Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wir ha- ben heute ja nichts anderes vor, Herr Präsident! Wir bleiben hier!)

Frau Kollegin Staudte!

Herr Minister, Sie haben sehr viele verschiedene repressive Maßnahmen angekündigt, was den Alkoholkonsum von Jugendlichen angeht. Halten Sie es für ausreichend, dass das Land bisher nur vorgesehen hat, 60 000 Euro zu investieren für die präventiven Maßnahmen, die das Projekt HaLT anbietet?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Gerade im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch gibt es in den Präventionsräten auf kommunaler Ebene eine Fülle von phantastischen Maßnahmen.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Ich bin gerade durchs Land gereist und habe mich über entsprechende Projekte informiert. Hier nur auf ein einziges Projekt zu gucken, wäre völlig falsch. Vor Ort wird hervorragende Arbeit geleistet. Man sollte die Projekte, die in einigen Kommunen schon erfolgreich laufen, einmal ausführlich darstellen, damit sie insgesamt im Land umgesetzt werden. Prävention ist hier ganz wichtig. Man kann nicht nur von einem Projekt sprechen, sondern es sind sehr viele Maßnahmen notwendig, und die werden zum Teil schon umgesetzt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Für Prä- vention sind also Ihrer Meinung nach die Kommunen zuständig - nicht das Land?!)

Die nächste Zwischenfrage stellt der Kollege Limburg.

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, auch bei meiner Frage geht es um den Alkoholkonsum von Jugendlichen, den Sie zu Recht angeprangert haben. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die fatale Signalwirkung, die davon ausgeht, dass der Herr Ministerpräsident Wulff demonstrativ 600 l Freibier ins Kosovo fliegen lässt? - Ich kenne noch viele andere Beispiele, Herr Schünemann, will aber nur noch ein weiteres nennen: Auf dem Niedersachsentag der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU, wurde abendelang literweise Frei

bier für alle ausgeschenkt. Wie bewerten Sie die Signalwirkung, die von so etwas ausgeht?

(Beifall bei den GRÜNEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das nennt man Vor- bildfunktion!)

Herr Minister!

(Unruhe)

- Erst wenn wieder Ruhe einkehrt, hat der Herr Minister die Möglichkeit, Stellung zu nehmen.

Unsere Bundeswehrsoldaten machen einen hervorragenden Job, gerade im Ausland, in Afghanistan ebenso wie im Kosovo.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ich habe mir selber angeschaut, was im Kosovo geleistet wird.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Stimu- liert mit Alkohol?)

- Sie sollten am besten einmal selbst hinfahren! Dann würden Sie sehen, unter welch schwierigen Bedingungen dort gearbeitet wird. Wenn sich ein Ministerpräsident dort bedankt und außerhalb des Dienstes mit den Soldaten ein Glas Bier trinkt, dann ist das meiner Ansicht nach genau die richtige Anerkennung. Das hat mit dem Thema, über das wir hier reden, überhaupt nichts zu tun.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Kreszentia Flau- ger [LINKE])

- Entschuldigen Sie, aber jetzt bin ich wirklich stocksauer. Wir reden hier über Jugendkriminalität. Schauen Sie sich bitte einmal die Bilder von Kindern an, die Alkohol trinken, manchmal drei, vier oder fünf Liter Bier oder sogar Wodka und anderes. Wir machen uns insofern Sorgen und überlegen, wie wir das in den Griff kriegen können, und Sie stellen so lächerliche Vergleiche an wie den mit dem Verzehr von 600 l Freibier. Wo kommen wir denn da hin?

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin froh, dass in den Präventionsräten vor Ort eine andere Qualität der Diskussion vorherrscht.

(Beifall bei der CDU)

Aber die Maßnahmen, die bislang getroffen worden sind, reichen noch nicht aus; denn sonst hätten wir die Problematik ja nicht. Auch wenn das Problem hier unterschiedlich gesehen wird, sage ich: Wir müssen an die Ursachen heran. Wir können nicht akzeptieren, dass im Supermarkt an Kinder und Jugendliche im Alter von 14 oder 15 Jahren Alkohol, sogar Wodka, verkauft wird. Deshalb muss man im Rahmen eines Gesamtkonzepts auch über Testkäufe von Jugendlichen nachdenken, weil man dieses Problem nur so lösen kann. Im Bereich Glücksspiel dürfen wir so etwas machen, im Bereich Alkohol bisher nicht.

