Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das, meine Damen und Herren, ist durch das Eckpunktepapier sogar noch verschärft worden.

Ich will einmal die Kritik meines Kollegen Reichenbach aus der SPD-Bundestagsfraktion zitieren. Er hat gesagt, der Datenabgleich und die Ausspähung könnten künftig ohne Kenntnis des Beschäftigten bereits dann erlaubt sein, wenn nur der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung bestehe. Private E-Mails und Telefongespräche sollen weiterhin ausgewertet werden können. Darüber hinaus soll der Arbeitgeber sogar über einen bestimmten Zeitraum Detektive einsetzen können, wenn nur der Verdacht auf eine Pflichtverletzung angeführt wird. Wenn der Arbeitgeber eine Videoüberwachung der Beschäftigten lediglich für eine Qualitätskontrolle für erforderlich hält, sollte sie nach dem Gesetzentwurf ununterbrochen eingesetzt werden können.

Wo ist denn da ein Abwägungsprozess zwischen Arbeitnehmerrechten und Arbeitgeberrechten? - Das finde ich lächerlich.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Frau Flauger für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Jahns, Sie haben gesagt, es tut sich ordentlich was. Wenn die Skandale auftauchen in den Jahren 2005 bis 2008 und sich im Februar 2009 alle Fraktionen im Bundestag einig sind, es muss etwas geschehen, Sie dann zwei Jahre brauchen, bis im Bundestag zum ersten Mal über einen Gesetzentwurf beraten wird, wenn Sie jetzt noch einmal eineinhalb Jahre brauchen, nachdem Ihre eigenen Abgeordneten, Herr Frieser und Frau Piltz, im Bundestag heftig kritisiert haben, es bestehe Verbesserungsbedarf, und Sie nach eineinhalb Jahren immer noch keinen neuen Entwurf vorgelegt haben, dann frage ich, wo Ihr Drive, Ihr Engagement, Ihr heftiges Bemühen um verbesserten Beschäftigtendatenschutz tatsächlich ist. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Sigrid Leuschner [SPD])

Sie haben gerade gesagt, man müsse abwägen zwischen den Interessen auf der Arbeitgeberseite und den Interessen auf der Arbeitnehmerseite. Jetzt frage ich Sie: Meinen Sie ernsthaft, dass Sie sich für die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einsetzen, wenn Sie zulassen wollen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne konkreten Verdacht Detektive auf den Hals gehetzt werden können, die deren Verhalten präventiv überwachen können, ohne dass irgendetwas vorliegt, einfach mal so pauschal? - Das wollen Sie erlauben. Ist das Ihr Beispiel dafür, dass es guten Arbeitnehmerdatenschutz geben muss? - Auch das kann wirklich nicht Ihr Ernst sein, Frau Jahns.

Dann noch zu der Frage, ob es angebracht ist, sich hier im Landtag zu diesem Thema zu positionieren. Selbstverständlich ist es angebracht, dass sich der Niedersächsische Landtag mit einem so wichtigen Thema befasst und dazu eine Position beschließt. Es ist außerdem angebracht, die Bundesregierung aufzufordern, hier ein Stoppzeichen zu setzen. Es

ist weiterhin angebracht, die Landesregierung aufzufordern, spätestens im Bundesrat zu sagen: Diesem Gesetzentwurf stimmen wir nicht zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Jahns möchte gern antworten. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Liebe Kollegin! Wahrscheinlich haben Sie nicht richtig zugehört.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe keineswegs kritisiert, dass Sie dieses Thema hier zur Sprache gebracht haben bzw. einen Antrag dazu gestellt haben. Ich habe klar und deutlich gesagt, dieser Antrag ist hier falsch. Und Sie haben das ja auch durch Ihren eigenen Änderungsantrag belegt, Frau Flauger. Sie haben in Ihrem ersten Antrag die Fraktionen aufgefordert, ihre Fraktionen auf Bundesebene entsprechend anzutreiben und zu sagen, sie sollten sich dort aktiv einbringen. Deswegen ist für uns keine andere Situation entstanden. Sie können sich weiterhin dort einbringen.

