Protokoll der Sitzung vom 09.11.2012

Letzter Satz, bitte!

- - - die angeblich als Wirtschaftsflüchtlinge darauf abzielen, unsere Sozialsysteme auszunutzen.

So wurde das Klima geschaffen, das zu RostockLichtenhagen geführt hat und den Asylsuchenden heute noch entgegenschlägt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der nächste Redebeitrag kommt vom Kollegen Oetjen für die FDP-Fraktion. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade heute, am 74. Jahrestag der Reichspogromnacht, ist es wichtig, dass wir ein gemeinsames Signal aus dem Niedersächsischen Landtag geben, das da lautet: Rechtsextremisten haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und dürfen auch nie wieder einen Platz in unserer Gesellschaft haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Deswegen bedaure ich es, dass wir aufgrund von semantischen Unterschieden nicht dazu gekommen sind, einen gemeinsamen Antrag zu verabschieden. Ich bin trotzdem froh, dass alle Rednerinnen und Redner hier am Pult deutlich machen, dass wir gemeinsam gegen die NPD und gegen das Gedankengut, das ja nicht dadurch verschwindet, dass man eine Partei verbietet - auch diesbezüglich sind wir uns einig -, kämpfen.

Auch die FDP-Fraktion ist für ein Verbotsverfahren gegen die NPD, wenn anhand der Erkenntnisse sichergestellt werden kann, dass wir nicht vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Das hat der Kollege Güntzler gerade zutreffend gesagt.

Verehrte Frau Kollegin Leuschner, es reicht nicht aus, dass man glaubt, dass genügend Erkenntnisse da sind, sondern wir müssen sie haben, beweisen und vorlegen.

(Beifall bei der CDU - Fritz Güntzler [CDU]: So ist es!)

Von der Innenministerkonferenz und von der Ministerpräsidentenkonferenz ist beschrieben worden, wie dieser Prozess abläuft. Der Kollege Güntzler hat es auch gesagt: Diese Erkenntnisse werden gerade zusammengestellt, damit dann aufgrund dieser Fachinformationen tatsächlich entschieden werden kann, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Denn eines ist klar: Wir dürfen vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erneut scheitern. Das wäre

ein großer Schaden für die Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dennoch: Trotz aller semantischen Unterschiede kämpfen wir gemeinsam gegen Rechtsextremismus und gegen die NPD. Das ist ein gutes Signal aus diesem Hause.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächste hat sich Frau Zimmermann für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich finde es gut, dass wir eine ganze Menge Gemeinsamkeiten haben erarbeiten können. Trotzdem finde ich es schade, dass es jetzt doch an einem solch kleinen Wörtchen scheitern wird, zumal sich - das haben wir schon gehört - 14 Bundesländer aktiv an der Einleitung des NPD-Verbotsverfahrens beteiligen wollen.

Bereits 2003 stellte das Bundesverfassungsgericht das erste Verbotsverfahren mit dem Hinweis auf V-Leute des Verfassungsschutzes ein, die auch in der Führungsebene der Partei tätig waren. Ich sage das deshalb noch einmal, Herr Güntzler, weil Sie gesagt haben: Sorgfalt vor Schnelligkeit.

Es ist doch aber so, dass seit nunmehr neun Jahren die grundlegenden Bedingungen, also die Abschaffung besagter V-Leute, für einen erneuten Verbotsantrag vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden sind. Dann muss man sich auch einmal fragen, was seitdem in Niedersachsen passiert ist.

Bis zu Beginn dieses Jahres war es nämlich so, dass die mehr als fragwürdige Informationsgrundlage der besagten V-Leute für den Innenminister ein unverzichtbares sicherheitspolitisches Instrument war. Er wollte sie bis dahin gar nicht abschaffen.

Erst vor dem Hintergrund des Rechtsterrorismus und des skandalösen Scheiterns der Ämter des Verfassungsschutzes und ihres V-Leute-Systems kam dann auf einmal zu Beginn dieses Jahres die überraschende Ankündigung des Innenministers, die V-Leute aus der NPD-Führung abzuziehen - ganze neun Jahre nach dem Scheitern des ersten Anlaufs.

Immerhin zeigen wir uns in diesem Punkt nicht unerfreut, dass Herr Schünemann nun endlich auf eine unserer Hauptforderungen eingeht und sie umsetzt. Dass diese Kehrtwende in diesem Punkt zumindest viele Jahre zu spät kommt, will ich auch noch einmal sagen, weil es Herr Schünemann ist, der sich stetig verweigert hat und auch noch verweigert

(Thomas Adasch [CDU]: Das ist ja unerhört!)

und der für meine Fraktion und mich ein Bremsklotz in Niedersachsen ist. Wir müssen uns auch einmal in Erinnerung rufen, dass diese NeonaziPartei während der gesamten Zeit ihr Unwesen treiben konnte, quer durch die Republik gegen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger hetzte und sogar noch schlimmere Dinge vollbringen konnte. Ich kann nicht erkennen, dass Herr Schünemann offensiv darangeht, ein NPD-Verbotsverfahren einzuleiten.

(Thomas Adasch [CDU]: Dass Sie immer gleich polemisch werden müs- sen!)

- Das hat mit Polemik gar nichts zu tun. Ich weiß gar nicht, warum Sie das dahin ziehen. Man muss doch nur einmal ein bisschen weiter in den Süden gucken. Selbst der bayerische Innenminister Joachim Herrmann von der CSU, nicht gerade als antifaschistische Speerspitze bekannt, setzt sich offensiv für ein neues Verbotsverfahren ein.

