Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

- Die Statistiken sind hier eindeutig: Nahezu jede Hauptschule in Niedersachsen ist inzwischen Ganztagsschule.

(Zuruf von Heinrich Aller [SPD])

- Mein lieber Kollege Aller, wenn Sie es als Finanzminister nicht hinbekommen haben, die Stellen für Hauptschulsozialarbeiter zu dotieren, dann ist das Ihr Problem. Darüber können Sie sich jetzt zu Recht aufregen. Aber lassen Sie jetzt erst einmal die Antwort auf sich wirken, damit wir gemeinsam im Interesse der Schülerinnen und Schüler unseres Landes vorankommen. Das ist unsere Aufgabe, nicht aber dieser parteipolitische Hickhack hier.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben inzwischen an jeder Hauptschule von Klasse 5 bis Klasse 9 bzw. 10 fünf Stunden Mathematik und fünf Stunden Deutsch in der Woche. Wir machen jetzt ein Förderprogramm mit der Bundesagentur für Arbeit, mit Herrn Weise, über das wir im Dezember wieder mit den Hauptschulen diskutieren. Die Durchschnittsnote in den Hauptfächern der Hauptschülerinnen und Hauptschüler ist um 0,8 Prozentpunkte besser geworden. Das heißt, diese Schüler werden individuell gefördert. Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Schüler schwierige Hintergründe haben: Sie hatten keine Ganztagsangebote in der Grundschule, als Sie regiert haben, sie hatten damals keine frühkindliche Bildung und keine Sprachförderung. Zum Teil sind sie gerade aus dem Ausland gekommen und leben hier erst wenige Monate.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt nicht! Hanebüchen!)

- Die Hauptschüler, die wir heute in den Klassen 8 und 9 haben, Herr Jüttner, hatten in Ihrer Regierungszeit keine Sprachförderung, keine frühkindliche Bildung und kein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr, wie es jetzt der Fall ist. Sie hatten schlicht und einfach schlechtere Startchancen als

die jungen Leute jetzt, da wir regieren. Das ist die Wahrheit!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ihnen war die Hauptschule schnurzpiepegal. Sie haben sie kaputt geredet, Sie haben andere Schulformen begünstigt und wundern sich jetzt, dass Eltern Bedenken haben, ihre Kinder zur Hauptschule zu schicken. Wir stehen zur Hauptschule.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Das laute Pfeifen im Walde!)

Ich erteile der Abgeordneten Weddige-Degenhard von der SPD-Fraktion das Wort zu einer Zusatzfrage.

(Heinrich Aller [SPD]: Er gibt hier eine Regierungserklärung ab! - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie kriegen die Antwort, die Sie verdient haben! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

- Ich bitte um Ruhe, damit die Kollegin ihre Zusatzfrage stellen kann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wenn dieses Thema den Ministerpräsidenten hier so in die Bütt bringt,

(Zuruf von der SPD: Treibt!)

dann ist das schon bezeichnend. Trotzdem bleibt es bei der Tatsache, dass wir gute Hauptschulen haben, aber niemand dorthin geht. Was passiert im Lande Niedersachsen an den Stellen, an denen Schulen Schulversuche für mehr Zusammenarbeit beantragen, sie aber trotz der Aussagen der Ministerin nicht genehmigt bekommen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Entschuldigung, Herr Präsident, aber wer für die Landesregierung antwortet, darf die Landesregierung entscheiden. Deshalb habe ich mich erneut zu Wort gemeldet. So ist die Verfassungslage.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dann können Sie ja bald noch eine Stelle einspa- ren!)

Manchmal frage ich mich, was Hauptschulklassen, die ich immer als sehr motiviert und engagiert erlebe, sagen würden, wenn sie Sie als Haufen hier beobachten könnten. Das muss ich Ihnen wirklich einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Eine Unver- schämtheit ist das! Sie sollten sich als Ministerpräsident schämen! Sie sollten sich wirklich schämen! - Weitere Zuru- fe - Unruhe)

Die Art und Weise, wie Sie mit Menschen in Niedersachsen umgehen, den engagierten Lehrern und den engagierten Schülern - - -

(Heiner Bartling [SPD]: Da liegen die Nerven blank bei diesem Herrn! - Det- lef Tanke [SPD]: „Haufen“ ist hier ge- sagt worden! Was glauben Sie, was Hauptschüler von Ihnen denken, wenn sie „Haufen“ hören? - Anhaltende Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, darf ich kurz unterbrechen? - Herr Kollege Tanke, es kann sein, dass Ihnen die Antworten hier nicht passen. Aber Sie dürfen den Ablauf der Plenarsitzung hier nicht durch Ihre Zwischenbemerkungen stören. Sie haben nachher auch die Möglichkeit, sich hier zu Wort zu melden. - Ich bitte nun den Ministerpräsidenten, mit seinen Ausführungen fortzufahren.

