Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

Längst hätte es eine Bundesnetz AG geben müssen oder zumindest eine Beteiligung des Bundes an Tennet, um Anschlusssicherheit staatlich zu garantieren. Zur Überwindung der Anfangsrisiken wäre auch eine Minderheitsbeteiligung der KfW an den ersten großen Offshorewindparks dringend nötig, um auch die Banken mit in den Markt zu ziehen und die Risiken zu minimieren. Ihr Job wäre es gewesen, Herr Bode, Herr Birkner, Herr McAllister, bei Schwarz-Gelb im Bund für diese verlässlichen Rahmenbedingungen zu sorgen - das sind doch Ihre Parteikollegen -, anstatt jetzt mit Haltetden-Dieb-Rufen gegenüber Tennet auf die Krise zu reagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Auch hier in Niedersachsen haben Sie sich vor lauter Freude über immer neue Ansiedlungen von Offshorefirmen nicht genug um die bestehenden gekümmert. Die Nordseewerke sind ein tragisches Beispiel dafür. Jetzt verstecken Sie sich hinter der vorgeblich ganz überraschenden Negativbewertung von PwC - auch Sie, Herr Rickert. Als wäre die aus heiterem Himmel gekommen! Sie wussten doch bestimmt die ganze Zeit, wie es um die Aufträge und die Finanzierung in den Offshorebetrieben an der Küste steht! Das erwarte ich jedenfalls von einer Regierung, die für 70 Millionen Euro bürgt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD sowie bei der LINKEN - Olaf Lies [SPD]: Wir auch!)

Sie haben mit Sicherheit auch Zwischenberichte von PwC erhalten. Wozu bekommen die denn sonst das viele Geld?

Aktuell haben Sie das Unternehmen geradezu kaputt geredet, als z. B. Herr Bode sagte: Die Gefahr, dass dieses Geld nur wenige Wochen reicht und dann die Insolvenz folgt, ist uns zu groß. - Was ist das denn anderes als eine politisch herbeigeführte Insolvenz, wenn man so etwas öffentlich verkündet?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllring?

Ja, das verlängert meine Redezeit. Wo ist er denn?

(Johanne Modder [SPD]: Zweite Rei- he!)

- Zweite Reihe. - Bitte, Herr Möllring!

(Detlef Tanke [SPD]: Das trägt doch nicht zur Aufklärung bei!)

Herr Kollege Tanke, das war überflüssig!

Herr Kollege, habe ich Ihren Vorwurf so zu verstehen, dass wir den Stecker viel früher hätten ziehen und nicht weiter zu der Bürgschaft hätten stehen sollen, also über den März, über den Konkurs der SIAG AG - der Muttergesellschaft - hinaus?

Herr Kollege Möllring, Sie haben mich so etwas von falsch verstanden, dass ich das schon als bewusstes Falschverstehen interpretieren muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe gerade ausgeführt, dass ich von einer Landesregierung, die für 70 Millionen Euro Kredit eine Bürgschaft von 50 Millionen Euro übernimmt, erwarte, dass sie von dem Moment an quasi wie ein Beteiligter an der Unternehmenspolitik Anteil nimmt und durch die Schaffung von entsprechenden politischen Rahmenbedingungen in Land und Bund mit dafür sorgt, dass diese 70 Millionen Euro ein gutes Investment waren. Denn wir befinden uns in der Offshoreindustrie in einem politisch bestimmten Markt und nicht im freien Markt. Da werden nicht irgendwelche Dinge international gehandelt, sondern die politischen Rahmenbedingungen sind dafür entscheidend, dass diese First Mover Erfolg haben.

(Jens Nacke [CDU]: Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!)

In den 60er- und 70er-Jahren bei der Atomenergie haben Sie das noch ganz anders gemacht. Da haben Sie das über Steuergelder subventioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Was reden Sie denn da?)

Hier geht es darum, dass die öffentliche Hand bei der neuen, regenerativen Energie wirklich in die Haftung geht und einen Anfang ermöglicht. Die Atomenergie wäre in diesem Land ohne die öffentliche Hilfe, ohne Steuergelder auch nie realisiert worden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Insgesamt bedeutet das für die Nordseewerke: Sie haben Anfang dieses Monats mit diesen Aussagen von Herrn Bode die 70 Millionen Euro von Land und NORD/LB abgeschrieben und bieten einem möglichen Investor die damit faktisch insolventen Nordseewerke zum Rosinenpicken praktisch auf der Resterampe an. Das ist unerträglich für ein solches Unternehmen, das solche Potenziale hat! Das ist nicht zu akzeptieren! Deswegen ist diese Aktuelle Stunde heute auch so wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Landesregierung hat durch Unvermögen oder gar mangelnden Willen die Zukunftsjobs an der Küste aufs Spiel gesetzt und Steuermillionen versenkt. Das ist und bleibt Ihre Verantwortung!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Minister Bode das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung steht fest auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft. Bei den Reden der Opposition hatte ich das Gefühl, dass sie eher woandershin abgedriftet ist. Das können wir nicht begrüßen.