Deshalb, meine Damen und Herren, kommen wir diesbezüglich endlich zur Sache und beschließen wir hier und heute, das Verbotsverfahren aktiv und konstruktiv zu unterstützen und es einzuleiten! Lassen Sie es doch bitte nicht an diesem kleinen Wörtchen „einzuleiten“ scheitern! Denn das ist doch das, worum es jetzt tatsächlich gehen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Limburg hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den meisten meiner Vorrednerinnen und Vorrednern ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der 9. November in der deutschen Geschichte natürlich ein besonderer Tag ist. Der 9. November 1938 war der Auftakt für die physische Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Eu

ropa, aber auch Angehöriger zahlreicher anderer Minderheiten, z. B. der Sinti und Roma. Auch das sollte hier einmal gewürdigt werden.

Meine Damen und Herren, ehrlicherweise muss man sagen, dass die Debatte über ein NPD-Verbot bundesweit sehr komplex ist und nicht entlang der Parteilinien geführt wird. Während einige Parteifreunde von Herrn Schünemann wie z. B. die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt schon vor einigen Jahren viel vehementer als Sie ein NPD-Verbot gefordert haben, muss ich einräumen, dass es natürlich auch Angehörige der Grünen gibt - insbesondere in den Parlamenten der neuen Bundesländer -, die bezüglich eines solchen Verfahrens viel skeptischer sind als etwa die Grünen in Niedersachsen oder NordrheinWestfalen.

Vor einem sollten wir uns hüten, meine Damen und Herren: Ein NPD-Verbot quasi als Reflex auf das Versagen der Sicherheitsorgane im NSU-Terrorkomplex wäre deplatziert und Fehl am Platz. Hier einen Zusammenhang zu sehen, wäre meiner Meinung nach völlig unzulässig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Sig- rid Leuschner [SPD]: Deshalb haben wir es auch schon 2009 beantragt!)

Ich bin der Kollegin Sigrid Leuschner und der SPD - Frau Kollegin, darauf komme ich gleich noch zu sprechen - sehr, sehr dankbar dafür, dass Sie die Debatte mit diesem Antrag hier in dieses Parlament gezogen haben; denn eine der Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik war doch gerade die Stärkung des Parlamentarismus im Vergleich zur früheren Präsidialverfassung, die es in der Weimarer Zeit gab. Das Parlament sollte der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung werden.

Darum ist es richtig, dass wir die Diskussion und auch die Würdigung des Verhaltens der NPD nicht allein der Innenministerkonferenz, also der Exekutive, überlassen, sondern dass wir als gewählte Abgeordnete hierüber streiten. Das haben Sie mit Ihrem Antrag ermöglicht und sichergestellt, Frau Kollegin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier ist davon gesprochen worden, dass es nur um semantische Unterschiede gehe. An dieser Stelle muss ich Ihnen widersprechen, Herr Kollege Oetjen. Frau Zimmermann ist darauf eingegangen. Der Änderungsantrag beschreibt ganz klar das politische Ziel. Keine Einleitung um jeden Preis. Es

muss aber das politische Ziel sein. Wenn hierüber Konsens besteht, dann kann es, meine Damen und Herren von CDU und FDP, doch keinen Grund geben, unseren Änderungsantrag abzulehnen. Ich bitte Sie um Zustimmung im Sinne dieser Debatte hier.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt liegt mir noch die Wortmeldung von Herrn Minister Schünemann vor. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die NPD verfolgt verfassungsfeindliche Ziele. Das ist unstrittig. Sie ist undemokratisch. Ihr Agieren ist menschenverachtend. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass wir das überall - insbesondere auch hier im Parlament - thematisieren. Wer sollte das in Zweifel ziehen?

Beim NPD-Verbotsverfahren geht es jetzt allerdings um etwas anderes. Es geht darum, ein juristisches Verfahren sorgfältig vorzubereiten.

Die Innenministerkonferenz hat am 22. März beschlossen, ein solches Verbotsverfahren sorgfältig zu prüfen. Deshalb haben wir alle Länder aufgefordert, entsprechendes Material zu liefern. 1 100 Seiten sind bis August zusammengekommen. Daraus ist jetzt eine Zusammenfassung mit etwa 130 Seiten erstellt worden.

Jetzt geht es darum, die Fakten darauf zu bewertet, ob ein Verbotsverfahren tatsächlich erfolgreich sein kann. Sie wissen: Es geht nicht darum, ob die NPD undemokratisch oder verfassungsfeindlich ist, sondern darum, ob das Aggressiv-Kämpferische aus offenen Quellen tatsächlich nachgewiesen werden kann.

Genau in dieser Phase befinden wir uns jetzt. Es gibt noch kein Votum der Bund-Länder-Gruppe. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich die Äußerungen zum Teil auch von Kollegen und Ministerpräsidenten nicht nachvollziehen kann, die jetzt schon wissen, wie das Ergebnis ist, obwohl noch nicht sorgfältig geprüft worden ist.

Das ist meiner Ansicht nach nicht förderlich, insbesondere dann nicht, wenn es darum geht, am

5. Dezember in der Innenministerkonferenz und am 6. Dezember in der Ministerpräsidentenkonferenz allein nach Fakten zu urteilen. Das ist der Punkt. Dass wir politisch ein Verbot der NPD wollen, steht doch außer Zweifel. Ein Scheitern - auch darin sind wir uns einig - wäre jedoch fatal.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es nicht sinnvoll, schon jetzt über eine Bewertung zu diskutieren; denn die liegt noch nicht vor. Jetzt muss meiner Ansicht nach sehr genau geguckt werden, ob die Fakten ausreichen oder nicht. Angesichts dessen kann ich das Parlament nur immer wieder auffordern, gerade im Kampf gegen Extremismus möglichst geschlossen aufzutreten, ein klares Signal auszusenden und sich nicht aus parteitaktischen Gründen heraus einem Konsens zu verweigern.