Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

als auch die Privatverbraucher nicht mit Kosten für etwas konfrontiert werden, was sie sich nicht leisten können. Das vernichtet Arbeitsplätze in Niedersachsen und in Deutschland. Das würde unter Umständen dazu führen, dass eine warme Wohnung in 10, 20 oder 30 Jahren zum Luxusgut wird. Das wollen wir nicht. Deswegen fordern wir in der Zukunft mehr Wettbewerb bei der Energiewende.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Das Wort hat Herr Kollege Herzog von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Frage, die ich mir bei diesem Werk gestellt habe, war: Was wollen die Fragesteller damit eigentlich erreichen? Wollen sie Aufklärung für sich, also ihren tief hängenden Horizont liften, sich auf die eigenen Schultern schlagen, die dümpelnde Landesregierung stützen oder schlichtweg Wahlkampf betreiben? - Die Antwort kennt jeder in diesem Saal. All das ist es. Aber ich sage Ihnen: Dieser mit Regierung und Ministerium abgekartete Doppelpass ist durchschaubar und wird ins Abseits trudeln. Herr Bäumer, ich muss nichts schlechtreden - es ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von der SPD - Christian Gra- scha [FDP]: Sagen Sie einmal etwas zur Sache!)

Sie füllen ellenlange Seiten mit unglaublich vielen Wiederholungen, bieten veraltete oder gar keine Zahlen und liefern letztlich mit den mageren Antworten einen entlarvenden Überblick über fünf Jahre Energiepolitik der eingeschlafenen Hände, der falschen Weichenstellungen und der Erfolglosigkeit.

(Jens Nacke [CDU]: Eingeschlafene Hände?)

Sie tragen im Konjunktiv massenhaft Binsenweisheiten auf einen völlig unstrukturierten Haufen. Am Anfang, Herr Nacke, stinkt das Eigenlob: „Niedersachsen führend in“, „Nr. 1“. Aber schon wenn man die Zahlen auf Fläche und Einwohnerzahl herun

terbricht, ist Schluss mit der Herrlichkeit, und das Pferdeland fällt weit zurück. Selbst die erreichten 33 % an Erneuerbaren bei der Stromerzeugung werden von Mecklenburg-Vorpommern mit 85 % um Größenordnungen geschlagen.

Dabei reden Sie um alle energetischen Problemfelder herum, die den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen, um sich alle Dinosaurieroptionen letztlich offenzuhalten. Schon beim Atomausstieg mussten Sie zum Jagen getragen werden und halten sich, obwohl Sie den Begriff „Atom“ peinlichst vermeiden, bei Großkraftwerken alle Optionen offen, also auch 2022, den möglichen Rückfall in die atomfossile Steinzeit.

Der schmutzigen Kohle verpassen Sie ein weißes Gewand, aber die teure gefährliche CCS-Technik sprechen Sie mit keinem Wort an. Bei Gas und Öl wiehert das schwarz-gelbe Niedersachsenross freudig. Nach der Frackingproblematik sucht man in dem Text vergeblich. Sie halten am strompreistreibenden Irrweg in die Offshoredominanz fest und verschließen sich weiter der Zusammenarbeit mit Norwegen in der Frage intelligenter Kombikraftwerke zwischen deutscher Windkraft und Pumpspeicherkraftwerken bei den Wikingern, wie sie der Sachverständigenrat für Umweltfragen vorschlug.

Sie sind überhaupt nicht bereit, sich auf eine sinnvoll über Deutschland verteilte arbeitsteilige Energiekonzeption einzulassen, sondern pflastern Deutschland mit unnötigen Netztrassen zu, bevor die Trassen durch eine den Ländern angepasste Struktur, durch neue Leitertechnik und intelligentes Lastmanagement minimiert sind. Sie definieren kein ambitioniertes Ziel für die Windkraft an Land, z. B. durch einen nutzbaren Landesflächenanteil von 2 %.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das wol- len die Lobbyisten nicht!)

Die Wirkungsgrad steigernde Kraftwärmekopplung ist bei Ihnen schon ausgereizt: erbärmliche 7,8 % bei der Stromerzeugung. Im Vergleich dazu: In Dänemark sind es 50 %. Die örtliche Biogasanlage als Standardversorgung ländlicher Wärmeversorgung in Kombination mit Schwimmbad oder lastergänzend mit dem angrenzenden Schulzentrum - zu viel für Ihre unflexible Vorstellungskraft!

Mit Altmaier bejubeln Sie extrem unsolidarisch den Einbruch der Photovoltaik, obwohl nur wenige Jahre bis zur dezentralen, netzentlastenden, mit hauseigenen Speichern versehenen Hausversor

gung fehlen. Politische Blutgrätsche kurz vor dem Tor! Die rote Karte gibt es am 20. Januar.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie reden von der Optimierung von Rahmenbedingungen. Leider tun Sie selbst gar nichts dazu, sondern lassen sich mit der Strömung treiben und heften sich fremde Federn an den verbeulten Hut.

(Glocke des Präsidenten)

Sie sprechen von Vertrauensschutz für Investoren und hätten doch mit Ihrer Laufzeitverlängerung Stadtwerke reihenweise in den Ruin getrieben. Die Energiewende betreiben bisher allein die Praktiker, die Kommunen, die Unternehmer, Landwirte, einzelne Bürger und Genossenschaften, aber nicht Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Forschungsbereich listen Sie seitenlang die ganze zerfaserte unkoordinierte Forschungslandschaft auf, um letztlich ganze sechs konkrete Projekte anzuführen. Dabei verraten Ihre zusammengestrichenen Haushaltsansätze, dass Sie Ihre hoch gelobte Brennstoffzelle mit halbierter Fördersumme abschreiben. Forschungserfolge bei der Wasserstofftechnik kommen aus Rostock und Lausanne, aber nicht aus Niedersachsen.

