Protokoll der Sitzung vom 09.11.2012

Wir sind auch der Meinung, dass es um Vereinfachung, Transparenz, vor allen Dingen aber um die Beibehaltung eines solidarischen Länderfinanzausgleiches geht. - Kein Wort dazu von der Landesregierung, wie das umgesetzt werden könnte! Das gilt natürlich auch dafür, dass ein niedersächsisches Gesamtkonzept mit Blick auf 2020 fehlt.

Damit ist klar: Entweder wollte die Landesregierung diese Fragestellung zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Tagesordnung nehmen, oder sie konnte es objektiv nicht. Beides wäre ein Grund nicht nur für Kritik, sondern dazu, sie zur Aufgabe ihrer Regierungstätigkeit anzuregen.

Dabei steht viel auf dem Spiel. Ich nenne einmal einige Summen, die vielleicht deutlich machen, warum wir mit dieser Anfrage ein Warnsignal setzen wollten.

Die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich sind in der Mipla 2012 bis 2016 mit 1,758 Milliarden Euro angegeben, die aus Bundesergänzungszuweisungen mit 890 Millionen Euro. Das sind zusammen rund 2,6 Milliarden Euro. Hätten wir die im Mipla-Zeitraum nicht zur Verfügung, sähe es mit dem Haushalt schlecht aus, noch schlechter, als es im Augenblick der Fall ist.

In der Antwort auf die Große Anfrage bezieht sich die Landesregierung gemäß unserer Frage auf die Jahre 2007 bis 2012. Da sind es zusammen immerhin 1,7 Milliarden Euro gewesen, die über den solidarischen Länderfinanzausgleich nach Niedersachsen geflossen sind.

Für eine vorausschauende Politik muss man sich natürlich mit den Entwicklungen auseinandersetzen, die bereits jetzt erkennbar sind.

Hier spielt z. B. eine Rolle, wie es mit den EUFörderprogrammen weitergeht. Für die Zeit bis 2020 werden wir 1 Milliarde Euro weniger erhalten als bisher, also nicht mehr 2,5 Milliarden Euro, sondern, wenn wir Glück haben, etwas mehr als 1,5 Milliarden Euro.

Wir wissen, dass die Schuldenbremse, die hier in Niedersachsen, aber auch in anderen Bundesländern aufgrund der grundgesetzlichen Regelung ab 2020 voll ihre Wirkung entfaltet, natürlich auch die Verteilung der Mittel über den Länderfinanzausgleich beeinflussen wird. Das gilt auch für die kumulierten Auswirkungen der übrigen Förderprogramme vom Bund über die Länder in Richtung Kommunen.

Wir stehen vor dem Problem, dass es in vielfältigen Aufgabenbereichen der niedersächsischen Landespolitik einen gewaltigen Sanierungsbedarf gibt. Diese Sanierungsmaßnahmen hat diese Landesregierung durch ihre Sparprogramme nach hinten geschoben. Irgendwann werden sie aber haushaltswirksam werden. Auch diese Situation terminieren wir, als spätesten Termin, auf das Jahr 2020.

Hinzu kommen die Probleme der Kommunen mit immer noch rund 5 Milliarden Euro Kassenkrediten.

Überhaupt nicht diskutiert und einbezogen sind die Folgewirkungen der demografischen Entwicklung und das, was die Landesregierung in den letzten Jahren ausgeblendet hat: das Thema Doppik.

Wie bewerten wir nun eigentlich das, was in der Antwort von der Landesregierung richtigerweise als allgemeines Problem dargestellt worden ist, vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung um den noch bis 2019 gültigen Vertrag über Länderfinanzausgleich, BEZ und Soli? - Wir wissen, dass diese Landesregierung bei der Beantwortung der Großen Anfrage nicht in der Lage war, ein eigenes Konzept vorzulegen. Wir wissen aber auch, dass insbesondere Bayern schon längst einen Schritt weiter ist und wieder vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wird. Sein Ziel ist die vorzeitige Aufhebung der gesetzlichen Grundlage.

