Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Toepffer das Wort. Bitte schön!

Herr Kollege Lies, ich wäre in der Tat versucht, jetzt die Debatte über die generelle Arbeitsmarktsituation in Niedersachsen mit Ihnen zu führen. Ich mache es nicht; denn ich finde, die Linken haben es verdient, dass man sich auch mit ihrem Antragstext beschäftigt. Darin steht ja das eine oder andere. Ich weiß nicht, ob Sie es gelesen haben.

(Olaf Lies [SPD]: Habe ich!)

Ich will es einmal versuchen und auf zwei Punkte eingehen, nämlich zum einen auf die Ursachen der gescheiterten Schlecker-Rettung und zum anderen auf die Schlussfolgerungen aus diesem Vorgang.

Zunächst zur gescheiterten Unternehmensrettung und der Rolle der Landesregierung: Sie wiederholen hier gebetsmühlenartig, die Landesregierung habe die Bildung einer Transfergesellschaft ganz ohne Not verhindert und so die Rettung des Unternehmens verhindert.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE] - Gerd Ludwig Will [SPD]: Ja, richtig! - Ronald Schminke [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!)

Diese Behauptung wird weder durch ständige Wiederholung noch durch das Trommeln auf Tischen richtiger. Sie ist schlichtweg falsch. Richtig ist, dass diese Landesregierung im März dieses Jahres nicht bereit war, die Bildung einer Transfergesellschaft durch eine Landesbürgschaft zu unterstützen, und zwar deshalb, weil der Insolvenzverwalter überhaupt nicht in der Lage war, verlässliche Zahlen über das Unternehmen vorzulegen.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Minister Bode sprach hier am 23. März 2012 von einer desaströsen Datenlage. Richtig ist auch, dass diese Einschätzung vollkommen zutreffend war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nur wenige Wochen später, nämlich am 17. April 2012, hat dann auch ver.di die mangelnde Transparenz der Insolvenzverwaltung kritisiert. Ich zitiere focus.de:

„Die Gewerkschaft ver.di will zwar einen Sanierungsbeitrag zur SchleckerGesundung unterstützen, verlangt aber mehr Informationen zur Lage und Zukunft der insolventen DrogerieKette.“

Meine Damen und Herren, wenn selbst ver.di einen Sanierungsbeitrag von ausreichender Information abhängig gemacht hat, dann kann diese Haltung der Landesregierung doch wohl kaum zum Vorwurf gemacht werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Lies, nun zu einer weiteren Unwahrheit - Sie haben es ja mal wieder betont -: Es wird behauptet, im Falle einer Transfergesellschaft wäre es gelungen, einen Käufer für das Unternehmen zu finden.

(Olaf Lies [SPD]: Möglicherweise!)

Richtig ist: Mit der Transfergesellschaft sollten Kündigungsschutzklagen verhindert werden.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist der Punkt!)

Da waren wir uns hier einig. Das kann man im Protokoll nachlesen. Richtig ist auch, dass bis zum Zeitpunkt der endgültigen Insolvenz rund 4 400 Kündigungsschutzklagen erhoben worden sind. Aber waren denn diese Klagen nun wirklich der Grund, weshalb kein Käufer für das Unternehmen gefunden worden ist? - Es stimmt schon; für einen möglichen Unternehmenskäufer bestand das Risiko verlorener Arbeitsgerichtsprozesse. Die Prozesse hätten dann Wiedereinstellungsansprüche und Lohnnachzahlungen zur Folge gehabt. Aber war das denn ein reales Szenario? - Ich zitiere den Tagesspiegel vom 6. Juni 2012:

„Die Aussichten für einen Erfolg der 4 400 Kündigungsschutzklagen schätzt ver.di als gering ein.“

Wenn dem so war, blieb lediglich das Risiko der Prozesskosten. Das kann man ausrechnen. Herr Adler, korrigieren Sie mich. Arbeitsgerichtskosten zahlt man in der ersten Instanz selbst. In der Tat hat der Unternehmer ein Risiko. Gehen wir einmal davon aus, alle 4 400 Klagen werden tatsächlich verhandelt. Kostenrisiko pro Partei: 3 000 Euro. Wenn Sie Sie diesen Betrag mit 4 400 Klagen multiplizieren, dann haben Sie das Kostenrisiko. Dann kommen Sie auf 13 Millionen Euro, Herr Lies. 13 Millionen! Angemeldet waren im Insolvenzverfahren 750 Millionen Euro. Das ist das

Risiko, das für den Unternehmenskäufer bestand - nicht aber die 13 Millionen! Ich kann Ihnen eines sagen: Wenn Sie behaupten, dass es an diesen 13 Millionen gelegen habe, dann ist das absolut lächerlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Wissen Sie, Herr Lies, was geholfen hätte, einen Käufer zu finden? - Was die Käufer gehindert hat, waren ganz andere Forderungen. Da gab es die Schlecker-Kinder Lars und Meike mit ihren eigenen Forderungen in Höhe von 176 Millionen Euro. Es ist ein Skandal, dass die nicht bereit waren, auch nur auf einen Teil zu verzichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun will ich mich nicht über die Kinder zum Unternehmensgründer weiterarbeiten, wie Sie es tun. Wenn die Linke bemängelt, dass die Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns beschnitten werden müsse, dann erinnere ich einmal an ganz andere Unternehmenspleiten in diesem Lande: Philipp Holzmann AG. 23 000 Leute waren dort betroffen. Ich möchte Ihnen jetzt auch etwas zu Quelle und Karstadt zitieren - die hat Herr Rickert eben schon genannt -; das ist auch sehr schön. Ich zitiere aus Welt Online vom 18. Juli 2012:

