Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

Zweitens. Welche Überlegungen stellt die Landesregierung vor dem Hintergrund eines Zitats des Herrn Staatssekretärs Uhlig aus dem letzten Halbjahr an - wonach es in Hannover demnächst keine Hauptschulen mehr geben werde, weil die Anmeldungen fehlten -, auch im städtischen Raum, in Großstädten, Notprogramme für Hauptschulen aufzulegen?

Frau Ministerin Heister-Neumann!

Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe dargestellt, dass diese Landesregierung an dem gegliederten Schulsystem landesweit und wohnortnah festhalten wird. Deshalb ist für uns die Einheitsschule kein vernünftiges Gegenmodell zu unserer Angebotsvielfalt, wie wir sie für die Eltern vorhalten wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Sehr richtig!)

Zweitens. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Hauptschule in der

Form, in der Sie sie schlechtreden und versuchen totzureden, nicht diesen Weg gehen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe Ihnen hierzu schon einmal ein Beispiel genannt, nämlich die Hauptschule Lamspringe: vielseitiges Ganztagsangebot, kaum Gewalt und so viele Fünftklässler wie eh und je. Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Land eben sehr unterschiedliche Situationen. Diese sollten wir wahrnehmen. Unsere Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschulen werden - davon bin ich fest überzeugt - auch langfristig wirken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich fürchte, dass sie das sogar glaubt!)

Zu einer Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der von Frau Heister-Neumann angesprochenen jahrgangsübergreifenden Klassen und angesichts ihrer weiteren Aussage, dass Änderungen am Schulgesetz diesbezüglich nicht geplant seien, frage ich die Landesregierung, wie sie die Möglichkeiten der Schulen beurteilt, im Rahmen des bestehenden Schulgesetzes jahrgangsübergreifende Klassen zu etablieren.

(Björn Försterling [FDP]: Als gut!)

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Frau Flauger, das steht im Schulgesetz. Das ist ganz klar geregelt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich habe nicht gefragt, was im Schulgesetz steht! Ich habe gefragt, wie Sie das beurteilen!)

- Ich beurteile die Möglichkeit positiv, die Angebotsstruktur vor Ort tatsächlich zu erhalten. Deshalb genehmigen wir das auch. Deshalb wird das auch im Schulgesetz geregelt. Deshalb kann man davon auch Gebrauch machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Heiligenstadt von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass es hier nicht um die Einrichtung von Hauptschulaußenstellen, sondern landauf, landab um die Schließung von Hauptschulaußenstellen oder gar von ganzen Hauptschulen geht,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie viele Schließungen gibt es denn?)

angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Anmeldungen an den Hauptschulen und auch an den Realschulen drastisch nach unten geht, sodass zahlreiche Kombiklassen gebildet werden müssen, und angesichts der Tatsache, dass diese Landesregierung die Realitäten vor Ort anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen will und nur die positiven Beispiele zur Kenntnis nimmt und die Situation vor Ort überhaupt nicht mehr kennt,

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Frage!)

und angesichts der Tatsache, dass Sie sogar - - -

(Zurufe von der CDU: Frage! Frage!)

Frau Kollegin, ich darf Sie einmal unterbrechen. Angesichts der Tatsache, dass Sie keine einleitenden Bemerkungen machen dürfen, darf ich Sie bitten, jetzt Ihre Frage zu stellen.

Ja, Herr Präsident, das werde ich tun. - Und angesichts der Tatsache, dass in einigen Schulen 5., 6., 7. - - -

(Heinz Rolfes [CDU]: Jetzt reicht es aber! - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie hat keine Frage! - Weitere Zurufe)

Frau Kollegin, ich darf Sie noch einmal unterbrechen. Ich kann das so nicht zulassen. Sie müssen jetzt wirklich Ihre Frage stellen!

Ja. - Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es auch Schulen mit 5., 6. und 7. Klasse gibt, frage ich die Landesregierung - - -

Frau Kollegin, ich akzeptiere das so nicht. Ich darf Sie fragen: Kommen Sie jetzt zu Ihrer Frage oder nicht?

Ja. Wenn sie mich ausreden lassen würden, dann würde ich jetzt auch fragen.

