Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

Viertens. Sie haben von neuer Brutalität gesprochen. Dann beweisen Sie einmal, dass es die gibt. Letztes Jahr auf dem Jugendgerichtstag in Hannover haben wir diese Debatte geführt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die CDU da überhaupt vertreten gewesen wäre. Da hat Professor Walter aus Köln gesagt: Haben wir mehr Brutalität in der Jugendkriminalität? Nein, es gibt keine empirischen Daten dafür. - Also behaupten Sie das doch nicht immer wieder und sagen Sie nicht, auf dem Schulhof werde mehr geprügelt, wenn Sie das nicht untermauern können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Fünftens. Kennen Sie überhaupt den Strafrahmen des Jugendgerichtsgesetzes? Bei schweren Kapitalverbrechen sind zehn Jahre Vollzug möglich.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist doch kein Problem. Es kann sogar nachträglich Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Tun Sie nicht so, als ob der Strafrahmen zu eng wäre!

Der letzte Satz, den ich dazu sagen möchte: Natürlich sind die Gerichte in Niedersachsen nicht anständig ausgestattet. Sie mussten sogar einen schweren Kapitalverbrecher aus der U-Haft in Hannover entlassen, weil das Gericht die entsprechende Verhandlung nicht durchführen konnte.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist jetzt abgelaufen. Sie haben schon überzogen.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich komme damit zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drucksache 16/49 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Bevor ich zum nächsten Tagesordnungspunkt komme, erteile ich dem Kollegen Wenzel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Dürr hat mir beim letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause vorgeworfen, ich hätte Informationen aus der Sondersitzung des Umweltausschusses verschwiegen und die Asse für politische Ziele missbraucht. Er hat dann gesagt:

„Ich möchte aus der Antwort des Bundesumweltministers auf die schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Walter Hirche vom 16. Mai 2002 und dort insbesondere zu der Antwort auf die Frage, wie mit den Laugenzutritten umgegangen werden soll, zitieren. Herr Trittin hat auf diese Frage geantwortet:“

Dann folgt der Text der Antwort.

Ich stelle dazu fest: Anders als von Herrn Dürr behauptet, existiert keine Bundestagsdrucksache vom 24. Mai 2002, in der der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin zu Fragen bezüglich der Schachtanlage Asse Stellung nimmt. Bei der von Herrn Dürr offenbar gemeinten Initiative handelt es sich um eine vom Staatssekretär des seinerzeit SPD-geführten Forschungsministeriums bearbeitete Anfrage. Dürrs Behauptung ist somit falsch und entspricht nicht der Wahrheit.

Es war vielmehr so, dass 1995 zwischen Frau Merkel und Herrn Minister Rüttgers vereinbart wurde - mit Zustimmung der SPD-geführten Niedersächsischen Landesregierung -, nach Bergrecht zu verfahren und die Zuständigkeit auf das BMBF zu

verlagern. Diesem Vorgang hat damals auch die FDP-Bundestagsfraktion zugestimmt.

So weit meine persönliche Erklärung. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe dann Tagesordnungspunkt 20 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Niedersächsischen Technischen Hochschule (NTHG) und zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/410

Ich erteile Herrn Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat der von allen immer wieder gelobten Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen beginnen:

„Unstrittig ist auch, dass eine Weiterentwicklung und Veränderung erforderlich ist, um die Natur- und Ingenieurwissenschaften in Niedersachsen konkurrenzfähiger zu machen. Diese sehr große Herausforderung sollte mutig und weniger zaghaft angegangen werden.“

So der Bericht der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen, der im Rahmen der Loccumer Tagung zu diesem Thema im Januar 2006 abgedruckt worden ist.

Meine Damen und Herren, ich darf in Erinnerung rufen, dass diese Aussage Gründe hat: Die Ergebnisse der niedersächsischen Universitäten in den Ingenieur- und Naturwissenschaften in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder waren insbesondere in der ersten Runde nicht besonders zufriedenstellend. Zwar hat Niedersachsen besser abgeschnitten, als mancher von uns vielleicht vorausgesagt hatte. Das gilt aber eben nicht für die Ingenieurwissenschaften.

