Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Mir liegt die Wortmeldung von Frau Flauger vor. Frau Flauger, ich erteile Ihnen jetzt das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Thema Staatstrojaner ein paar Dinge in Erinnerung rufen. Im Oktober 2011 wurde öffentlich, dass deutsche Ermittlungsbehörden sogenannte Staatstrojaner einsetzen, also Spähprogramme, die ohne Wissen der Betroffenen auf ihre Computer gespielt werden und ihre Kommunikation - in manchen Fällen auch mehr - überwachen. Herr Schünemann, in der Folge waren auch Sie in heftiger Erklärungsnot. Sie haben zur öffentlich-populistischen Begründung gesagt, solche Software müsse eben eingesetzt werden, es gehe schließlich um schwerste Straftaten wie Mord. Sogar von Terrorismus redeten Sie.

In Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zu Staatstrojanern, die wir hier im März besprochen haben, werden als Anlässe auf Trojanereinsätze allerdings u. a. der Handel mit Betäubungsmitteln, Steuerhinterziehung, Hehlerei und Geldwäsche genannt. Das ist schon noch einmal eine andere Kategorie.

Sie wussten nicht einmal, was Sie genau einsetzen. Einen Source Code hatten Sie nicht. Sie haben sich auf Zusicherungen der Hersteller verlassen.

Wir haben im März ausführlich und technisch diskutiert - Sie mangels Kenntnis weniger technisch, andere mehr. Ich will das aber nicht alles wiederholen, sondern nur darauf hinweisen, dass neben dem Chaos Computer Club und einer Reihe anderer Fachleute auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar die erfolgten Staatstrojanereinsätze für rechtswidrig hält. Sie bekommen solche Software nicht so hin, dass sie definitiv und nachweisbar unzulässige Dinge nicht kann. Das ist mathematisch und technisch unmöglich. Sie verletzen mit dem Einsatz solcher Software den Kernbereich der privaten Lebensführung unverhältnismäßig. Ihnen fehlt nicht nur meiner Einschätzung nach die Rechtsgrundlage; denn § 100 a der Strafprozessordnung reicht da nicht.

Nach den Debatten im vergangenen Jahr wollte das Bundeskriminalamt auch aufgrund der Kritik von Linken und anderer gegenüber der Vergabe solcher Aufträge an Privatunternehmen nun

Staatstrojaner in einem Kompetenzzentrum selbst entwickeln. Sie sind daran aber kläglich gescheitert, wie vor ein paar Wochen eingeräumt werden musste.

Wir fordern mit unserem Antrag, dass Niedersachsen den Einsatz solcher Software unterlässt. Der Antrag ist schon ein paar Monate alt. Wir fordern weiter, dass Landtag und Öffentlichkeit umgehend und umfänglich darüber informiert werden, auf welcher gesetzlichen Grundlage, in welcher Form und in welchem Umfang Staatstrojaner eingesetzt wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern die Landesregierung ferner auf, unverzüglich darzulegen, mit welchen Prüfungsmechanismen Sie für die Zukunft sicherstellen, dass von niedersächsischen Behörden und Dienststellen eingesetzte Software unzweifelhaft verfassungskonform ist. Dem kann vernünftigerweise niemand widersprechen. Also müssten wir eigentlich zu einem einstimmigen Beschluss kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Leuschner, Sie haben jetzt für die SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden den Antrag der Fraktion DIE LINKE unterstützen, Frau Flauger. Gleichwohl bewerten wir einzelne Positionen anders. Es war unsere Fraktion, die den Antrag gestellt hat, eine umfangreiche Unterrichtung im zuständigen Fachausschuss, dem Ausschuss für Inneres und Sport, erhalten zu wollen. Gleich nachdem im Oktober die Erkenntnisse des Chaos Computer Clubs hier diskutiert worden sind, haben wir gesagt, dass der Fachausschuss zur Kontrolle besonderer polizeilicher Datenerhebungen zwingend damit befasst werden muss, und haben dort auch eine Unterrichtung bekommen. Beide Unterrichtungen waren sehr umfangreich, aber haben unsere Fragen nicht in vollem Umfang beantwortet.

Einzelnen Punkten stehen wir ausgesprochen kritisch gegenüber. Klar ist für uns, dass wir den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität für durchaus sinnvoll halten. Es geht uns um die Art und Weise, wie der Einsatz erfolgt. Wir haben vom LKA erfah

ren, dass Staatstrojaner in einzelnen Fällen eingesetzt worden sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Einsatz einer parlamentarischen Kontrolle bedarf. Diese ist nicht gegeben. Unsere Forderung steht immer noch im Raum, die Rechte des Ausschusses zur Kontrolle besonderer polizeilichen Datenerhebungen in diesem Punkt zu erweitern. Wir wollen insgesamt eine parlamentarische Initiative dazu starten. Wichtig ist für uns die Kontrolle. Wenn eine normale Telekommunikationsüberwachung stattfindet, die im Vorfeld einen Richtervorbehalt beinhaltet, bedarf es aus unserer Sicht einer parlamentarischen Kontrolle, damit wir im Einzelfall nachschauen können.