Ich werde nicht akzeptieren, dass wir das so hinnehmen, weil wir sonst den Jugendlichen keine Zukunftsperspektive geben. Das sage ich nicht nur, weil der Verzehr von Alkohol gesundheitsgefährdend ist, sondern auch, weil damit Straftaten in Verbindung gebracht werden.

Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn wir uns sehr viel mehr genau an das halten, was hier immer gesagt wird, und die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Gerade in dem Zusammenhang ist der Dreiklang „Integration, Prävention und Repression“ doch genau richtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Landesregierung hat sehr ausführlich Stellung genommen. Mit Blick auf die Restredezeit und gemäß § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung erteile ich der Abgeordneten Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort für zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Sache kann ich hier wirklich nicht stehen lassen, nämlich dass sich Herr Schünemann hier als Retter der Kinder und Jugendlichen in unserem Lande aufführt. Das geht überhaupt nicht. Tut mir leid!

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Herr Schünemann, ich kenne die Intensität Ihrer Politik.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Darum geht es doch gar nicht! Sie sprechen von der Intensität neuer Straftaten. Dazu will ich noch einmal den Juristen Wolfgang Heinz zitieren. (Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Marx ist tot!)

Dieses Zitat stammt vom Januar dieses Jahres. Natürlich geht es wieder um Jugendliche und Straftaten:

„Ein … Beleg ist ein Bericht des Bundesverbands der Unfallkrankenkassen. Bei denen muss jeder Unfall auf dem Schulgelände, aufgrund dessen ein Arzt aufgesucht wird, gemeldet werden. Aus dem Bericht geht hervor, dass in den letzten 15 Jahren Unfälle, die zu Verletzungen geführt haben, nicht zugenommen haben. Gerade Jugendkriminalität wird unnötig dramatisiert.“

(Björn Thümler [CDU]: Sie verharmlo- sen! - Ingrid Klopp [CDU]: Das gibt es doch wohl nicht!)

Herr Schünemann, was Sie mit diesem Antrag wollen, geht in eine ganz klare Richtung. Die ist hier auch schon benannt worden; ich will das nicht wiederholen. Was ich mir von Ihnen, Herr Schünemann, wünsche, ist eine ganz neue Intensität Ihrer Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Briese für anderthalb Minuten das Wort.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Briese, helfen wenigstens Sie dieser Veran- staltung weiter!)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte noch einmal fünf Punkte anmerken.

Erstens. In diesem Antrag steht überhaupt nichts von Alkoholkonsum und Jugendlichen. Es wurde gerade in der Debatte kritisiert, wir wollten diesen Antrag nicht diskutieren. Das sprichwörtliche Fass haben Sie aufgemacht, Herr Schünemann!

Zweitens. Warum melden immer Sie sich sehr lauthals zu dem Problemkreis „Jugendliche, Sucht und Gesundheit“ zu Wort? Warum macht das nicht die Gesundheits- und Jugendministerin Ross-Luttmann?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Warum macht das immer der Innenminister, immer unter der Konnotation „Da müssen wir sehr viel härter ran“? Warum macht das nicht die Fachministerin? Das würde mich wirklich interessieren.

Drittens. Natürlich dürfen Erwachsene Alkohol trinken; das ist doch gar keine Frage. Aber Sie fordern immer Werte und Vorbilder ein. Es sei ganz wichtig, dass die Erwachsenenwelt ein gutes Vorbild für die Jugend ist. - Dann handeln Sie auch danach! Dann seien Sie ein gutes Vorbild für Jugendliche!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aber sagen Sie nicht: Die Erwachsenenwelt kann mit Alkohol ganz locker umgehen; da ist das alles gar kein Problem. Aber bei Jugendlichen ist es ein gigantisches Problem!

Viertens. Sie haben von neuer Brutalität gesprochen. Dann beweisen Sie einmal, dass es die gibt. Letztes Jahr auf dem Jugendgerichtstag in Hannover haben wir diese Debatte geführt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die CDU da überhaupt vertreten gewesen wäre. Da hat Professor Walter aus Köln gesagt: Haben wir mehr Brutalität in der Jugendkriminalität? Nein, es gibt keine empirischen Daten dafür. - Also behaupten Sie das doch nicht immer wieder und sagen Sie nicht, auf dem Schulhof werde mehr geprügelt, wenn Sie das nicht untermauern können.