Wenn man das ins Verhältnis zu dem setzt, was der Kollege Hilbers von der CDU nach einer Konferenz der finanzpolitischen Sprecher der CDULandtagsfraktionen verkündet hat, wird einem aus niedersächsischer Sicht angst und bange.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Da braucht Ihnen nicht angst und bange zu wer- den!)

In der Überschrift der Presseinformation hat er sich mit fast genau denselben Vokabeln geäußert, die Bayern und Hessen nicht müde werden, in die öffentliche Debatte einzubringen.

Jetzt hört man auch noch, dass der hessische Ministerpräsident angedroht hat, dass, wenn sich die Ministerpräsidenten in der Frage der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs nicht bis Ende dieses Jahres einigen, auch Hessen zum Bundesverfassungsgericht gehen und Klage einreichen werde.

Angesichts dieser akuten Bedrohung sind wir der festen Auffassung, dass die Halbwertzeit der wichtigen Aussage, die die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage getroffen hat - nämlich: an dem Grundsatz „Pacta sunt servanda“ solle festgehalten werden, also die jetzige rechtliche Grundlage solle nicht infrage gestellt werden -, gering ist. Wir sehen die Gefahr, dass durch die Klageerhebung zwar nicht bereits ein Urteil gefällt, aber doch schon der Boden für massive Veränderungen im Länderfinanzausgleich bereitet wird nach dem Motto: Die Geberländer wollen nicht mehr zahlen, dann kriegen die Nehmerländer auch nichts.

Um das gleich klarzustellen: Auch wir sind natürlich dafür, dass Niedersachsen von einem Nehmerland zu einem Geberland wird. Das ist gar nicht die Frage. Wir verbinden das aber mit der ganz klaren Ansage, dass wir dann nicht wie Bayern sofort anfangen würden, darauf zu bestehen, dass das, was wir an Steuereinnahmen haben, auch in Niedersachsen bleiben solle. Diese unsolidarische Haltung gegenüber den übrigen Ländern in der Bundesrepublik werden wir nicht verfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man das zusammenfasst, gibt es nach meiner Einschätzung die Verpflichtung, aus niedersächsischem Interesse über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg eine Position zu erarbeiten, die auch bei den künftigen Verteilungskämpfen, die mit Sicherheit unter dem Eindruck der Schuldenbremse, des Fiskalpakts, der Soli-Diskussion neben Länderfinanzausgleich und BEZ kommen werden, dafür sorgt, dass die niedersächsische Haushaltssituation durch die Veränderung, die 2020 kommen wird, nicht nachhaltig gestört wird.

Deshalb sind wir der Meinung, dass man fünf Punkte gemeinsam erörtern sollte. Auf die müsste man sich dann auch verständigen - egal, was die FDP dazu äußert.

Das Erste wäre ein Bekenntnis zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der gesamten Republik. Diese wichtige Aussage ist nicht verhandelbar, weil auch im Grundgesetz abgesichert.

Wir wollen auch - das muss genauso klar sein - am Solidarprinzip statt eines WettbewerbsLänderfinanzausgleichs festhalten. Wir wollen die Grundsätze der bisherigen Anreizmöglichkeiten, die sich jetzt in der Grundlage des Länderfinanzausgleichs befinden, durchaus diskutieren, aber nicht in dem Sinne - wie vorhin gesagt -, dass sie mit Zu- und Abschlägen auf Steuern angereichert werden. Wir wollen Vereinfachung und Transparenz.

Wir wollen eine aufgabengerechte Ausstattung der politischen Ebenen. Auch dazu muss der Länderfinanzausgleich, auch dazu müssen die Ausgleichssysteme einen Beitrag leisten.

Die Ausfinanzierung der öffentlichen Haushalte insgesamt führt ganz klar und eindeutig zu der Debatte darüber, wohin es mit den öffentlichen Finanzen gehen soll. Diese Diskussion als Grundlage für eine faire Auseinandersetzung in der Landespolitik um Haushalt und mittelfristige Finanzplanung hat diese Landesregierung verhindert. Sie schiebt jetzt ein Sondergesetz nach, um wieder einen Effekt zu erhaschen. Das trägt nicht dazu bei, beim Thema Landesfinanzausgleich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Landesinteresse sicherzustellen.