Außerdem ist es für uns wichtig, dass beim Einsatz sogenannter Staatstrojaner die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zwingend eingehalten werden müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In einzelnen Fällen haben wir diesbezüglich berechtigte Skepsis. Mein Kollege Grant Hendrik Tonne hat in der Debatte im März ausgeführt, dass die Landesregierung weder gewährleisten kann, dass der Einsatz von Überwachungssoftware gemäß den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts erfolgt ist, noch dass dieses Programm sicherheitstechnisch einwandfrei funktioniert und gegen Angriffe von außen - denn darum geht es - geschützt ist. Es geht darum, inwieweit Außenstehende - beispielsweise andere Firmen - Zugriff auf den Quellcode erlangen können. Ich vertraue der Landesregierung in der Hinsicht, dass sie selber nicht versucht, darauf zuzugreifen. Aber die Möglichkeit, dass sich Außenstehende Zugang zu diesen sensiblen Daten, die die private Lebensführung von Einzelpersonen tangieren, verschaffen können - es geht nicht darum, ob es gemacht wird, sondern darum, dass das möglich sein kann -, erfordert starke rechtliche Schranken.

Mein Kollege Tonne führte auch aus, dass die Landesregierung mit der Firma DigiTask ein Unternehmen für den Einsatz von Überwachungssoftware gewählt hat, das wegen der Verletzung von Datenschutzrechten bereits stark kritisiert wurde. Das sollte uns stutzig machen. Dagegen sollten wir vorgehen. Der Chaos Computer Club hatte hierzu dargelegt, dass die eingesetzten Programme weit über das bloße Abhören der Telekommunikation hinaus nahezu beliebig erweiterbar waren. Das wollen wir nicht. Dem müssen Grenzen gesetzt werden.

Deswegen werden wir Ihrem Antrag, Frau Flauger, zustimmen. Wir werden weiter intensiv und, wie ich hoffe, mit der Unterstützung aller Fraktionen daran arbeiten, dass die Zuständigkeit des Ausschusses zur Kontrolle besonderer polizeilichen Datenerhebungen noch in dieser Legislaturperiode um diese Punkte erweitert wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Janssen-Kucz. Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine Binsenweisheit, dass die technischen Entwicklungen in den letzten Jahren im Bereich der Kommunikation an alle Beteiligten große Herausforderungen stellen. Um es ganz klar zu sagen: Wir Grüne stellen uns nicht grundsätzlich gegen jede Form der Telefonüberwachung und vor diesem Hintergrund auch nicht grundsätzlich gegen jede Form der Überwachung von Internettelefonie.

Zu Recht stellen aber viele Menschen aus der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis die Frage, wo der fundamentale Unterschied zwischen dem Telefonat, das wie bisher klassisch über das Festnetz oder mit dem Handy geführt wird, und dem Telefonat, das über Skype durchgeführt wird, liegt. Der Unterschied liegt nicht in der Art und Weise des Telefonierens, sondern in den technischen Mitteln, die der Staat einsetzt, um solche Telefonate abzuhören. Das Abhören eines Internettelefonats mittels Trojanersoftware ist faktisch nicht möglich, ohne die Daten auf dem Zielrechner zu verändern. Über diesen Umstand sind Sie, Herr Schünemann, sowohl in öffentlichen Erklärungen als auch in der Antwort auf die Anfrage der Linken sehr lapidar hinweggegangen.

Der § 100 a der Strafprozessordnung erlaubt zwar das Abhören von Telefonaten. Er ermächtigt aber nicht zum Verändern von informationstechnischen Systemen

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

und ist damit keine zulässige Rechtsgrundlage für den Einsatz irgendwelcher Schnüffelsoftware. Fakt ist: In Niedersachsen gibt es keine rechtliche Grundlage für den Einsatz irgendwelcher Schnüffelsoftware.

Wenn der Innenminister meint, solche Software zu benötigen, um Internettelefonie zu überwachen, dann sollten Sie gefälligst zuerst für eine Rechtsgrundlage sorgen und erst dann die Maßnahme einsetzen - und nicht umgekehrt, wie es Ihre Art ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wohl war! - Jens Nacke [CDU]: Warum so pseudoerregt, Frau Kollegin? Das steht Ihnen gar nicht!)

