So stand es in diesem Text. So ist es meines Wissens aber nie gesagt worden. Es hat nicht sehr lange gedauert, bis aus dem Ministerium sehr deutlich klargestellt wurde, dass die Eigenständigkeit des Braunschweigischen Landesmuseums selbstverständlich ein verfassungsbasiertes Kulturgut ist; wir alle kennen den Artikel 72 der Verfassung. Es ist überhaupt nicht in der Diskussion, dass daran auch in Bezug auf das Braunschweigische Landesmuseum in irgendeiner Weise gerüttelt werden könnte.

Richtig ist, das haben bereits die Kolleginnen der Oppositionsfraktionen hier vorgetragen, dass eine erfolgreiche Museumsarbeit stets der Neuorientierung und der Weiterentwicklung bedarf und dass es immer darum geht, eine Qualifizierung, eine noch bessere Orientierung am Publikum zu erreichen. Das geht, wenn neue Kräfte Verantwortung übernehmen, natürlich nur im Benehmen mit diesen. Eine strategische Vorgabe aus dem Ministerium ist dort durchaus wünschenswert, aber sie kann selbstverständlich nur mit den in der Tagesarbeit operierenden Fachleuten - ich spreche nicht von den Sachbearbeitern - zusammen erfolgen.

Das Ziel ist vollständig klar, und es ist auch berechtigt; denn wer sich beispielsweise in Wolfenbüttel in der archäologischen Abteilung umschaut, wie das der Kollege Försterling und ich vor kurzem getan haben, und wer dort mit dem Kustos, Herrn Steinmetz, spricht, erfährt wundersamerweise Folgendes: Vor 50 Jahren etwa, meine Damen und Herren, gab es eine aufgeregte Diskussion über das Braunschweigische Landesmuseum, weil die schlecht untergebrachte Abteilung für Archäologie aus einer kleinen Bude irgendwo hinter der Magnikirche ausgelagert und - oh Schreck! - nach Wolfenbüttel umziehen sollte. - Da ist sie heute. Ich lade Sie alle sehr herzlich ein, in die Ausstellung zu gehen. Es ist eine gute Ausstellung. Sie verzeichnet allerdings nur 20 000 Besucher im Jahr. Das ist für eine so bedeutende und inhaltlich qualifizierte Ausstellung zur Archäologie und Frühgeschichte

nicht übermäßig viel. Daran muss das Land arbeiten. Ich meine, daran muss aber auch die Kulturstadt Wolfenbüttel arbeiten; denn die Besucherführung vor Ort ist immer auch eine Sache der Kommunalpolitik.

Diese Debatte ist angestoßen. Sie ist konstruktiv und auf einem guten Weg. Ich freue mich, dem Gestaltwerden der Pläne zuschauen bzw. daran mitwirken zu dürfen.

Meine Damen und Herren, der Untergang des Abendlandes findet nicht statt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der nächste Redner, meine Damen und Herren, ist Herr Toepffer von der CDU-Fraktion.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Hat Braunschweig keine Leute?)

Braunschweig und Hannover sind beide hervorragende Städte in diesem Land.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Riese, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in dieser Debatte, die im Wesentlichen über Formen geführt wurde, auch ein wenig auf Inhalte eingegangen sind.

Frau Krause-Behrens muss ich sagen: Was die Inhalte angeht, sind wir offensichtlich unterschiedlicher Meinung. Sie haben gesagt: Unsere Museumslandschaft ist gut aufgestellt, man muss sie nur machen lassen, dann funktioniert alles.

(Daniela Krause-Behrens [SPD]: So habe ich das nicht gesagt!)

- Sie sagten: Mann muss sie nur machen lassen, was sie können, nämlich präsentieren. Ich dagegen bin der Meinung, dass die Museumslandschaft in Niedersachsen nicht optimal aufgestellt ist. Ich will das an einigen Beispielen belegen.

Das erste Beispiel sind die Schöninger Speere. Das ist ein einzigartiger archäologischer Fund: 400 000 Jahre alte Jagdwaffen. So etwas gibt es auf der ganzen Welt nicht noch einmal zu finden. Diese Speere haben eine herausragende kulturelle Bedeutung. Sie sind 1995 in Niedersachsen gefunden worden. Meine Damen und Herren, man müsste eigentlich meinen, dass sie der Öffentlichkeit sofort umfangreich präsentiert worden wären. Es hat aber von 1995 bis 2007. also zwölf Jahre

gedauert, bis diese Speere der Öffentlichkeit präsentiert worden sind. Und ich wage zu behaupten: Gäbe es nicht diesen Minister, wären sie bis heute nicht präsentiert worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Göttingen gibt es eine Ethnologische Sammlung, nämlich die Cook-Forster-Südseesammlung. Das ist ebenfalls eine herausragende, absolut einmalige Sammlung. Nicht wahr, Frau Andretta, Sie kennen sie?

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ja!)

Auch diese Sammlung war jahrelang nicht zu sehen. Heute kann man auf der Website der GeorgAugust-Universität lesen, dass man sie jetzt sehen kann, und zwar - wunderbar! - sonntags von 10 bis 13 Uhr, also drei Stunden in der Woche.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Woran liegt denn das?)