In dem Sinne bitte ich die Fraktionen des künftigen Landtags, sich darum zu kümmern, wie der Länderfinanzausgleich gestaltet werden soll.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat nun Herr Minister Möllring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bundesstaatliche Finanzausgleich ist eines der Kernelemente des verfassungsrechtlichen Systems der Bundesrepublik Deutschland.

Dem Bund und den Ländern werden durch das Grundgesetz bestimmte staatliche Aufgaben zugeteilt. Den Ländern obliegt die Ausführung dieser Aufgaben in der Regel als eigene Angelegenheit. Das heißt, sie haben natürlich auch die Kosten dafür zu tragen.

Um diese ihnen verfassungsgemäß zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können, ist auch eine angemessene finanzielle Ausstattung der einzelnen staatlichen Ebenen erforderlich. Verschiedene Mechanismen greifen hier ineinander, um dieses Ziel zu erreichen. Das sich daraus ergebende System komplexer Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist ein Abbild der bundesstaatlichen Realität. Das aktuell geltende System ist das Ergebnis intensiver politischer Verhandlungen, bei denen vereinbart wurde, dass die getroffenen Regelungen bis zum Jahre 2019 einschließlich Bestand haben sollen. Nicht zuletzt im Interesse der Planungssicherheit von Bund und Ländern für ihre Haushalte hält die Landesregierung an dieser Vereinbarung fest.

Ab dem Jahre 2020 müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern dann allerdings neu geordnet werden. Sachgerechte Reformüberlegungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich müssen sich mit dem gesamten System der föderalen Finanzströme beschäftigen. Dabei gilt es, das Prinzip der Eigenstaatlichkeit der Länder und das Prinzip der bündischen Stabilität in einen angemessenen und interessengerichteten Ausgleich zu bringen.

Die Weichen für die Ausgestaltung des zukünftigen Finanzausgleichs müssen in den nächsten Jahren bei den dazu erforderlichen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gestellt werden, und zwar - das sage ich ausdrücklich - in den dazu erforderlichen Verhandlungen und nicht auf dem Klageweg.

Wir müssen aber auch Verständnis für die Zahlerländer haben - inzwischen sind es ja nur noch vier -; denn wenn wir von gleichmäßigen Lebensverhältnissen sprechen, die durch den Länderfinanzausgleich erreicht werden sollen, dann ist es natürlich der eigenen Bevölkerung in Bayern, in Baden-Württemberg, in Hessen und in Hamburg nur schwer zu vermitteln, dass es in RheinlandPfalz, im Saarland und in Berlin kostenfreie Kindergartenplätze für alle gibt, während in diesen Geberländern die Kindergartenplätze bezahlt werden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß, dass der Finanzausgleich die Einnahmeseite stabilisieren und ausgleichen soll. Aber wer in der Bevölkerung und von den Politikern kennt den Länderfinanzausgleich so genau, dass er das auseinander hält? Die bayerische Landesregierung wird natürlich gefragt: Warum ist das im Nachbarland Rheinland-Pfalz so, obwohl wir Geberland sind? Das müsste doch bei uns auch möglich sein. - Und für Hessen muss man auch Verständnis haben. Hessen muss die Zahlungen aus einer Nettokreditaufnahme aufbringen.

Die Landesregierung wird sich weiterhin aktiv in diesem Prozess einbringen, damit das Ergebnis im Interesse Niedersachsens bestmöglich ist. Wir sind im Moment schon dabei. Ich nenne nur die Stichworte Entflechtungsgesetz, Regionalisierungsmittel u. a., die natürlich auch Zahlungen zwischen Bund und Ländern darstellen und über die wir uns im Moment in neuen Verhandlungen befinden. Auch das wird eine Rolle spielen, wie der Länderfinanzausgleich am Ende aussieht; denn irgendwie hängt alles mit allem zusammen. Ich gebe zu, dass das ein bisschen banal ist. Ich habe hier vorgestern gefehlt, weil im Bundeskanzleramt eine AB-Gruppe getagt hat, also drei Vertreter der CDU/CSU und drei von der SPD, die z. B. Fragen des Entflechtungsgesetzes erörtert haben

