Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

(Kurt Herzog [LINKE]: Das ist eine sehr gute Frage!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hocker, ich habe vorhin schon gesagt, dass sich aus den bisherigen Erkenntnissen weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf bezüglich des Salzes ergibt. Das hat auch die heftig kritisierte vorläufige Sicherheitsanalyse für Gorleben ergeben.

Dazu gibt es verschiedene Fragestellungen, die noch offen sind, etwa: Untersuchung der inneren räumlichen Strukturen von Salzstöcken, insbesondere von Schichtgrenzen und Diskontinuitäten, sowie deren Eigenschaften als mögliche hydraulische und mechanische Schwächezonen. Detaillierte Charakterisierung und Analyse von Kohlenwasserstoffvorkommen - einer der Punkte, der immer als mögliches Ausschlusskriterium für Gorleben genannt wird. Was ist also mit den Kohlenwasserstoffvorkommen? Weiter: In-situ-Untersuchung zur Kompaktion und Dichtwirkung von Salzgrusversatz, Untersuchung des Einflusses von Feuchte auf die mechanischen Eigenschaften von Steinsalz, Untersuchungen zum Verheilen von Kontakt- und Auflockerungszonen vor allem im Bereich von Verschlussbauwerken.

Darüber hinaus gibt es auch Punkte, die man in einem Labor untersuchen könnte, die nicht wirtsgesteinsspezifisch sind, z. B. Entwicklung und Erprobung direkter und indirekter Verfahren zur Standortcharakterisierung, Erprobung von Einlagerungs- und Behälterkonzepten sowie insbesondere der Machbarkeitsnachweis der in jüngster Zeit zusätzlich geforderten und weltweit noch nicht demonstrierten Rückholbarkeit. Das sind also Fragestellungen, die weit über die Frage des Salzes hinausgehen.

Wir sollten die Kompetenzen, die wir über die Jahre und Jahrzehnte hinweg und durch die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren gewonnen haben, nicht einfach ziehen lassen; denn wir werden sie nach dem gemeinsamen Willen eines Tages wieder brauchen. Deshalb sollten wir uns nicht den Luxus gönnen, ständig Kompetenzen aufzubauen und sie wieder wegfallen zu lassen, um sie dann wieder neu aufbauen zu müssen.

Wir haben jetzt ein gemeinsames Ziel, das voranzubringen. Deshalb ist der auch von der IGBCE aktiv eingebrachte und von uns aufgegriffene Gedanke dahinter, hier einen entsprechenden Kompetenzerhalt zu ermöglichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Staudte stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Birkner, Sie haben an verschiedenen Stellen mehrfach betont, dass es auch in Ihrem Interesse wäre, den bestmöglichen Standort zu finden. Den bestmöglichen findet man ja normalerweise in einem Vergleich.

(Zustimmung von Bernhard Buse- mann [CDU])

Wenn man den bestmöglichen Läufer finden will, lässt man verschiedene antreten und guckt dann, wer der schnellste war. Man lässt nicht einen laufen und stellt sich mit der Stoppuhr hin und sagt dann: Das war ein gutes Ergebnis, das ist der bestmögliche.

(Bernhard Busemann [CDU]: Jawohl!)

Für den Vergleich der verschiedenen Standorte ist jetzt im letzten Entwurf nur vorgesehen, dass nur an einem Standort untertägig erkundet werden soll.

(Zuruf von der FDP)

- Ja, das steht in dem Entwurf vom 13. Juni so drin. - Wie viele Standorte müssen denn aus der Sicht der Landesregierung in den verschiedenen Wirtsgesteinen untertägig erkundet werden, wenn man überhaupt den glaubhaft zu vertretenden Anspruch haben will, das sei jetzt eine Suche nach dem bestmöglichen Standort?

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernhard Busemann [CDU]: 186!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staudte, diese Frage kann ich Ihnen heute nicht beantworten.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie haben also keine Position dazu, wenn Sie in die Verhandlungen gehen?)

- Selbstverständlich habe ich eine Position. Wenn Sie mir die Gelegenheit geben, will ich sie gerne darlegen.

Die Position ist, dass wir diese Diskussion heute nicht führen können. Wir können heute nicht sagen: Wir nehmen einen Standort in Salz, einen in Ton und einen in Granit oder vielleicht zwei in Ton bzw. Granit. - Warum denn eigentlich? Sie müssen natürlich einen Vergleich ermöglichen. Wenn Sie sich das Verfahren genau anschauen, dann erkennen Sie, dass man zunächst verschiedene Kriterien intensiv definieren muss, die überhaupt noch nicht feststehen. Das ist die erste Phase dieses gesamten Prozesses.

Wenn man diese Kriterien definiert hat, geht es bei der oberirdischen Betrachtung zunächst darum, Suchräume zu finden - wahrscheinlich unter Ausschluss von Berlin; ich weiß das noch nicht, aber es spricht viel dafür. Berlin ist zunächst einmal noch dabei, aber es spricht vermutlich einiges dafür, die Bundeshauptstadt nicht in Betracht zu ziehen.

Dann geht es darum, unter Ausschluss bestimmter Regionen mithilfe des Ausschlusskriteriums weitere Flächen oberirdisch zu definieren, die dann weiter in die Betrachtung kommen. Erst dann stellt sich die Frage der Erkundungs- und Suchprogramme bzw. der Kriterien.

