Protokoll der Sitzung vom 20.07.2012

(Detlef Tanke [SPD]: Aber nur ganz leicht! Ganz leicht! - Ingrid Klopp [CDU]: Oh, das stimmt nicht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich bin mir sicher, Herr Möllring, dass Sie Ihr Haus auch im Umgang mit der Staatskanzlei immer sehr selbstbewusst vertreten haben und die Rechte Ihres Hauses auch zu wahren versucht haben. Vor diesem Hintergrund möchte ich an den Urlaub des ehemaligen Ministerpräsidenten im März/April 2008 beim Aufsichtsratschef der Talanx, Dieter Baumgartl, erinnern, der damals auch Aufsichtsrat der Hannover Rück war.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Genau!)

In diesem Zusammenhang tauchte die Frage auf, ob es irgendwelche Gegenleistungen des Ministerpräsidenten für diesen Urlaub in Italien gab. Das wurde hier vor dem Plenum verneint, meine Damen und Herren, und jetzt stellen wir fest: Der Vorstandsvorsitzende der Hannover Rück, einer Tochter der Talanx, hat sich an den Ministerpräsidenten und an den Finanzminister gewandt und die Steuerfreistellung von Kautionsrückversicherungen im Jahressteuergesetz 2008 erbeten.

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident kam dann bei der Abstimmung im Bundesrat diesem Wunsch nach, obwohl das Kabinett anders entschieden hatte. Herr Möllring, wollen Sie uns wirklich weismachen, dass Sie - dass der selbstbewusste Finanzminister Möllring - erstens nicht

registriert haben, dass im Bundesrat anders abgestimmt wurde,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja, weil er geschlafen hat!)

und dass er zweitens das nicht zum Thema gemacht hat? Das hieße nämlich, dass Ihre Kabinettsentscheidungen das Papier nicht wert sind, auf dem die Protokolle darüber niedergeschrieben werden.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie wollen uns die Akten über das, was vorher passiert ist und was hinterher passiert ist, nicht vorlegen, aber das werden wir nicht akzeptieren. Wir erwarten schnellstmögliche Vorlage im Rechts- und im Haushaltsausschuss.

(Glocke des Präsidenten)

Erinnern möchte ich auch noch, Herr McAllister, an die aktuelle Umfrage. Nur 22 % der Niedersachsen glauben, dass Sie in angemessener Weise und in notwendigem Umfang zur Aufklärung der Staatsaffäre um den ehemaligen Ministerpräsidenten, seinen Staatssekretär, den amtierenden Finanzminister und weitere Personen beigetragen haben.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr McAllister, das sollte Ihnen zu denken geben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als Nächste hat sich Frau Flauger für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Sei haben das Wort, Frau Flauger.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren, die Hannover Rück fordert mit Schreiben vom 17. September 2007 an Finanzminister Möllring und mit Schreiben vom 18. September 2007 an den damaligen Ministerpräsidenten Wulff das Land Niedersachsen sehr deutlich auf, im Bundesrat am 21. September 2007 so abzustimmen, dass Kautionsrückversicherungen weiterhin nicht der Versicherungssteuer unterliegen. Herr Möllring hat

heute hier ausgeführt, dass das Kabinett zwar anders entschieden hatte, dass aber der damalige Ministerpräsident am 21. September im Bundesrat den Wünschen der Hannover Rück gehorsam entsprochen hat. Das sind ja gleich drei Skandale auf einmal, und ich finde, das geht nun wirklich nicht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Erster Skandal: Einmal mehr zeigt sich, dass die Landesregierung ihre Aufgabe offensichtlich darin sieht, das zu tun, was Konzernchefs wünschen, auch dann, wenn das zulasten der Staatskasse und damit zulasten des Gemeinwohls geht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Die Hannover Rück zieht am Fädchen, und die Landesregierungsmarionette hebt im Bundesrat wunschgemäß das Ärmchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das große Problem ist: Für die lassen Sie sich so am Bändchen führen, und für arbeitslose Rentner und Hartz-IV-Beziehende machen Sie das nicht. Das sind zwar viel mehr Menschen, aber die haben weniger Geld und damit offensichtlich auch weniger Macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hatte das mit der parlamentarischen Demokratie so verstanden, dass die Menschen Parteien wählen, die dann eine Regierung bilden, die dann zum Wohl der Allgemeinheit regiert. Ihr Demokratieverständnis sieht offensichtlich so aus, dass Sie als Ausführungsorgan für eine paar Konzerne da sind.