Das, was wir hier in Niedersachsen zu besprechen haben, nehme ich selbstverständlich entgegen. Aber das hält uns nicht davon ab, Ihren Antrag abzulehnen und die auf der Bundesebene vorhandenen Anregungen weiterhin zu bearbeiten. Ich habe Ihnen gesagt, dass es viele Änderungswünsche gegeben hat. Es gibt ca. 50 Einwendungen. Sie werden bearbeitet, und Sie werden sehen, dass am Ende ein positives Gesetz herauskommt. Davon bin ich fest überzeugt. Ich hoffe, Sie arbeiten daran mit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Einein- halb Jahre ist nichts passiert!)

Als Nächste spricht zu diesem Thema Frau Janssen-Kucz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, Sie mögen hier guten Willen haben, aber Sie sind nun einmal nicht Teil des Diskussionsprozesses auf Bundesebene. Der steht nämlich vor dem Abschluss. Jetzt geht es darum, dieses

Gesetz im Bundesrat zu verhindern. Nicht umsonst haben wir zig Anschreiben von Gewerkschaftsvertretern und selbst von Arbeitgeberverbänden bekommen, die fragen, was man da auf den Weg gebracht hat.

Es sollte, wie Sie gesagt haben, eine Balance gefunden werden. Das haben alle Fraktionen im Bundestag auf dem Datenschutzgipfel 2009 beschlossen. Dort bestand Konsens, den Brückenschlag zwischen den berechtigten Interessen der Beschäftigten und den berechtigten Interessen der Arbeitgeber hinzubekommen und das massive Ungleichgewicht, das beim Beschäftigtendatenschutz bislang zugunsten der Arbeitgeber bestand, wieder auszugleichen.

Nun haben wir uns die Beratungen drei Jahre lang angeschaut. Ich gehe davon aus, dass auch Sie die Stellungnahmen gelesen, die Beratungen im Februar verfolgt und die Bedenken auch Ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion zur Kenntnis genommen haben. Aber dann hätten Sie hier sagen müssen: Das ist uns nicht gelungen. - Selbst der Bundesinnenminister hat gesagt, es ist ein Versuch. - Ich kann nur sagen, der Versuch ist misslungen. Packen Sie das Gesetz wieder ein!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat der Bundesregierung angeboten, unseren Gesetzentwurf als Grundlage zu nehmen und daran weiterzuarbeiten. Er ist zumindest rechtsklar und bietet Rechtssicherheit. Denn man hat bei Ihrem Gesetzentwurf auch festgestellt, dass er handwerklich völlig missglückt ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich habe mir ein Beispiel herausgesucht. Es ist ja wichtig, dass der Beschäftigtendatenschutz in der Wirtschaft auch funktioniert. Stellen Sie sich also folgende Situation vor: Ich als Arbeitgeberin begrüße einen Mitarbeiter nach der Rückkehr aus dem Urlaub und will ihn fragen, was er alles so unternommen und ob er sich gut erholt hat. Das darf ich nach Ihrem Gesetzentwurf aber nicht; denn damit würde ich geschützte Gesundheitsdaten erheben, und darauf steht ein Bußgeld von 30 000 Euro.

(Zuruf von der CDU)

Absurder geht es nicht, meine Damen und Herren. Hier muss ihr Gesetzentwurf dringend überarbeitet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung muss selbstverständlich auch im Betrieb gelten. Dafür sollten wir gemeinsam streiten und nicht diesen Weg gehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat der Kollege Oetjen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, mit welchen - ich sage einmal - Halbwahrheiten hier in der Debatte agiert wird. Wenn die Kollegin Flauger das Screening der Deutschen Bahn aus dem Jahr 2007 anspricht, dann muss ich an dieser Stelle sagen, dass dieses Screening schon im Jahr 2007 rechtswidrig gewesen ist und dass diese Rechtswidrigkeit, die im Jahr 2007 bestanden hat, durch das neue Bundesgesetz in keiner Weise nachträglich legitimiert werden soll. Wenn Sie also so etwas in die Debatte einführen, Frau Kollegin Flauger, dann bleiben Sie doch bitte bei der ganzen Wahrheit.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja, das war auch so!)