„Quelle pleite, Karstadt insolvent: Dadurch hat der einstige Chef von Arcandor, Thomas Middelhoff, viel Geld verloren.“

Und weiter:

„Nun packt der Manager aus: Er verließ Arcandor als steinreicher Mann.“

Das genau ist doch das Problem. Wir haben in diesem Land nicht zu viele Unternehmer, die selbst die Verantwortung tragen und persönlich haften, sondern viel zu wenige. Das ist ja das Problem.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen empfiehlt doch jeder verantwortungsbewusste Steuerberater seinen Klienten, ab einer gewissen Unternehmensgröße aus der Haftung auszusteigen und in die GmbH zu gehen. Das genau ist das Problem. Der Einzelunternehmer haftet mit dem ganzen Vermögen, mit Hemd und Hose. Der angestellte Vorstand oder Geschäftsführer haftet hingegen mit keinem Cent. Und genau deswegen wird gegen Anton Schlecker glücklicherweise strafrechtlich ermittelt und zivilrechtlich

geprüft, ob er überhaupt Vermögenswerte verschoben hat.

Wir wünschen uns in Niedersachsen noch mehr Menschen, die für ihr Unternehmen Verantwortung übernehmen. In Deutschland gibt es, glaube ich, nur noch neun eingetragene Kaufleute mit mehr als 2 000 Beschäftigten. In Niedersachsen haben wir nur ein Unternehmen, nämlich die Firma Visiontec in Braunschweig mit 2 000 Beschäftigten. Ich kann nur sagen: Wir brauchen mehr Leute, die in diesem Land Verantwortung übernehmen. Ihre Forderung, diese Unternehmer praktisch zu enteignen, indem sie ihnen zwangsweise einen Aufsichtsrat vorsetzen, ist hanebüchener Unsinn, genau so wie Ihr ganzer Antrag.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Toepffer hat das Wort Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE für 90 Sekunden. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Toepffer, es ist erstaunlich, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung von einem Einzelkaufmann geführt wird. Da fragt man sich ja: Warum macht er nicht das, was alle anderen machen, nämlich eine Kapitalgesellschaft gründen? - Ich kann Ihnen auch sagen, warum er das nicht macht: Weil er nicht den Publizitätspflichten unterliegen will, die damit verbunden wären.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Stattdessen hat er sich einen ganz miesen Trick ausgedacht. Er hat nämlich den Logistikbereich an seine Kinder übertragen. Die haben überhöhte Rechnungen geschrieben, sodass das gesamte Vermögen auf die Kinder transferiert werden konnte und er auf diese Weise seelenruhig in die Pleite gehen konnte, ohne dadurch einen persönlichen Schaden zu nehmen. Das ist kriminell. Anders kann ich das nicht bezeichnen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Frage ist: Warum lässt man so etwas durchgehen, und warum wird nicht entschieden dagegen vorgegangen? - Ich habe darauf hingewiesen: Es gibt das Anfechtungsgesetz. Dagegen hätte man schon längst vorgehen müssen. Bei der letzten Debatte hier im Plenum habe ich den Wirtschafts

minister gefragt, warum da nicht endlich der Staatsanwalt tätig wird. Er hat gesagt: Das muss der Insolvenzverwalter entscheiden. - Daraufhin habe ich selbst eine Strafanzeige geschrieben. Gott sei Dank ist das Verfahren dann von der Staatsanwaltschaft Oldenburg nach BadenWürttemberg weitergeleitet worden. Wahrscheinlich sind auch noch andere auf die Idee gekommen, dass man endlich einmal dagegen vorgehen muss. Das Mindeste, das man jetzt machen muss, ist, dass man gegen diesen Kriminellen vorgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Toepffer, selbstverständlich haben Sie die Möglichkeit zu antworten. Sie haben 90 Sekunden. Bitte!

Herr Adler, jetzt haben Sie sich doch selbst ins Bein geschossen. Herr Adler, Sie sagen, es gibt gesetzliche Regelungen, um gegen Kriminalität vorzugehen. - Ob das passiert, entscheidet übrigens die Staatsanwaltschaft und nicht der Wirtschaftsminister. - Wenn es in diesem Land Gesetze, nach denen gewisse Dinge strafbar sind, und ein Anfechtungsgesetz gibt, dann brauchen wir die gesetzlichen Regelungen, die Sie hier gefordert haben, überhaupt nicht. Dann kann der eingetragene Kaufmann weiterhin so arbeiten wie bisher, nämlich im Rahmen der Legalität. Dann kann er sein Unternehmen auch weiterhin erfolgreich führen. Das ist gut für dieses Land, und das ist auch gut für die Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Schlupf- löcher hoch drei!)

Zu diesem Tagesordnungspunkt spricht jetzt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Hagenah. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rolle Niedersachsens im Zusammenhang mit der Schlecker-Pleite ist für diese Landesregierung wirklich kein Ruhmesblatt. Das muss ich hier heute noch einmal festhalten.

Ich finde es mittlerweile beschämend, Herr Kollege Toepffer, wie Sie von der CDU die Kastanien für die im Wesentlichen von Ihrem Koalitionspartner