Die 600 Maßnahmen der hoch gelobten Regierungskommission lassen Sie mangels Haushaltsmittel ins Nichts verpuffen. Nein, Sie fügen sich nahtlos ein in das Altmaier-Geeier. Die Bilanz dieser für die Energiewende verlorenen Wahlperiode ist absolute Magerkost: falsche Weichen, falsche Pferde, zu wenig Mittel, Kommunen ausgeblutet, nichts sagende Ergebnisse.

(Glocke des Präsidenten)

Letzter Satz, bitte!

Letzter Satz. - Sie liefern 82 Seiten mit einer Botschaft, die Ihr Umweltminister neulich auf der Pressekonferenz in folgende Worte fasste. Auf die Frage eines Journalisten „Ist die Energiewende zu schaffen?“ antwortete er „Ich weiß es nicht“. Eigentlich fehlte nur noch: Ich kann es nicht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Wenzel das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bäumer, Sie haben sich ja noch sehr bemüht, dafür zu plädieren, dass der Landtag mit einer Stimme spricht, und versucht, bei der Energiewende das Gemeinsame zu erkennen. Dann habe ich aber Ihren Kollegen von der FDP und auch den Umweltminister gehört. Dabei hatte ich doch arg das Gefühl, dass sich beide bei diesem Thema schon mitten im Wahlkampf befinden und sich mit allen möglichen Polemisierungen überhaupt nicht mehr zurückhalten können.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Zum Beispiel?)

Mich irritiert sehr, Herr Bäumer, dass wir zum ersten Mal einen Bundesumweltminister haben, dem es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu schnell geht und der jetzt plötzlich anfängt, sich beim Ausbau von Windenergieanlagen als Bremser zu betätigen. Diese Entwicklung stimmt mich sehr bedenklich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Hans-Heinrich Sander [FDP]: Realist!)

Auch CDU und FDP sind aktuell - im Gegensatz zu Ihren Äußerungen, Herr Bäumer - offensichtlich auf konträren Kursen unterwegs und können ihre verschiedenen Linien nur schwer miteinander abstimmen. Wenn man sich die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage und das Papier, das Herr Birkner offensichtlich in seiner Funktion als Parteivorsitzender zu dem Quotenmodell formuliert hat, anschaut, dann fällt schon auf, dass es offenbar auch innerhalb der Koalition ganz heftige Widersprüche gibt, die nur mühsam übertüncht werden können.

Wenn man das Quotenmodell umsetzen würde, das Herr Birkner propagiert, dann gäbe es beim Ausbau der erneuerbaren Energien für drei bis fünf Jahre eine Vollbremsung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Ausbau der erneuerbaren Energien würde schlicht und einfach gestoppt. Wir würden die Technologieführerschaft verlieren, und wir würden einem Modell das Wort reden, das deutlich teurer wäre als alle Fördermodelle, die es heute gibt. Das

Quotenmodell würde auch die Marktmacht der dominanten Energieversorger zusätzlich stärken.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wie denn? Das ist doch eine Floskel!)

Meine Damen und Herren, so kann man es garantiert nicht machen. Wir brauchen endlich eine Energieeffizienzrichtlinie, die auch die Unterstützung der Bundesregierung findet. Da muss es zu einem Kompromiss kommen. Wir können gerade in diesem Bereich, im Gebäudesektor, sehr viel sparen. Aber auch da stehen Sie auf der Bremse. Wir müssen das EEG fortschreiben und weiterentwickeln; das ist ohne Zweifel richtig. Aber wir dürfen es nicht kaputt machen; denn es ist das wirkungsvollste Instrument, das wir haben.

Wir müssen Lastverschiebungen ermöglichen, wir müssen Ausnahmeregelungen für die Unternehmen abbauen. Wir haben damals die energieintensiven Unternehmen freigestellt. Was haben Sie gemacht? - Sie sind nach der Rasenmähermethode vorgegangen. Jetzt ist sogar der Deutsche Wetterdienst freigestellt. Das ist völlig sinnlos. Lassen Sie uns über die energieintensiven Unternehmen reden, die im internationalen Wettbewerb stehen. Der Deutsche Wetterdienst hat wirklich keine Ausnahmen notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch die Managementprämie, die Sie eingeführt haben, ist überflüssig. Wir brauchen Kapazitätsmechanismen, und wir brauchen konstruktive Maßnahmen mit einem Blick für die Visionen am Horizont. Wir wollen unsere Technologieführerschaft bei den erneuerbaren Energien verteidigen. Das können wir auf die Art und Weise, auf die Sie an das Thema herangehen, nicht. Wir wissen vom Peak Oil - das ist der Preistreiber. Wir haben mit dem Einstieg in die erneuerbaren Energien aber die Spitze gebrochen; denn mit unseren Technologien werden wir am Ende Strom und Wärme aus Sonne, Wind und Bioenergie billiger produzieren können als aus fossilen Energien. Davon sind wir nicht mehr weit weg. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Die Atomindustrie war sowieso immer das Teuerste, was es gab.

(Zustimmung von Andrea Schröder- Ehlers [SPD])

Schon jetzt sind wir in einer Situation, in der wir diese technologischen Vorteile auch nutzen können, in der wir einen gigantischen Wettbewerbsvorteil entwickeln können - wenn wir auf dieser

Spur weitermachen. Aber ich sehe in der Politik, die diese Landesregierung verfolgt, Widersprüche. Man will den Weg zurückgehen, man will die Entwicklung bremsen. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine Energiewende gibt es nur mit einem Wechsel in der Politik - auch hier in Niedersachsen.

Ich danke Ihnen.