Auch die heimliche Videoüberwachung wird durch den Gesetzentwurf umfassend verboten. Der Einsatz sichtbarer Kameras ist nur unter strengen Auflagen erlaubt. Die Kollegin Leuschner hat gesagt, dass die Überwachung auch in privaten Bereichen möglich sein soll; sie hat die Cafeteria angesprochen. Das ist aber nicht der Fall. In Räumen, die überwiegend zur privaten Nutzung gedacht sind, ist eine Überwachung mittels Videotechnik nicht zulässig. Insofern haben Sie das falsch dargestellt.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Stimmt nicht!)

Wir haben deutliche Verbesserungen für den Datenschutz in der Bewerbungsphase. Von der Kollegin Jahns ist schon angesprochen worden, dass wir gerade in diesem Bereich einen zusätzlichen Schutz für die Arbeiternehmerinnen und Arbeit

nehmern eingeführt haben. Zu privaten Mails und privaten Telefonaten ist überhaupt keine Regelung getroffen. Sie müssten eigentlich auch wissen, dass die Nutzung des Arbeitsplatzes für private Mails und private Telefonate vom Arbeitgeber überhaupt erst gestattet werden muss. Es ist nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass private Telefonate und private E-Mails am Arbeitsplatz zulässig sind. Das wird dann über Betriebsvereinbarungen geregelt. Deswegen glaube ich auch, dass wir an dieser Stelle überhaupt keine Probleme haben.

Für Eignungs- und Gesundheitstests sieht der Gesetzentwurf bereits eine eindeutige und strikte Zweckbindung vor. Der Zweckbindungsgrundsatz hat im Datenschutzrecht nun einmal eine hohe Bedeutung und kann nicht durch das Argument einer Missbrauchsmöglichkeit aufgehoben werden.

Ich glaube, dass wir in dieser Frage die Kirche im Dorf lassen sollten, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Die Mo- schee in der Stadt!)

Es ist klar, dass wir im Deutschen Bundestag dazu Änderungsvorschläge - auch der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP - bekommen werden, die die Datenschutzrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter stärken. Deswegen bin ich auch fest davon überzeugt, dass die christlichliberale Koalition kein Gesetz verabschieden wird, das die gegenwärtige Rechtslage zulasten der Beschäftigten verschärft. Der schon im Koalitionsvertrag festgehaltene Grundsatz, dass niemand Angst vor Bespitzelung am Arbeitsplatz haben muss, gilt auch weiterhin.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Zu dem Beitrag von Herrn Oetjen hat sich Frau Flauger zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön, Frau Flauger!

(Sigrid Leuschner [SPD]: Lassen Sie die Moschee in der Stadt!)

Wir könnten ja zur Abwechslung auch mal, wie die Kollegin Leuschner gerade vorgeschlagen hat, die Moschee in der Stadt lassen oder die Synagoge im Ort, statt immer nur die Kirche im Dorf.

Herr Oetjen, ich finde, Sie haben hier eine relativ verzerrte Sicht auf die Dinge. Ich weiß auch nicht, was Sie an dieser Stelle alles nicht ernst nehmen und nicht aufnehmen. Wenn der Bundesdatenschutzbeauftragte sagt, dass die Regelungen für medizinische Untersuchungen im Gesetzentwurf zu uneindeutig sind und zu weit gehen und dass zu viel Auslegungsspielraum besteht, und wenn der Bundesdatenschutzbeauftragte sagt, dass Ihre Regelungen zu offener Videoüberwachung zu weit gehen und ein Freibrief sind, dann müssen Sie das doch auch einmal in Ihre Überlegungen einbeziehen.