Der zweite Skandal: Sie informieren das gewählte Parlament dieses Landes scheibchenweise - immer dann, wenn etwas öffentlich wird oder gerade öffentlich zu werden droht.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Kabinettsbeschlüsse, die zur heutigen Erklärung von Herrn Möllring gehören, enthalten Sie uns vor mit der Begründung, die seien nicht hier. Ich glaube das nicht. Herr Möllring hat vor seiner heutigen Erklärung sicherlich darin nachgelesen.

Der dritte Skandal: Herr Möllring, Sie wollen uns hier weismachen, Sie hätten von diesem Vorgang nichts gewusst. Herr Möllring, Sie haben einen Tag

vor dem Ministerpräsidenten selbst einen Brief von der Hannover Rück bekommen. Und da wollen Sie nicht mitbekommen haben, dass Ihr Ministerpräsident entgegen dem Kabinettsbeschluss entsprechend dem Konzernwunsch abgestimmt hat, als für Steuern zuständiger Finanzminister in einer Steuerfrage, Herr Möllring? Ich bitte Sie! Wir sind doch hier nicht erst heute Morgen aus dem Mustopf gekrochen. Ich fordere Sie auf, legen Sie endlich vollständig die Liste Ihrer Gefälligkeiten für Ihre Auftraggeber vor.

(Starker Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat sich der Kollege Nacke für die CDUFraktion zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Nacke!

(Zurufe von der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte wirklich um Zurückhaltung, wenn es darum geht, dass Redner hier zunächst einmal auftreten. Es kann nicht sein, dass sie noch nicht ein einziges Wort gesagt haben und dass schon Stellungnahmen abgegeben werden. - Bitte schön, Herr Kollege!

(Johanne Modder [SPD]: Wir hätten nur jemand anderen erwartet!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war sicherlich, nachdem wir uns entschieden hatten, heute eine Aussprache zu führen, zu erwarten, dass die Kollegen Schostok, Wenzel und Frau Flauger auch heute erneut versuchen werden, mit Unterstellungen, Halbwahrheiten, unbewiesenen Vorwürfen und nicht begründeten strafrechtlichen Vorwürfen die Arbeit und Leistung des Ministerpräsidenten Wulff in Misskredit zu bringen. Wir kennen das ja schon.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nichts anderes versuchen Sie seit mehreren Monaten hier in diesem Hause.

Kommen wir also zu den Fakten!

(Johanne Modder [SPD]: Die Fakten sprechen eine sehr deutliche Spra- che!)

Ich erinnere an die Plenarsitzung am 19. Januar 2012. Da gab es eine Anfrage. Wir haben in dieser Plenarsitzung lange über dieses Thema diskutiert.

Ich habe das schon angesprochen. Es gab eine Frage des Kollegen Sohn zum Thema TalanxGruppe und dazu, in welcher Art und Weise die Landesregierung hierbei aktiv geworden ist. Zunächst einmal ist auf ein Gespräch mit den Personalräten hingewiesen worden. Ich weiß nicht, ob Sie damals dabei gewesen sind. - Sie nicken. Dann ist es wohl so. Ich zitiere jetzt den Finanzminister aus diesem Protokoll wörtlich wie folgt:

„Es gab damals Angst um Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche in Hannover. Durch das Engagement u. a. von Christian Wulff ist es gelungen, dass die Talanx ihren Hauptsitz von Köln nach Hannover verlegt hat, dass dadurch zusätzliche nennenswerte Arbeitsplätze hier entstanden sind und der Finanzdienstleistungsplatz Hannover gestärkt worden ist.“

Dann heißt es: „Beifall bei der CDU und bei der FDP“. - Und weiter:

„Es wäre doch widersinnig und sogar ein Verstoß gegen seinen Ministereid gewesen, wenn er gesagt hätte: Hierfür setze ich mich nicht ein, weil ich mit jemandem aus der Versicherungsbranche persönlich befreundet bin. - Nein, umgekehrt.“

Dann folgt ein Zwischenruf von Herrn Dr. Sohn: „Das alles ist unbenommen!“

(Björn Thümler [CDU]: Aha!)

Ich weise also darauf hin, dass bereits in dieser Sitzung ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass sich die Landesregierung unter Christian Wulff - das gilt natürlich auch für diese Landesregierung - ausdrücklich und nachhaltig für den Versicherungsstandort Hannover, für den Versicherungsstandort Niedersachsen eingesetzt hat, weil es dabei um Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft ging.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Ab- lenkungsmanöver! - Weitere Zurufe)