Das ist genau dasselbe Problem wie bei den Schöninger Speeren: Wir haben hervorragende Kunstgegenstände und Ausstellungsstücke, die aber nicht präsentiert werden.

(Zustimmung bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wer regiert hier ei- gentlich seit fünf Jahren? Können Sie mir da mal weiterhelfen?)

- Er hat es ja gemacht! Er ist ja dabei!

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Andretta?

Aber selbstverständlich.

Herr Kollege, Sie haben gesagt, dass es auch dem Herrn Minister zu verdanken ist, dass diese weltberühmte Sammlung in Göttingen nur an drei Stunden in der Woche gezeigt werden darf.

(Zuruf von der CDU: Das hat er ja nicht gemacht!)

Erklären Sie uns doch bitte einmal, aus welchen Gründen diese Ausstellung nur innerhalb eines so kurzen Zeitraums gezeigt werden kann.

Die Gründe, liebe Frau Andretta, bestehen darin, dass diese Sammlung innerhalb der Universität auf

einem Raum präsentiert wird, der der Sammlung bei Weitem nicht gerecht wird. Ihre Heimatstadt braucht eine extra Räumlichkeit, in der diese Sammlung angemessen präsentiert werden kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege, es besteht noch der Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Dr. Sohn.

Ich gestatte grundsätzlich Zwischenfragen, aber jetzt möchte ich erst einmal wieder ein paar Sätze sagen, Herr Dr. Sohn, dann kommen Sie. Vielleicht biete ich Ihnen ja noch mehr Anlass, Zwischenfragen zu stellen.

Meine Damen und Herren, dass sich dieser Minister Gedanken darüber gemacht hat, wie wir Kultur in Niedersachsen besser präsentieren können, kann ihm heute nicht zum Vorwurf gemacht werden, sondern das war seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Ich bin ihm dankbar dafür, dass er das getan hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann hat er etwas getan, meine Damen und Herren - nun doch noch einmal zum Verfahren und zur Geschichte -, und es war ja interessant, in den ersten 48 Stunden danach die Resonanzen in der Presse zu verfolgen. Da kam folgerichtig sehr viel Lob. Der Geschäftsführer der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz sah „eine Chance, neue Formen mit eigenen Inhalten zu füllen“. Der kaufmännische Direktor des Landesmuseums Hannover begrüßte die Neuausrichtung des Landesmuseums. Und die ungewöhnlichste Unterstützung kam aus Göttingen von Frau Andretta - in der Tat nicht dafür bekannt, dass sie diesen Minister ungerechtfertigterweise mit Vorschusslorbeeren überhäufen würde. Frau Andretta sprach von „eine[r] gute[n] Entscheidung für Göttingen“, welches „zum Mekka der Völkerkunde“ werden könne. Recht haben Sie!

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wo ist das Landesmuseum denn?)

Meine Damen und Herren, heute klingt nun alles anders. Heute sollen diese Pläne, die Sie gerade noch gelobt haben, die richtungsweisend waren, im Papierkorb verschwinden - ohne dass eine sinnvolle Alternative von Frau Krause-Behrens dargestellt worden wäre.

Lieber Herr Riese, ich gebe Ihnen in einem Punkt recht: Der Minister hat einen klitzekleinen Umstand übersehen - das war wahrscheinlich der Ursprung dieser ganzen Debatte -, nämlich eine jahrhundertealte Städtefeindschaft zwischen Braunschweig und Hannover, die uns jetzt in dieser Debatte bestimmt und die dazu geführt hat, dass wir plötzlich Pressemitteilungen lesen mussten wie: Vermeer um Gottes willen nicht nach Hannover. - Ich frage mich: Warum kann er nicht eine Zeit lang hier gezeigt werden? Die Hannoveraner würden ihn bestimmt zurückgeben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Heute stand in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: Hannover droht die Plünderung. - Meine Damen und Herren, der Minister hat mehrfach öffentlich dargestellt, dass das Braunschweigische Landesmuseum mit dem Institut für Archäologie und Baudenkmalpflege fachlich verknüpft werden und im Weiteren dem Ministerium direkt unterstellt bleiben soll. Diese Diskussion sollten wir wirklich beenden.

Meine Damen und Herren, wir sollten vielmehr jetzt die Diskussion darüber beginnen, wo wir die Schwerpunkte bilden können und welche Exponate - ungeachtet der Schwerpunktbildung - vielleicht doch in dem einen oder anderen Museum bleiben sollten. Hannover möchte sicherlich nicht auf seine Moorleiche verzichten, auch wenn der archäologische Schwerpunkt in Braunschweig sein soll - keine Frage. Ich denke, wir sollten diese Debatte sinnvoll und fachlich orientiert führen und dabei den unsinnigen Städtekrieg zwischen Braunschweig und Hannover auch mit Rücksicht auf die NTH beenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als einen „Minister im Unglück“ beschreibt eine große niedersächsische Tageszeitung Kulturminister Stratmann.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Welche denn?)

Unglück - das klingt fast entschuldigend. Dabei ist der Streit um das Museumskonzept eine Geschichte von Pannen und Pleiten, von Fehlern und Versteckspielen, für die der Minister die volle Verantwortung trägt.