In dieser Bewertung sind - das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen - das MWK und die Präsidenten der Technischen Universitäten in Braunschweig und Clausthal sowie der Leibniz-Universität Hannover absolut einig. Es gibt auch keine unterschiedlichen Meinungen zu der Schlussfolgerung. Diese Schlussfolgerung lautet: Die vorwiegend technisch und naturwissenschaftlich orientierten Universitäten des Landes müssen durch Kooperation und komplementäre Schwerpunktsetzung und Profilbildung die strategische Zusammenarbeit verbessern, um dadurch künftig konkurrenzfähiger zu werden.

Vor diesem Hintergrund traten die drei Präsidenten nach einem Workshop der bereits erwähnten Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen im Januar 2006 - der übrigens in Anwesenheit des damals gerade aus dem Amt geschiedenen Präsidenten der wahrscheinlich besten Universität Europas, nämlich der ETH Zürich, stattgefunden hat - mit dem Wunsch an das Ministerium für Wissenschaft und Kultur heran, gemeinsam eine NTH zu bilden und diese auch - das ist wichtig - gesetzlich abzusichern. Damit war die Auffassung verknüpft, dass sich die Politik durch eine gesetzliche Absicherung stärker binde und damit eine Art Unumkehrbarkeit dieses Prozesses gewährleistet werde. Die wissenschaftlichen Aktivitäten in den einbezogenen Fächern und Fächergruppen sollten mehr als bisher arbeitszeitig organisiert werden, um durch die Bildung standortübergreifender wissenschaftlicher Zentren eine Konzentration der wissenschaftlichen Exzellenz zu erreichen. Kurz gesagt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wissenschaftliche Exzellenz insbesondere in den so genannten MINT-Fächern entsteht in aller Regel nur dort, wo quantitativ eine kritische Masse erreicht und inter- und transdisziplinär zusammengearbeitet wird.

Ich will an dieser Stelle eines sehr deutlich betonen: Unsere Wettbewerber befinden sich nicht in Niedersachsen. Unsere Wettbewerber befinden sich mittlerweile in der ganzen Welt. Sie befinden sich in China, in Shanghai und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie befinden sich auch in der Schweiz mit der ETH oder, wenn ich die RWTH Aachen erwähnen darf, in Nordrhein-Westfalen oder in Bayern mit der TU München. Wenn wir das in Niedersachsen und in Norddeutschland nicht begreifen, werden wir in Zukunft nicht wettbewerbsfähig sein können.

(Beifall bei der CDU)

Der Wunsch, zu einer NTH zu kommen, basierte auch auf den Erfahrungen, die die drei Präsidenten mit einem lockeren Zusammenschluss, der 2001 ins Leben gerufen wurde, dem sogenannten Consortium Technicum, gemacht hatten. Auch dieses Consortium Technicum hatte schon das Ziel, zu einer arbeitsteiligen Abstimmung zu kommen, hat sich aber nach Auffassung aller als stumpfes Schwert erwiesen. Deshalb ist das Bedürfnis entstanden, mit der NTH eine Schärfung dieses Schwertes vorzunehmen.

In der gemeinsamen Erklärung vom April 2007, die die Präsidenten der drei Mitgliedsuniversitäten und ich unterzeichnet haben, wurde dieses Ziel formuliert und der Prozess der Errichtung der NTH initiiert. In einem Lenkungskreis mit den Präsidenten der Mitgliedsuniversitäten und Vertreterinnen und Vertretern des MWK wurden Rechtsform, Organisation, Leitungsstruktur sowie Zuständigkeit und Aufgaben der NTH sehr intensiv erörtert.

In diesen Runden wurden trotz des unstrittig gemeinsamen Ziels der Errichtung einer NTH natürlich auch Bedenken formuliert und miteinander diskutiert. Auch Befürchtungen sind laut geworden, was aber in Fällen vergleichbar tief greifender Veränderungen immer der Fall und völlig normal ist. Sie haben nie etwas daran geändert, dass es eine grundsätzliche Zustimmung aller Präsidenten zu diesem Gesetzentwurf gab. Das beinhaltete und - so hoffe ich - beinhaltet auch die gefundenen Kompromisse.