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Jahr 2009 hat sich ThyssenKrupp Marine Systems entschlossen, die Nordseewerke vom Standort Emden nach Hamburg zu verlagern. Das war damals ein schwerer Schlag für Emden und für Niedersachsen. TKMS hat dann die Idee entwickelt, statt einer Werksschließung einen Verkauf und eine Umstrukturierung zu einem Offshorewindenergiezulieferer vorzunehmen. Das war damals ein fordernder Weg für alle Beteiligten, aber aufgrund der

Aussichten der Branche auch eine ganz große Chance. Die NORD/LB unterstützte diesen Neuanfang mit Krediten in zweistelliger Millionenhöhe. Das Land Niedersachsen hat sich bereit erklärt, über Bürgschaften den größten Teil des Finanzierungsrisikos zu übernehmen. Eine Unterstützung in dieser Höhe ist sicherlich absolut außergewöhnlich gewesen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung im Offshoregeschäft verlief jedoch leider anders als damals angenommen, sodass die Nordseewerke bis Mitte 2011 keine Umsätze aus dem Offshoregeschäft realisieren konnten. Hinzu kam, dass die Muttergesellschaft in Schwierigkeiten geriet und Insolvenz anmelden musste. Das Land Niedersachsen hat auch in dieser Situation die Nordseewerke weiter unterstützt, sowohl bei Auftraggebern als auch bei Finanzierungspartnern. Weiterhin war das Land Niedersachsen bereit, bei einem positiven Fortführungsgutachten weitere Kreditlinien zu verbürgen.

Nun ist es aber nicht so, wie es auch hier und heute und immer wieder von der Opposition, gerade von Herrn Weil und Herrn Lies, wider besseres Wissen behauptet wurde, dass es ein positives Fortführungsgutachten gab. Das gab es nämlich nicht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Olaf Lies [SPD]: Doch!)

Vielmehr stellte FMC fest, dass unter einigen Bedingungen eine positive Fortführungsprognose besteht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie unterstellen immer, dass dieser Teil nicht darin steht. Deshalb will ich nur einen Satz aus dem Gutachten von FMC zitieren, obwohl „Streng vertraulich“ darauf steht.

(Olaf Lies [SPD]: Was ist das denn für eine Aussage, Herr Bode! Sie können doch nicht einen Satz herausgreifen! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Herr Lies, Sie behaupten immer, es gebe diese Bedingungen nicht. Das ist eine glatte Lüge! Jetzt wollen wir doch einmal zur Wahrheit kommen! Sie streuen allen Sand in die Augen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zitat: Vor dem Hintergrund ist die Sanierungsfähigkeit weiter gegeben unter den Voraussetzungen,

dass… - Dann kommt die Aufzählung der Voraussetzungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Zeigen Sie doch mal das ganze Gutachten! - Zurufe von der SPD)

Und was hat PwC festgestellt? - Auch das wissen Sie, Herr Lies, weil es Ihnen gesagt worden ist. PwC hat festgestellt, dass diese im FMC-Gutachten formulierten Bedingungen nicht, wie von FMC prognostiziert und erwartet, eingetreten sind, also nicht vorlagen. Es gab keine Möglichkeit mehr für die NORD/LB und den Landeskreditausschuss, eine positive Entscheidung zu treffen.

(Olaf Lies [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! So weit ist es doch gar nicht ge- kommen!)

- Herr Lies, Sie wissen ganz genau, dass das so war. Wider besseres Wissen behaupten Sie hier etwas anderes. Der Volksmund nennt das „Lüge“.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Olaf Lies [SPD])

Herr Lies, Sie haben weiter in Ihrer Rede behauptet, dass es den Wunsch gab, die Investitionsmittelkreditlinien in Betriebsmittelkreditlinien umzuwandeln, damit so die Liquidität sichergestellt ist. Herr Lies, das war wider besseres Wissen. Sie wissen ganz genau, dass das nicht ausreichend war und gleichzeitig ein neuer Kredit in Höhe von 2 Millionen Euro innerhalb von 24 Stunden gefordert worden ist.

(Olaf Lies [SPD]: Sie sollten hier die Antwort geben!)

Das war wider besseres Wissen. Der Volksmund nennt das „Lüge“, Herr Lies!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Legen Sie das Gutachten auf den Tisch! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Das geht so nicht!)