Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Beschlüsse zur Sache werden nach § 45 Abs. 5 nicht gefasst. Insofern stelle ich fest, dass damit die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Abschließende Beratung: Vertrauen statt Plagiatssoftware und Überwachung - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4573 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 16/5056

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten damit in die Beratung ein. Zunächst hat sich Frau Reichwaldt für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

(Unruhe)

- Bitte warten Sie noch einen kleinen Moment, Frau Reichwaldt! - Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein, oder verlagern Sie Ihre Gespräche nach draußen! - Vielen Dank. Frau Reichwaldt, Sie haben das Wort!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 20. Januar dieses Jahres haben die 3 066 Schulleiterinnen und Schulleiter in Niedersachsen die Nachricht aus der Landesschulbehörde erhalten, dass sie zum Stichtag 25. Januar, also nur fünf Tage später, garantieren sollen, dass es keine digitalen Kopien von Büchern oder Arbeitsblättern auf ihren Schulrech

nern gibt. Die Schulleiter sollten also eine Garantie für Zigtausend Dateien auf Computern, USBSticks, DVDs oder sonstigen Speichermedien übernehmen. Wenn nach der Abgabe dieser Garantieerklärung irgendwo irrtümlicherweise eine urheberrechtlich geschützte Buchseite auf einem Rechner gefunden worden wäre, wären die Schulleiter persönlich dran gewesen. Meine Damen und Herren, ein solcher Schnüffelaufruf ohne konkreten Verdacht ist eine Frechheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Er ist auch vollkommen wirklichkeitsfremd, weil man keinem Schulleiter und keiner Schulleiterin zumuten kann, binnen weniger Tage eine solche Garantieerklärung abzugeben.

Daher haben wir den Antrag gestellt, diese Garantieerklärung für gegenstandslos zu erklären, und den Vertrag, in dem sich das Land zu dieser absurden Aktion bereit erklärt hat, zu ändern. Ich freue mich, dass seit Antragstellung viele unserer Forderungen mehr oder weniger erfüllt sind. So ist z. B. die geplante Schnüffelsoftware vom Tisch.

Nachdem sich anfangs nur etwa zwei Drittel der angeschriebenen Schulen überhaupt zurückgemeldet haben und über 600 Schulen Vorbehalte angemeldet hatten, hat Herr Minister Althusmann seinen Fehler offenkundig eingesehen und jagt nun nicht mehr diesen Erklärungen hinterher. Die eingegangenen Erklärungen liegen jedoch weiterhin in den Akten und könnten jederzeit hervorgeholt werden. Diese Ungleichbehandlung finden wir falsch und fordern daher, dass die Erklärungen vernichtet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir müssen uns auch fragen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Meine Damen und Herren, in diesem Hause sind wohl alle einer Meinung, dass die Schule das Kreidezeitalter allmählich verlassen haben sollte und sich elektronischen Tafeln und neuen Medien öffnen muss. Dazu braucht man aber auch digitale Arbeitsmaterialien. Hier fällt uns nun das Urheberrecht auf die Füße.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, aber auch von der SPD, mit den Stimmen Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Bundestag wurde das Urheberrecht geändert. Seit dem 1. Januar 2008 können Schulen nicht mehr eigene Kopien urheberrechtlich geschützter Werke für den Unterrichtsgebrauch nutzen. Diese Änderung zulasten der Schulen ist mit Ihren Stimmen zustande ge

kommen. Mit unserem Antrag fordern wir Sie nun auf, dass dieser Unsinn rückgängig gemacht wird.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Die Lehrkräfte und die Schulleiterinnen und Schulleiter sollen Rechtssicherheit bekommen, wenn sie elektronische Medien in den Unterricht einbinden wollen. Wer Medienkompetenz zum Gegenstand des Unterrichts machen will, muss den Schulen auch alle Möglichkeiten dafür geben. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, die Garantieerklärung für gegenstandslos zu erklären, die eingegangenen Garantieerklärungen zu vernichten und auf eine Novellierung des Urheberrechts hinzuwirken, damit unsere Schulen rechtssicher weiterhin modernen Unterricht machen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Borngräber zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer satirischen Frage beginnen: Bietet uns das seit dem 1. Januar 2008 novellierte Urheberrechtsgesetz des Bundes die Möglichkeit, forciert in analoge Zeiten zurückzufallen? - Nun, meine Damen und Herren, eine offensichtlich unsinnige Anordnung des Kultusministeriums vom Januar dieses Jahres hätte dazu führen können.

Die Ausgangslage: Die Bundesländer hatten unter bayerischer Führung eine Vereinbarung geschlossen. Inhalt: Die Bildungs- und Schulbuchverlage gestatten den Schulen Fotokopien gegen Zahlung einer Pauschalvergütung durch die Länder. Der Umfang ist detailliert geregelt. Alle Lehrkräfte profitieren von dem Gesamtvertrag in zweifacher Hinsicht: Die Regelungen sind für den Unterrichtsalltag praktikabel, und Lehrerinnen und Lehrer erhalten Rechtssicherheit.