Das heißt, heute eine Diskussion darüber zu führen „Wir brauchen so und so viele Standorte für den Vergleich“ geht an den Kriterien, an den inhaltlichen Fragestellungen völlig vorbei.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann muss man es aber ganz offen lassen! Dann darf man nicht hineinschreiben: einen!)

- Ich habe das nicht hineingeschrieben. Das ist ja nicht mein Entwurf.

Unsere Positionierung ist ganz klar - dafür werben wir auch immer -, heute nicht eine Anzahl von Standorten zu diskutieren. Was machen Sie denn, wenn Sie jetzt „einen Standort“, „zwei Standorte“ oder „drei Standorte“ hineinschreiben und dann während des Prozesses allen Beteiligten klar ist, dass nur zwei Sinn machen, oder wenn innerhalb des Prozesses vielleicht klar ist, dass am Ende aufgrund der gemeinsam gefundenen Kriterien nur

ein Standort Sinn macht? - Dann steht in einem Gesetz, das man heute beschließt, dass zwei Standorte zu vergleichen sind. Na, dann viel Spaß in der Diskussion!

Deshalb sage ich: Eines nach dem anderen - Kriterien definieren, dann die einzelnen Schritte abarbeiten und dann immer wieder - demokratische Legitimation - durch Gesetz - Herr Wenzel plädiert ja für einen Beschluss des Bundestages, über den man ja nachdenken kann, um die Rechtswegemöglichkeiten nicht zu begrenzen - jeweils mit hoher demokratischer Legitimation sagen, wie es weitergeht.

Daher halte ich diese Diskussion momentan für verfehlt und gar nicht führbar, weil die Kriterien noch nicht feststehen. Am Ende muss klar sein, dass es immer ein Prozess sein muss, der auf den bestmöglichen Standort ausgerichtet ist und der auf verschiedenen Ebenen einen Vergleich ermöglicht.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Also Ver- gleich mit einem! Das ist doch alles Wünschelrute!)

- Ich will doch gar nicht sagen, dass es nur ein Standort ist. Es können genauso gut zwei sein. Nein, das ist nicht die Wünschelrute. Ganz im Gegenteil! Sie machen Wünschelrute, indem Sie meinen, heute Details zu Kriterien festlegen zu können, die Sie noch gar nicht kennen, und heute schon sagen zu können, was in 15 Jahren passiert. Das ist Wünschelrute!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das, was Sie betreiben, ist politisches Wünsch-dirwas! Deshalb ist es richtig, ganz offen zu sagen, dass das ein Prozess ist, der sich sukzessive entwickelt. Dann wird man auch Erkenntnisse haben, die uns überhaupt erst in die Lage versetzen, diese Kriterien zu definieren.

(Kurt Herzog [LINKE]: Sehr transpa- rent vor allem!)

- Herr Herzog, zu Ihrem Einwand zur Transparenz: Sie können dieses gesamte Verfahren nicht schon heute in jedem Detail festlegen. Wir haben es mit einem Prozess zu tun, der über 10, 20, 30 Jahre geht. Es wäre doch vermessen, wenn die Politik heute sagen würde, dass sie genau weiß, was in 15 oder 20 Jahren passiert.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir sind nicht vorwärts gekommen!)

Wir müssen den Prozess definieren. Das ist ein Rahmengesetz, das mit Gesetzen - und somit transparent und demokratisch legitimiert - ausgefüllt werden muss. Wir sind da auf einem guten Weg. Diesen Dingen wird in angemessener Weise und in angemessener Zeit in demokratisch legitimierten Gremien Rechnung getragen werden müssen. Aber wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als wenn wir die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten und heute schon wissen, wie es am Ende ausgeht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Kollegin Schröder-Ehlers stellt die nächste Zusatzfrage.

(Bernhard Busemann [CDU]: Sie sind doch Juristin, oder?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Birkner, wir haben vor einigen Wochen sehr intensiv über die Sicherheitsanalyse zu Gorleben debattiert. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie wollen Sie aus niedersächsischer Sicht sicherstellen, dass die Kriterien, die im Rahmen der vorläufigen Sicherheitsanalyse zu Gorleben gewonnen worden sind, jetzt im Rahmen des Abwägungsprozesses nicht dazu führen, dass sie als Präjudiz für den Standort genommen werden, sondern dass es wirklich zu einem ergebnisoffenen vergleichenden Suchprozess kommt?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister!

Die vorläufige Sicherheitsanalyse muss aus unserer Sicht - ich meine, so steht es auch im Gesetzentwurf - zu einem qualifizierten Abschluss gebracht werden.

(Kurt Herzog [LINKE]: Was bedeutet das?)

- Da kommt natürlich gleich die Frage: Was heißt denn „qualifizierter Abschluss“?

(Zurufe von der SPD)

- Lassen Sie mich doch ausreden! Ich will diese Frage ja gerne beantworten: Was heißt „qualifizier

ter Abschluss“? - Am Ende darf keine und auch keine vorläufige Eignungsaussage stehen, ob der Standort geeignet, nicht geeignet oder besser oder schlechter geeignet ist. Das darf nicht passieren, weil dadurch - obgleich das im Verfahren zunächst einmal irrelevant wäre - natürlich in gewisser Weise eine fachliche Vorentscheidung getroffen würde, die wir gerade nicht haben wollen.