Ich finde es mittlerweile beschämend, Herr Kollege Toepffer, wie Sie von der CDU die Kastanien für die im Wesentlichen von Ihrem Koalitionspartner
FDP angerichteten Schäden aus dem Feuer holen müssen. Wir alle hier erinnern uns noch sehr genau daran, dass die CDU auf Bundesebene und zum Teil auch hier auf Landesebene dem Bürgschaftsmodell offen gegenübergestanden hat. Allein der Widerstand einiger weniger FDPMinisterinnen und -Minister - nein, ich glaube, sie hat in dieser Funktion nur Männer; es wäre ja auch komisch bei der FDP, wenn sie auch Ministerinnen hätte - hat dazu geführt, dass es am Ende nicht zu dieser Bürgschaft gekommen ist.
Schlechterdings ist es formell, vom Ablauf und auch vom wirtschaftlichen Ausgang her nicht statthaft, Herr Toepffer, dass Sie jetzt, nachdem das Ganze den Bach heruntergegangen ist mit der Folge, dass sich die Aussichten der Beschäftigten auf einen Erfolg der Kündigungsschutzklagen noch weiter verschlechtert haben, einen Vergleich mit dem Fall des Gelingens anstellen, also mit dem Fall, dass es tatsächlich zu einer Übernahme gekommen wäre und dass an dieser Stelle jetzt tatsächlich ein Unternehmen stehen würde, das für die Kündigungsschutzklagen auf der anderen Seite geradestehen würde. Sie hätten eine deutlich andere Rechnung aufmachen müssen.
Übrigens hat diese Rechnung auch Minister Bode selbst aufgemacht. Auf meine Nachfrage beim letzten Plenum, für welches Finanzvolumen diese Kündigungsschutzklagen aus seiner fachlichen Sicht stehen, hat er schlankweg die Summe von 100 Millionen Euro genannt. Das hätte in diesem Fall eine schlichte Verdopplung des letzten Angebotes bedeutet, das für Schlecker auf dem Tisch gelegen hat, und hätte dann möglicherweise zu einem guten Ende dergestalt geführt, dass es nämlich wirklich einen Weiterbetrieb gegeben hätte.
Das Besondere an unserer heutigen Debatte ist, dass die FDP in Gestalt von Frau König wieder einmal ihre Einstellung zu dem vorgetragen hat, was sie immer noch „soziale Marktwirtschaft“ nennt, obwohl es in Wirklichkeit nicht als „sozial“, sondern als „Raubtierkapitalismus“ zu bezeichnen ist, also dazu, wie sie sich die Marktverhältnisse vorstellt.
Frau König, Sie haben hier wörtlich gesagt, der Fall Schlecker sei ein gutes Beispiel für unsere soziale Marktwirtschaft, so sei das eben. Ich will Ihnen einmal aufzählen, was da alles passiert ist. Da hat dieser so genannte gute Kaufmann, bevor es zu dieser Pleite gekommen ist, über Jahre hin
weg mithilfe drastisch überhöhter Preise Millionen für seine Kinder zur Seite geschafft, weil das Ende aus seiner Sicht absehbar war. Auf diese Art und Weise hat er für seine Familie ein weiches Polster geschaffen.
- Ja, genau! Das nennt Ihre Kollegin Frau König ein „Beispiel für die soziale Marktwirtschaft“. Darum geht es, Herr Kollege Dürr. Genau darum geht es. Das ist Marktwirtschaft, wie Sie sie meinen!
Das Ergebnis, das wir nicht gestützt haben, ist: Jetzt entsteht quasi ein Kartell. Nicht aus Zufall ist gerade das große niedersächsische Unternehmen Rossmann Hauptprofiteur der Schlecker-Pleite. Dieses Unternehmen hat in diesem Jahr 17 % mehr Umsatz und sucht sich jetzt noch - - -
Jetzt holt es sich auch noch die Rosinen aus Ihr Platz heraus. Nicht umsonst wird dies kartellrechtlich überprüft. Diese Konzentration im Markt wäre verhindert worden, wenn diese FDP-Minister nicht auf der Bremse gestanden hätten.
Ich möchte einmal wissen: Wessen Geschäft haben die eigentlich gemacht? - Das muss an dieser Stelle politisch aufgeklärt werden. Klar war ja, dass da ein heftiger Wettbewerb tobt, der sich ändern wird, wenn nur noch zwei an der Spitze sind und das jetzt kartellrechtlich überprüft werden muss.