(Widerspruch bei der CDU - Heinz Rol- fes [CDU]: Unglaublich! Unglaublich! - Unruhe)

- Ich meine die Kollegen.

Frau Kollegin, angesichts der Tatsache, dass Sie hier auch noch das Präsidium kritisiert haben, erteile ich Ihnen jetzt einen Ordnungsruf. Hier gilt die Geschäftsordnung. Einleitende Bemerkungen in der Intensität und Ausführlichkeit, in der Sie es hier getan haben, sind nicht zulässig. - Wenn Sie jetzt bitte Ihre Frage stellen wollen!

Ich frage die Landesregierung, ob sie jedes Problem vor Ort tatsächlich mit Einzelerlass regeln will oder ob sie endlich dazu übergehen will, den Schulen mehr Handlungsfreiheit zu gewähren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bekannt, dass wir in Niedersachsen aufgrund des demografischen Wandels zurückgehende Schülerzahlen haben. Als ich mein Amt im Jahr 2003 übernommen habe, hatten wir in Niedersachsen etwa 1 Million Schüler. Zurzeit haben wir etwa 900 000. In den nächsten fünf bis sieben Jahren wird diese Zahl in Niedersachsen auf 800 000 zurückgehen. Das bedeutet, dass bestimmte Schulformen, Schularten und Schulstandorte infrage zu stellen sein werden. Das ist gar keine Frage. Meine Regierung hat das anspruchsvolle Ziel, in der Fläche des Landes ein möglichst wohnortnahes, differenziertes und vielgestaltiges Schulsystem vorzuhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn die Zahl junger Leute in einigen Landkreisen unseres Landes zurückgeht, ist das eine Logik. Wir haben daneben das Ziel, mehr gymnasiale Abschlüsse, mehr Fachhochschulreife, also mehr höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen. 50 % eines Jahrgangs sollen die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, und zwar auch über allgemein- und berufsbildende Schulzweige. Wir wollen in Niedersachsen außerdem einige zusätzliche Gesamtschulen zulassen. Auch das haben wir vor der Wahl angekündigt und werden wir nach der Wahl entsprechend umsetzen.

Aus allen diesen Gründen gibt es im Bildungssystem Niedersachsens einen Veränderungszwang. Man muss hier und dort auch über differenzierte Formen sprechen, wie sie gerade eingefordert wurden. Darüber bieten wir das Gespräch ausdrücklich an.

Aber eines - deshalb habe ich mich als Ministerpräsident zu Wort gemeldet - lasse ich für die Fraktionen von CDU und FDP, die diese Regierung tragen, schlicht nicht zu: dass man in dieser launischen Art und Weise die Situation der Hauptschülerinnen und Hauptschüler sowie ihrer Lehrer und Eltern in Niedersachsen gegen die Wand fahren lässt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch Sie haben eine Verantwortung für die Hauptschule in Niedersachsen. Sie kommt darin zum Ausdruck, wie Sie mit ihr umgehen und wie Sie über sie sprechen.

(Detlef Tanke [SPD]: Wer regiert hier?)

Wir wollen, dass jeder Hauptschüler einen Abschluss bekommt. Als Sie 2003 abgebrochen hatten und ich anfing, erfüllten in Niedersachsen 10,5 % aller Schüler die Schulpflicht ohne Schulabschluss. Das war ein Skandal sondergleichen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Kann man die einleitenden Bemerkungen bei den Antworten auch abschaffen?)

Davon sind knapp die Hälfte Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen, die zum Teil gleiche Abschlüsse wie die Schulen für geistig Behinderte haben. Diese eigenen Abschlüsse gelten nicht als Abschlüsse des allgemeinbildenden Bildungswesens. Deswegen sind auch Schüler mit solchen Abschlüssen in diesen 10,5 % enthalten.

Wir haben inzwischen die Zahl der Schülerinnen und Schüler fast halbiert, die ohne Abschluss die Schulen verlassen, weil nahezu jede Hauptschule von uns einen Schulsozialarbeiter bekommen hat und weil nahezu jede Hauptschule jetzt eine Ganztagsschule ist. Das ist Ihnen natürlich unangenehm.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und den GRÜ- NEN)

- Die Statistiken sind hier eindeutig: Nahezu jede Hauptschule in Niedersachsen ist inzwischen Ganztagsschule.