Wie soll ein Schüler oder eine Schülerin der FelixNussbaum-Hauptschule in Walsrode, an die 436 Schülerinnen und Schüler gehen, die Fragestellung einer Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags verstehen, dass wir über eine Schulform reden, an die keiner geht? Es ist gerade gesagt worden: und keiner geht hin. - An die Hauptschule Walsrode gehen 436 Schülerinnen und Schüler. Sie haben ebenso den Schutz des Parlaments verdient.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Schülerinnen und Schüler haben es nicht verdient, dass auf ihrem Rücken und zu ihren Lasten Klamauk gemacht wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD] meldet sich zur Geschäftsordnung)

Wir haben Hauptschulen in Georgsmarienhütte und an anderen Orten, etwa im Emsland, wo sich die örtliche Wirtschaft - der Mittelstand, die Kreishandwerkerschaft - um jeden einzelnen Schüler dieser Schulen kümmert, damit sie einen möglichst guten Bildungsweg beschreiten. Dass es in bestimmten Städten, in denen Sie politisch den größten Einfluss haben, inzwischen eine Debatte gibt, in der sich kaum noch jemand außer uns hinter die Hauptschule stellt, das bestreite ich nicht. Deswegen gibt es dort auch kaum noch die Hauptschule. Aber in weiten Teilen des Landes gibt es eine erfolgreiche Hauptschularbeit. Wir lassen diese Schulen nicht im Stich und nicht im Regen stehen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Welche Frage beantworten Sie eigentlich? Sie missbrauchen die Geschäftsordnung! Sie halten hier Reden, gehen aber nicht auf die Fragen ein!)

Nun zu der Frage: Es gibt unterschiedliche Formen von Schulversuchen, und es gibt auch eine begrenzte Zahl von Schulversuchen. Beides ist typisch für einen Versuch, um den jeweiligen Ausgang zu bewerten und zu evaluieren und dann daraus Konsequenzen zu ziehen. Deswegen kann im Lande die Ministerin bzw. die Landesregierung nicht jeden beantragten Versuch zu jeder Zeit und in jeder Zahl bewilligen. Wir wollen mit den Schulversuchen - deswegen heißt es „Versuch“ - Erfahrungen sammeln, um anschließend bestimmte erfolgreiche Versuche mit der Kooperation von Haupt- und Realschulen, mit jahrgangsübergreifendem Unterricht möglicherweise flächendeckend auf das Land auszuweiten. Das ist der Sinn und Zweck von Schulversuchen. Deswegen kommt es gelegentlich auch zur Ablehnung beantragter Schulversuche.

Aber die Offenheit dieser Regierung, unterschiedliche Wege in diesem Land zu gehen und dabei die jeweilige örtliche Situation zu berücksichtigen, beweisen wir gerade im Landkreis Schaumburg durch die Zulassung mehrerer Gesamtschulen sowie in der Landeshauptstadt Hannover, in der das Regelschulsystem des Landes ohnehin so gut wie nicht aufrechterhalten ist. An dieser Flexibilität wird diese Regierung festhalten, weil es uns um die Schüler, Eltern und Lehrer geht und nicht um Ideologie in der Bildungspolitik.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der LINKEN - Hans-Henning Adler [LINKE]: Es geht Ihnen um Ideologie!)

Mir liegen Wortmeldungen zur Geschäftsordnung vor. Da ich vermute, dass hier gegebenenfalls kritisiert werden soll, dass die eine oder andere Antwort nicht durch die Fragestellung abgedeckt ist, bitte ich, die Fragestellung unter Tagesordnungspunkt 14 b zu verinnerlichen: „Wie soll kleinen Haupt- und Realschulen und alleinstehenden Hauptschulstandorten insbesondere im ländlichen Raum dauerhaft geholfen werden?“

Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Kollegen Bartling von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für eine bisher nicht vorgekommene Unterschämtheit eines Regierungsmitgliedes, eines Regierungschefs,

(Zurufe von der CDU: Hey, hey!)

eine Fraktion in diesem Landtag als „Haufen“ zu beschimpfen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wer sich solche Entgleisungen erlaubt,

(Oh! bei der CDU)

bei dem müssen die Nerven schon blank liegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - La- chen bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch im Hinblick auf das, was hier in der Fragestunde wieder festzustellen war, dass nämlich Regierungserklärungen abgegeben wurden, beantrage ich eine Sitzung des Ältestenrates heute in der Mittagspause.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zur Geschäftsordnung erteile ich der Abgeordneten Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den verbalen Entgleisungen des Ministerpräsidenten hat Herr Bartling hier ausreichend vorgetragen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass ich es wirklich unerträglich finde - das ist in dieser Debatte eben wieder einmal deutlich geworden -, was es eigentlich bedeutet, was hier in der Geschäftsordnung zu den Dringlichen Anfragen von den Mehrheitsfraktionen beschlossen worden ist.