Insofern glaube ich, dass das, was Frau König für Marktwirtschaft hält und uns als besonders guten Ablauf verkaufen will, genau das Gegenteil ist. Sozial wäre diese Marktwirtschaft in diesem Fall gewesen, wenn tatsächlich eine Transfergesellschaft zustande gekommen wäre, wenn man gemeinsam dafür gesorgt hätte, dass wesentliche Teile, nämlich die lebensfähigen Teile des Unternehmens Schlecker, am Markt geblieben wären und wir dort auch weiterhin einen echten Markt gehabt hätten.
(Beifall bei den GRÜNEN - Gabriela König [FDP]: Eben nicht! Staatliche Eingriffe unterstützen gegenüber an- deren, die im Wettbewerb stehen! So sieht das aus! Keine Ahnung!)
Frau Kollegin König, Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, sich mit einer Kurzintervention zu Wort zu melden. Das macht jetzt aber Ihr Kollege Dürr. - Ich habe es nur nicht verstanden, weil Sie so viele Zwischenrufe gemacht haben, sodass ich kaum den Redner verstehen konnte.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Er muss sie jetzt retten! - Gabriela König [FDP]: Ich brauche nicht gerettet zu werden! Absolut nicht! Ich lasse mich nicht auch noch zu Ihrem Opfer ma- chen!)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dass die Sozialdemokraten in Deutschland die Genossen der Bosse sind, haben wir in der Schröder-Zeit alle gemeinsam erlebt.
Herr Hagenah, Sie haben einen schönen und wichtigen Satz gesagt. Ich wünschte mir, Sie würden sich das wirklich zu Herzen nehmen. Sie haben gesagt, man müsse die Dinge auch einmal zu Ende denken. Dass die Grünen aus der eigenen Regierungsverantwortung in Berlin bis zum Jahr 2005 nichts gelernt haben, zeigt Ihre Rede gerade eben, Herr Hagenah.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU] - Zurufe von den GRÜNEN)
(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist Quatsch! Das kann man nicht vergleichen!)
Das ist Ihre Politik. Es geht immer gegen den Mittelstand. Es geht immer gegen diejenigen, die in Deutschland Verantwortung übernehmen und ihr eigenes Kapital aufs Spiel setzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind für Großkonzernstrukturen, Sie sind gegen mittelständische Unternehmen, und Sie sind dafür, dass Unternehmer, die wie Anton Schlecker am Markt scheitern, noch mit Steuergeldern dafür belohnt werden. CDU und FDP können niemals für eine solche Politik zur Verfügung stehen.
Herr Dürr, Sie sind, glaube ich, auf der falschen Veranstaltung. Wir reden hier über den Erhalt von Arbeitsplätzen und über den Erhalt eines tatsächlichen Wettbewerbs im Markt.
(Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei CDU und FDP - Gabriela König [FDP]: Guten Morgen, Herr Hagenah! - Wei- tere Zurufe von der CDU und von der FDP)
Sie und Ihre Fraktionen haben verursacht, dass diese Frauen arbeitslos geworden sind, weil Sie die Transfergesellschaft nicht unterstützt haben.
(Christian Dürr [FDP]: So ein Quatsch! - Björn Thümler [CDU]: Herr Hagenah, das ist doch Unfug! Sie wissen doch, dass das, was Sie sagen, nachweis- lich falsch ist! Das ist die Unwahrheit! Eine typisch grüne Unwahrheit ist das!)
Sie, Ihre Fraktionen und Ihr Minister haben zu verantworten, dass es jetzt so viele zusätzliche Arbeitslose in unserem Land gibt
und dass, wie die Bundesregierung - übrigens eine von der FDP mitgetragene Bundesregierung - dem Parlament geantwortet hat, durch die SchleckerPleite ganz erhebliche Kosten in Höhe von rund 200 Millionen Euro zusätzlich auf die Sozialkassen zukommen, weil eben nichts getan worden ist.
(Christian Dürr [FDP]: Was war denn bei Holzmann? Holzmann ist trotzdem pleitegegangen! - Björn Thümler [CDU]: Fragen Sie einmal, warum die Staatsanwaltschaft ermittelt! - Weitere Zurufe von der FDP)
Sie rechnen die zwischenzeitlichen Unterstützungsmaßnahmen dagegen. Sie sind hier völlig falsch orientiert. Sie verteidigen etwas, was Ihre Kollegin offengelegt hat: Sie wollen tatsächlich nur einen Kapitalismus, der in der Form sozial nicht abgefedert ist, und das belohnen die Leute im Augenblick mit Nichtwählen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SDP - Björn Thümler [CDU]: Das ist unglaublich! Das ist ja schlimmer als Kommunismus!)