Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

Meine Damen und Herren, das Land legt verfassungskonform vor.

Ich will Ihnen noch zu den Behauptungen, die Sie hier aufgestellt haben, die von Ihnen als Abgeordnete natürlich aufgestellt werden können, die aber keinesfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Staatgerichtshofs stehen,

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das wer- den wir dann ja sehen!)

aus einer Entscheidung des Staatsgerichtshofes vom 15. Mai 1996 zitieren. Verfahrensführer war damals der Abgeordnete H. M. aus Hildesheim. Das Gericht hat seinem Begehren gegen die damalige Landesregierung nicht zugestimmt.

(Zuruf: Zu Recht!)

- Oh, Sie sagen: „Zu Recht“. Das finde ich interessant. Dann führe ich einmal aus der Entscheidung des Staatsgerichtshofes aus, ich zitiere:

„Die Antragsgegnerin ist jedoch gemäß Artikel 24 Abs. 3 Satz 1 … der Niedersächsischen Verfassung berechtigt, die begehrte Aktenvorlage zu verweigern.

Nach dieser Vorschrift braucht die Landesregierung dem Verlangen nach Aktenvorlage nicht zu entsprechen, soweit dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung wesentlich beeinträchtigt würde. Die damit gezogene Schranke orientiert sich ebenso wie ihr schleswig-holsteinisches Vorbild … an der vom BVerVGE 67 … (soge- nanntes Flick-Urteil) benutzten Formulierung ‚Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung’. Danach geht der Zweck der Bestimmung dahin, im Rahmen der gewaltenteiligen staatlichen Ordnung ein Mindestmaß an Gewaltentrennung zu sichern, indem der Regierung für die interne Entscheidungsbildung ein vertraulicher, nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich garantiert wird.“

Wenn Sie weiter lesen, werden Sie sehen, dass alles das, was hier ausgeführt wurde, vom Staatsgerichtshof damals schon so festgestellt worden ist.

Ich kann Ihnen sagen, der damalige Antragsführer, Hartmut Möllring, findet auch, dass das Urteil falsch war. Er wird sich aber auch jetzt daran halten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt fragt Herr Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren, der Hinweis von Herrn Bode, dass sein Kollege Minister Möllring auch keine Akten vorlegen wird, ist zwar interessant, heute aber nicht Gegenstand. - Ich frage vor dem Hintergrund, dass Sie, Herr Minister Bode, meine erste Frage nicht beantwortet haben, noch einmal: Hat es eine Einzelfallabwägung, die verfassungsrechtlich geboten ist, und eine Begründung für die Ablehnung der Aktenvorlage gegeben, und, wenn ja, warum ist diese Begründung dann den Mitgliedern des Ausschusses nicht vorgelegt worden?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben das summarisch betrachtet!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat eine Abwägungsentscheidung gegeben, und zwar zunächst über die Grundsatzfrage, zu welchen Bereichen Akten nicht vorgelegt werden dürfen und können. Dann hat es von den Mitarbeitern im Vieraugenprinzip bei jedem einzelnen Aktenstück eine - - -

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Jetzt wa- ren es die Mitarbeiter!)

- Herr Hagenah, Sie haben schon wieder nicht zugehört! Ich habe Ihnen gesagt, es hat eine Grundsatzabwägungsentscheidung gegeben, zu welchen Bereichen Akten nicht vorgelegt werden können, weil sie nicht vorgelegt werden dürfen. Dann hat es eine Einzelfallprüfung und Abwägung durch die Mitarbeiter bei jedem einzelnen Schriftstück gegeben, ob das gesamte Schriftstück oder Teile davon unter diese Bereiche fallen oder nicht.

Das geschah nach dem Vieraugenprinzip. Die Schriftstücke, bei denen wir gesagt haben, dass nur Teilbereiche herauszunehmen sind, haben wir Ihnen zur Verfügung gestellt. Das ist nichts Ungewöhnliches und nichts anderes als das, was wir hier seit Jahren praktizieren. Ich habe Ihnen gerade aus 1993 vorgelesen, als diese Entscheidung im Kabinett getroffen wurde. Daran sollten sich die Grünen einmal erinnern.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Enno Hagenah [GRÜNE])

Die nächste und für mich erkennbar letzte Frage wird vom Kollegen Lies gestellt.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Kollege, es ist egal, wie lange man leeres Stroh drischt! Es kommt nichts dabei her- aus! Können wir das jetzt endlich be- enden? - Gegenruf von der SPD: Das bestimmen Sie bestimmt nicht!)

Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Nacke, mich fragen können, ob ich das hier beenden kann. Ich glaube, beenden können wir das nur mit einer vernünftigen Wahl und einer vernünftigen Landesregierung, die in der Lage ist, ein solches Großprojekt zu managen. Das wird die Aufgabe sein.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Lies!

(Ulf Thiele [CDU]: Er hat ja recht! Aber die Landesregierung sitzt da schon!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Minister hier ein Bild skizziert, wonach die Landesregierung sehr daran interessiert sei, das Parlament, die Abgeordneten und den Ausschuss sehr intensiv zu informieren,

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: So ist das!)

frage ich die Landesregierung - danke für das Kopfnicken, Herr Hoppenbrock, - ob Sie möglicherweise die Einschätzung der Opposition teilt,

dass nur auf Drängen der Opposition überhaupt Informationen an den Ausschuss gegeben worden sind, und ob es nicht die Fraktionen von CDU und FDP gewesen sind, die ständig versucht haben, diese Informationen zu verhindern und daraus einen formalen Weg der Zustimmung zu machen, anstatt Informationen aktuell zuzulassen. Stimmen Sie nicht möglicherweise der Opposition auch darin zu, dass es dann selbstverständlich nicht nur die Fortsetzung dieses Verfahrens ist, dass jetzt auch die Akten nicht mehr vorgelegt werden, sondern die Verschleierungstaktik dieser Landesregierung darin endet, dass dem Parlament nicht einmal mehr Akten vorgelegt werden?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Minister Bode!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt zur Kenntnis, dass Herr Lies bei der nächsten Landtagswahl CDU oder FDP wählen möchte. Das freut uns sehr. Wir wollen ja auch weiterhin gute Politik machen.

(Beifall bei der FDP - Olaf Lies [SPD]: Dann wären Sie auf unsere Stimmen angewiesen! Das wird aber nicht mehr nötig sein!)

Die Antwort auf Ihre Frage lautet Nein. Sie wissen auch, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, nicht die Wahrheit war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt gibt es noch eine weitere Frage. Es ist die letzte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie wird gestellt von Herrn Limburg.

(Jens Nacke [CDU]: Oh, noch so ein Experte! - Gegenruf von Olaf Lies [SPD]: Jens, du hast ja keine Frage gestellt! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Du weißt doch, dass du keine Rolle mehr spielst! Das weißt du doch!)

- Herr Kollege!

(Kurt Herzog [LINKE]: Herr Nacke, Sie müssen endlich einmal lernen, sich zu benehmen!)

- Meine Damen und Herren, sind wir uns einig, dass Herr Limburg jetzt die Frage stellen darf? - Das ist so. Dann fragt er bitte.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen frage ich die Landesregierung, ob sie die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes teilt, dass sie den Landtag über bereits abgeschlossene Vorgänge unterrichten muss und dass sie deshalb nur Akten zu bereits laufenden nicht öffentlichen Gerichtsverfahren verweigern kann und nicht etwa Akten zu hypothetischen, potenziellen, zukünftigen Gerichtsverfahren prophylaktisch verweigern kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss zweimal mit einem Nein antworten, allerdings nicht weil wir das Bundesverfassungsgericht kritisieren, sondern weil die Darstellung schlichtweg falsch war. Ich möchte aus der bereits angeführten Entscheidung des Staatsgerichtshofes vom 15. Mai 1996 zitieren - vielleicht beantwortet das Ihre Frage -:

„Schließlich steht dem auch nicht entgegen, dass das Verfahren abgeschlossen ist. Der Zweck, dem die Einschränkung des Aktenvorlagerechts in Artikel 24 Abs. 3 NV dient, würde vereitelt, wenn man den Geltungsbereich dieser Vorschrift auf Verfahren beschränkte, in denen der Prozess der Willensbildung noch nicht abgeschlossen ist.“

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wieder hat das, was Sie zitiert haben, gar nichts mit meiner Frage zu tun!)

- Sie haben die Frage gestellt. Das Verfassungsgericht hat nicht gesagt, dass wir über alles informieren müssen, was bereits abgeschlossen ist. Auch in abgeschlossenen Vorgängen kann es Dinge geben, die nicht vorlagefähig sind, beispielsweise

wenn es um schutzwürdige Interessen Dritter geht. Das gilt für die Abwägungsprozesse, die zu einer Entscheidung geführt haben - nicht für die Entscheidung selbst, sondern für die Abwägungsprozesse. Die Belange sind natürlich auch bei abgeschlossenen Verfahren zu bedenken. Das sagt das Verfassungsgericht, das sagt der Staatsgerichtshof, nur die Grünen sagen es nicht.