Meine Damen und Herren, der Staatstrojaner, wie er auch in Niedersachsen eingesetzt wird, ist in Wahrheit kein Staatstrojaner, sondern ein DigiTask-Trojaner. Die Ausführung staatlicher Eingriffsmaßnahmen ist teilprivatisiert und in die Hände einer privaten Firma mit zweifelhaftem Ruf gelegt worden. Auf die Frage, wie Sie sicherstellen wollen, dass diese Firma ihre Befugnisse nicht überschreitet und keine weiteren Daten und Funktionen nachlädt, sagte der Innenminister sinngemäß: Das machen sie nicht, weil sie es nicht dürfen. - Wer’s glaubt, wird selig!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Meine Damen und Herren, wir begrüßen Ihre momentanen Bestrebungen, diesen Bereich der Softwareentwicklung wieder in staatliche Hände zu legen, weil nur so ein besserer Schutz der Bürgerrechte möglich ist. Von daher könnten Sie diesem Antrag zustimmen. Das werden Sie aber nicht tun. Wir kennen Sie.

Aber auch wenn Sie diesen Antrag ablehnen, bleiben Hausaufgaben: Sie müssen für eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Schnüffelsoftware und für wirklich staatlich kontrollierte Software sorgen. Verhindern Sie den Missbrauch der Software, sorgen Sie für eine effektive Kontrolle des verfassungskonformen Einsatzes, und unterrichten Sie die Öffentlichkeit über das Ausmaß dieser Überwachungsmaßnahmen!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Als nächste Rednerin hat sich Frau Jahns für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Frau Jahns, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag „‚Staatstrojaner’ stoppen“ der Fraktion der Linken hat sich durch die Beratung im Plenum zur Antwort auf die Große Anfrage im März erledigt. Wir jedenfalls sind davon ausgegangen, dass der Antrag zurückgezogen wird, nachdem wir all diese Dinge und insbesondere auch Ihre Forderungen so ausführlich besprochen hatten.

Ich bin schon sehr überrascht, dass ich hier Begriffe wie „Spähprogramm“ oder „Schnüffelsoftware“ hören muss. Meine Damen und Herren, Sie werden doch der Landesregierung nicht unterstellen, derartige Programme einzusetzen, die rechtlich nicht abgesichert sind!

(Oh! bei der SPD - Meta Janssen- Kucz [GRÜNE]: Wir kennen diese Landesregierung!)

- Ja, eben! Diese Landesregierung ist rechtmäßig. Wir haben uns angehört. Das, was in der Vergangenheit eingesetzt wurde, ist ganz klar belegt und entsprechend den Bestimmungen des § 100 a der Strafprozessordnung erfolgt.

Sie tun geradezu so, als würden diese Programme weiterhin eingesetzt. In den vergangenen Beratungen haben Sie erfahren, dass die Landesregierung diese Programme nicht mehr einsetzt. DigiTask ist gestoppt worden. Insofern ist Ihr Antrag zumindest in diesem Punkt bereits erledigt gewesen.

Darüber hinaus möchte ich gerade der Kollegin Flauger Folgendes sagen - Sie waren ja in den Ausschussberatungen nicht dabei; ich bedauere außerordentlich, dass Ihre Kollegen die Beratungsergebnisse anscheinend nicht weitergegeben haben -:

Wir haben ausführlich über das Thema gesprochen, dass die Öffentlichkeit mitnichten über den Einsatz dieser Programme bzw. über die konkreten Fälle unterrichtet werden kann. Wenn Kriminalitätsbekämpfung in diesem Land möglich sein soll und die Menschen in Niedersachsen geschützt werden sollen, dann kann doch alles das nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt werden! Meine Damen und Herren, ich appelliere ganz eindringlich an Sie - Sie haben ja teilweise bekräftigt, dass Sie diese Überwachung mit unterstützen -:

(Zuruf von der LINKEN: Wir aber nicht!)

Wir müssen die Kriminalitätsbekämpfung in dem Sinne vornehmen dürfen. Wir müssen doch erkennen, dass die technische Entwicklung gerade für

Kriminelle und Straftäter in den letzten Jahren extrem fortgeschritten ist. Sollen wir denn mit einer Zwille hinterherlaufen, wenn sie mit Lasern durch das Land schießen? - Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Ich denke, wir müssen uns dafür stark machen, dass wir entsprechende Möglichkeiten haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Vorschriften werden eingehalten. Das ist ganz klar. Wir unterstellen natürlich auch, dass die Rechtmäßigkeit gewährleistet ist. Aber ich weise ganz ausdrücklich auf Folgendes hin: Wenn wir in diesem Land Sicherheit gewährleisten wollen, dann müssen wir auch die Chance haben, dementsprechend wirken zu dürfen.