Bei aller notwendigen Beschäftigung mit den vertikalen und den horizontalen Verteilungsmechanismen der föderalen Finanzfassung werden wir einen Grundsatz jedoch nicht aus dem Auge verlieren: Aufgabe und Ziel jeder Landesregierung, egal wer sie stellt, in einem bestehenden wie in einem zukünftigen bundesstaatlichen Finanzausgleich muss es sein, die wirtschaftliche und die finanzielle Leistungsfähigkeit des eigenen Landes so stark wie möglich zu verbessern. - Die Landesregierung hat sich dieser Aufgabe erfolgreich gestellt und wird das auch weiterhin tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Fundament für eine solide wirtschaftliche Situation bildet allerdings eine zukunftsgerichtete Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU)

Dieses haben wir am Sonntag im Koalitionsausschuss und am Dienstag im Kabinett und in den Fraktionen von FDP und CDU deutlich bewiesen. Wir haben bewiesen, dass wir nicht ausgabeorientiert sind, sondern glauben, dass ein Haushalt nur solide gestaltet werden kann, indem Einnahmen und Ausgaben übereingebracht werden, und dass es deswegen erforderlich ist, Steuermehreinnah

men nicht für weitere konsumtive oder andere Ausgaben, sondern zur Absenkung der Nettokreditaufnahme zu nutzen.

Für die Niedersächsische Landesregierung gilt der Grundsatz, dass nicht mehr ausgegeben werden darf, als eingenommen wird. Ziel der Haushaltspolitik des Landes ist es, in der aktuellen Situation die Ausgaben zu verringern, indem die verfassungsmäßigen Aufgaben effizienter erfüllt werden. Hier wird immer gesagt: Wie soll das gehen? Wir haben immer weniger Personal und immer höhere Arbeitsbelastungen. - Nein! Die Arbeitsabläufe müssen effizienter werden. Gerade jetzt hat es VW mit dem Golf VII wieder bewiesen: Obwohl er weit besser ist als alle seine Vorgänger, erfordert dessen Zusammenbau eine weit kürzere Arbeitszeit. Nun ist Verwaltung etwas anderes als das Zusammenbauen eines Autos. Es können aber auch die Verwaltungsabläufe immer wieder daraufhin geprüft werden, ob sie effizienter gestaltet werden können, so wie es auch in der Industrie möglich ist. Daran werden wir in Zukunft weiter arbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn gerade das schafft zusätzlich mehr Unabhängigkeit von Einnahmen aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich. Eigentlich muss es doch Ziel jedes Landes sein, sich selbst zu ernähren, und darf es nicht das Ziel sein, möglichst viel aus dem Länderfinanzausgleich zu bekommen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung auch für die Einführung der Schuldenbremse in die Niedersächsische Verfassung stark gemacht. Für die Länder ist das ja sogar ein Verschuldensverbot; denn der Bund hat ab 2016 noch die Möglichkeit, 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts als neue Schulden zu machen. Das war damals die Bedingung des Bundesministers Steinbrück; sonst hätte er diesem Kompromiss nicht zugestimmt. Nun sind 0,35 % von X niemals null, es sei denn, X ist null. Aber unser Bruttoinlandsprodukt ist ja nicht null, sodass das schon aus mathematischer Sicht Blödsinn ist. Aber so ist das manchmal bei Kompromissen.

Ich verstehe allerdings nicht, weshalb gerade die SPD die Ablehnung dieser Verfassungsänderung für 2017 bzw. später abgelehnt hat; denn es waren Struck und Oettinger - Struck ist bekanntlich ein prominenter niedersächsischer Politiker -, die es geschafft haben, diesen Kompromiss in der Föderalismuskommission II zu erzielen, und die es geschafft haben, ein Verschuldensverbot wieder in das Grundgesetz hineinzubekommen, das es bis

1969 ja gegeben hat. Damals haben Strauß und Schiller, die beiden großen Weltökonomen, gemeint, dass es schlecht wäre, wenn der Staat keine Schulden machen könne. Heute wissen wir aufgrund der Zinszahlungen, dass es schlecht ist, wenn der Staat Schulden machen darf.

(Zuruf von Gerd Ludwig Will [SPD])

- Doch, Herr Will, es ist eine Katastrophe, dass wir Schulden machen und damit - - -