So weit, so gut, denkt man - zunächst. Im Gegenzug hatten sich die Länder gegenüber den Rechteinhabern allerdings - wie soll ich sagen? - quasi zur Übernahme von Überwachungsaufgaben verpflichtet. Unter Anderem beabsichtigten die Verlage, den Sachaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern eine Software zur Verfügung zu stellen, mit der digitale und damit nach

Urheberrechtsgesetz rechtswidrig hergestellte Kopien, also Plagiate, für den Unterrichtsgebrauch identifiziert werden sollten. Der Schultrojaner mit Regierungssegen war geboren.

Mit Segen des Kultusministers verlangte nun die Landesschulbehörde von allen Schulleiterinnen und Schulleitern eine Garantieerklärung, dass - ich zitiere - „sich auf den von den Schulen genutzten lokalen und externen Rechnern und Speichersystemen … keine Digitalisate von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken befinden“. So weit das Amtsdeutsch!

Meine Damen und Herren, Frau Heister-Neumann kennt das. Bei ihr war das der Umgang mit der Rückzahlung der Arbeitszeitkonten. Alle Verbände solidarisierten sich dagegen. Sogar der CDU-nahe Philologenverband war dabei. Götterdämmerung im Kultusministerium!

(Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Wer hat das denn auf den Weg ge- bracht?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Minister Dr. Althusmann kennt sich ja mit Plagiatssoftware zwischenzeitlich gut aus. Alle Verbände fanden das unmöglich, Landeselternrat und Landesschülerrat ebenfalls. Auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz hat seine Bedenken angemeldet.

Horst Audritz, der Chef der Philologen, sieht - ich zitiere aus dessen Pressemitteilung vom 3. Februar dieses Jahres - „neuen Ärger für Minister Althusmann“. Es heißt dort:

„Kaum eine andere von den Schulbehörden verfügte Maßnahme habe für so viel Ärger gesorgt und so viel kritische Distanzierung unter Schulleitern und Lehrkräften erzeugt wie dieser ,unsinnige‘ Vorgang, erklärte Audritz.“

Schon wieder High Noon im zuständigen Kultusministerium, meine Damen und Herren!

Nach diesem weiteren großen Sturm der Entrüstung aller Verbände hat der Herr Minister entschieden, seinen eigenen Erlass zu den eingeforderten Garantieerklärungen zurückzunehmen. Für diese Erkenntnis hat er jedoch drei Monate gebraucht. Einige Fragen bleiben allerdings bis heute offen.

Der Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 des Urheberrechtsgesetzes ist nach wie vor in seiner ursprünglichen Version auf der Homepage des Kultusministeriums

zu finden. Darin steht auf der Seite 6 in § 6 Nr. 4 - ich zitiere auszugsweise -:

„Die Länder wirken - die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software vorausgesetzt - darauf hin, dass jährlich mindestens 1 % der öffentlichen Schulen ihre Speichersysteme durch Einsatz dieser Plagiatssoftware auf das Vorhandensein solcher Digitalisate prüfen lässt.“

Ich frage den Herrn Kultusminister:

(Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Das ist keine Fragestunde!)

Wie ist das denn mit § 6 Nr. 4 dieses Vertrags? Ist er noch aktuell? - Auf Ihrer Seite steht das zumindest noch. Und wenn ja: Was nun, Herr Minister? Oder dürfen wir zügig mit einem neuen Vertrag rechnen?

Chefphilologe Audritz hat in seiner Pressemitteilung übrigens einen weiteren Befund diagnostiziert. Ich zitiere:

„… man habe den Eindruck, dass wieder einmal weder das Kultusministerium noch die Landesschulbehörde die Auswirkungen ihrer Maßnahmen in den Schulen bedacht hätten.“

Nun gut, das ist starker Tobak - sicher auch der damals äußerst angespannten Situation geschuldet. Herr Dr. Althusmann, ich glaube, dass das in Ihrem Hause nicht per se so ist.

Aber wie sieht die Situation an unseren Schulen nun wirklich aus? - An jeder Schule im Land gibt es inzwischen mindestens einen Kopierer, der digital arbeitet. Wir haben dort Drucker, auf die digital übertragen werden kann. Es gibt nicht nur in den PC-Räumen, sondern zum Teil auch in den allgemeinen Unterrichtsräumen Computer, die oft auch ans Netzwerk angeschlossen sind. Schließlich gibt es Laptopklassen und Intranetze. Wir haben vielerorts die Möglichkeit, auf alles das zurückzugreifen, was im Unterricht geschehen ist. Das zeigt ganz deutlich, dass wir uns inzwischen schon sehr, sehr viel weiter entwickelt haben.

Was auf KMK-Ebene nun unter zeitlichem Druck mit einer Regelung in einem Gesamtvertrag geschaffen wurde, ist der Realität nicht angemessen. Dort ist aus meiner Sicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden, meine Damen und Herren. Ich glaube, dass Sie, Herr Dr. Althusmann, und alle anderen Beteiligten sich der eigentlichen

Dimension nicht bewusst waren. Oder haben Sie sich etwa auf die Bayerische Landesregierung verlassen?

Meine Damen und Herren, die geforderten Garantieerklärungen der Schulleitungen und Lehrkräfte, die abgegeben werden sollten, waren jedenfalls grundfalsch.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)