Der in Gang gesetzte Prozess wird deshalb auch von der WKN ausdrücklich begrüßt. Ich darf aus dem Ergebnisprotokoll der 22. Plenumssitzung der WKN am 10. März dieses Jahres zitieren:

„Die WKN sieht den Prozess zur Bildung der NTH als maßgeblich für die zukünftige Entwicklung der Ingenieur- und Naturwissenschaften in Niedersachsen an. Nach Einschätzung der WKN muss der Prozess zügig vorangetrieben werden, um insbesondere die Ausgangsposition der niedersächsischen Ingenieurwissenschaften vor der nächsten Runde der Exzellenzinitiative zu verbessern und zu festigen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren in Niedersachsen wirklich vorzeigbare Erfolge erzielt. Darauf sind wir stolz. Diese Erfolge konnten vor allem dort erzielt werden, wo es die Bereitschaft zu einer wirklichen arbeitsteiligen Zusammenarbeit gegeben hat. Ich bin davon

überzeugt: Wenn es diese wirkliche arbeitsteilige Zusammenarbeit für die NTH künftig geben wird, wird die NTH zu einem wirklichen Erfolgsprojekt werden. Deshalb setze ich mich mit aller Kraft und allen Argumenten dafür ein. Das sind wir der Sache und unserem Land schuldig. Das sind wir aber auch denen schuldig, die vor allem in Braunschweig und Clausthal trotz natürlich auch dort vorhandener Ängste und Bedenken nach wie vor zum Ziel und zu den gefundenen Kompromissen stehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch an der Seite derjenigen stehen, die vor allem die Chancen solcher Projekte sehen! Lassen Sie uns doch nicht den Bedenkenträgern hinterherlaufen! Dies wäre der falsche Weg für die Gestaltung unserer Zukunft.

Ich räume allerdings auch ein, dass mich nach anderthalb Jahren konstruktiv geführter Gespräche und Diskussionen, die nie zu einer Infragestellung des Ziels NTH geführt haben, die öffentlich geführte Diskussion der letzten Wochen hier in Hannover überrascht und im Hinblick auf bestimmte Stilfragen auch sehr nachdenklich gemacht hat. Dazu nur ein Beispiel von heute. Es geht um die Berufung des Physikers Reinhard Werner, der zum Sommersemester aus Braunschweig nach Hannover wechselt und jetzt hier im Bereich „Quest“ tätig ist. Dabei geht es um Gravitationswellenforschung - ein hochinteressantes Thema -, die Entstehung des Universums, das, was jetzt auch in Genf am CERN erforscht werden soll. Dazu schreibt die HAZ von heute:

„Werner hatte aus persönlichen Gründen einen Ruf nach Cambridge ausgeschlagen - ihm sei aufgrund ‚politischen Willens’ nur die Wahl geblieben, nach Hannover umzusiedeln, berichtet ein Kollege.“

Demgegenüber heißt es in der HAZ vom 18. Juli dieses Jahres, also von vor gerade einmal zwei Monaten, unter der Überschrift „Hannover sticht Cambridge aus“:

„‚Das Angebot aus Hannover war einfach gut’, sagt Werner. Er hat die Zusage, dass neben seiner Professur eine weitere Professorenstelle für sein Fachgebiet geschaffen wird, auch eine Juniorprofessur aus Braunschweig kann er an die Leibniz-Uni mitbringen.

Drei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter und neun Doktorandenstellen gehören zudem zur personellen Ausstattung von Werners Professur am Institut für Theoretische Physik.“

Herr Barke, Präsident der Universität Hannover, wird wie folgt zitiert: „Die Berufung“ - von Herrn Werner - „wäre ohne die vom Wissenschaftsministerium angeschobene Niedersächsische Technische Hochschule (NTH) nicht möglich gewesen“. - Ich finde das bemerkenswert.

(Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, der eigentliche Skandal ist doch die parteipolitische Instrumentalisierung dieses wichtigen Zukunftsprojektes.

(Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Genau!)

Zunächst, lieber Herr Jüttner, wird eine Initiative zur Errichtung der NTH von fast allen im Landtag vertretenen Parteien grundsätzlich als richtig und zukunftsweisend bezeichnet. Ersparen Sie mir doch bitte, die Zitate aus Zeitungen hier zu nennen, die die SPD sozusagen in eine befürwortende Rolle bringen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Und das sind alles keine Parteipolitiker!)