- Nein, das ist nicht meine einfache Welt. Ich will es Ihnen an einem Beispiel erklären. Ich habe neulich einen Kabarettisten gehört. Narren, Betrunkene und Kinder sagen bekanntlich die Wahrheit. Der Kabarettist hat Folgendes gesagt: Warum machen Sie sich denn über die 2 Billionen Euro Schulden überhaupt Gedanken? Die werden Sie nicht zurückzahlen, die werden Ihre Kinder nicht zurückzahlen, die werden Ihre Enkelkinder nicht zurückzahlen, die werden Ihre Urenkelkinder nicht zurückzahlen. Das heißt, das Problem betrifft Leute, die Sie gar nicht kennenlernen werden. - So kann man das auch sehen. Dann hat er noch gesagt: Und wenn sich das Geburtsverhalten in Deutschland so weiterentwickelt, dann ist es eh ein türkisches Problem.
- Es waren Kabarettisten. Ich gebe zu, es war überspitzt. Aber wenn man es überspitzt, wird deutlich, wie unverantwortlich wir mit diesem Staat bei der Schuldenaufnahme umgehen. Stattdessen möchten Sie sich die Möglichkeit offenhalten, Politik auf Pump zu machen. Das werden wir nicht mitmachen.
- Wissen Sie, Herr Wenzel, im Leben ist es nun einmal so: Wenn man etwas erreichen will, aber nicht alles erreichen kann, dann sollte man doch zumindest versuchen, das zu erreichen, was den eigenen Vorstellungen am meisten entspricht. Wenn Sie recht damit hätten, dass Ihre Regelungen strenger waren, dann hätten Sie doch zumindest das Zweitbeste nehmen müssen. Aber Sie haben gesagt „alles oder nichts“, weil Sie aus parteipolitischen Gründen nicht mit dieser Regierung stimmen wollten.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es geht um eine verfassungsändernde Mehrheit!)
Sie hätten mitmachen können. Dann wären wir gemeinsam einen guten Weg gegangen, und Sie als Grüne hätten gezeigt, dass Sie sich auch einmal von den anderen lösen können und eine vernünftige Finanzpolitik machen wollen. Nachhaltigkeit heißt auch, heute keine Schulden zu machen, damit morgen keine Zinsen gezahlt werden müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, angesichts der Kürze der Zeit möchte ich nur zu vier Punkten etwas sagen.
Zunächst zu der Forderung, ein Konzept zur Neuordnung des Finanzausgleichs auf den Tisch zu legen. Hierauf wurde leider nicht eingegangen. Wenn schon nicht in der Beantwortung der Anfrage, so hätte dies doch wenigstens im Redebeitrag des Ministers geschehen sollen. Dem ist Herr Möllring leider nicht nachgekommen.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Wenn wir richtig gerechnet haben, hat das Land Niedersachsen seit 1950 umgerechnet ungefähr 22,4 Milliarden Euro über den Finanzausgleich erhalten, also fast eine gesamte Charge Landeshaushalt, auf heutige Zahlen gerechnet. Das sollte man im Auge behalten.
Insofern sind wir ein klarer Verfechter des Solidarprinzips. Herr Aller hat das auch noch einmal gesagt. Wir halten diesen Wettbewerbsföderalismus, der sich langsam in die verschiedenen Überlegungen hineinkrepelt und eben auch nicht zurückgewiesen worden ist - das fand ich bemerkenswert -, für katastrophal. Wenn es eine Gesetzgebungskompetenz der Länder für Steueraufkommen gäbe, deren Ertrag dann den Ländern zur Verfügung gestellt wird, beispielsweise für die Vermögensteuer, dann gäbe es eine Spirale nach unten.
Insofern pochen wir auch an dieser Stelle auf die Einheitlichkeit der Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland. Alles andere würde
Was ich bemerkenswert und, offen gestanden, auch ein bisschen erschreckend fand, war, wie die Landesregierung auf die Frage 45 geantwortet hat. Der Fragesteller fragt darin: Wie wollen Sie denn die Kommunen schützen? - Darauf gibt es im Grunde überhaupt keine Antwort; denn es wird gesagt, man solle Steuersenkungen aber auch nicht pauschal ablehnen. Schauen Sie sich das an! Im Grunde spricht man sich verklausuliert für Steuersenkungen aus. Es wird mit der kalten Progression - die hatten wir hier schon einmal - argumentiert und für Steuersenkungen im Einkommensteuerbereich plädiert. Das betrifft immerhin zu 15 % auch die Kommunen. Das halten wir für eine Katastrophe.
Die Verweigerung einer klaren Antwort auf eine klare Frage macht deutlich: Diese Landesregierung will die Kommunen nicht schützen, sondern finanziell weiter im Regen stehenlassen.
Wir werben stattdessen - wir haben das an mehreren Punkten gemacht - für die Umwandlung der Gewerbesteuer in eine Gemeindewirtschaftsteuer, also für die Einbeziehung der ungefähr 80 000 Freiberuflerinnen und Freiberufler in Niedersachsen in eine Besteuerung - natürlich in Verrechnung mit ihrer Einkommensteuerpflicht -, die die Bürgerverbundenheit und die kommunalen Finanzen deutlich stärken würde.
Insgesamt - dies ist meine letzte Bemerkung - brauchen wir aber unterm Strich eine Steigerung des Steueraufkommens. Darauf - das hat mich in dem Beitrag von Herrn Aller ein wenig stutzig gemacht - ist die SPD in dem, was sie eben vorgetragen hat, nicht mehr so deutlich eingegangen, wiewohl die Fragestellung auch davon handelt.
Es wird - das will ich der SPD an dieser Stelle noch einmal deutlich ins Stammbuch schreiben, weil sie offensichtlich droht, es bei Herannahen der Regierungsübernahme langsam in den Hintergrund zu schieben - ohne die Wiedererhebung der Vermögensteuer, ohne Großerbensteuer, Körperschaftsteuer, Finanztransaktionssteuer und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes keine Lösung der finanziellen Probleme Niedersachsens und keinen wirklichen Politikwechsel, sondern nur einen Per
sonalwechsel geben. Das ist zu wenig. Wir brauchen diese neue Steuergerechtigkeit für die Bundesrepublik Deutschland und für Niedersachsen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Landesregierung für die umfangreiche Beantwortung der Anfrage herzlich danken.
Mit dieser Antwort sollte deutlich geworden sein, dass wir in den Verhandlungen über die Neuregelung der Finanzbeziehungen unter den Ländern eine klare Vorstellung haben, nämlich die, dass es weiterhin einen vertikalen Finanzausgleich geben muss, dass wir weiterhin auf den horizontalen Verteilungsmechanismus setzen, der garantiert, dass wir nicht vom Bund abhängig sind - die Eigenstaatlichkeit der Länder wird -, und dass wir den solidarischen Ausgleich auch weiterhin brauchen.
Ich sage in aller Deutlichkeit, dass wir dafür sind, das bestehende System bis 2019 fortzuführen, dass wir uns aber bis dahin nicht auf das kaprizieren, was möglicherweise ein Gerichtsurteil aufgrund von Klagen von Bundesländern zustande bringt, sondern dass wir versuchen, auf dem Verhandlungswege und über die politische Kraft eine Neuregelung zu finden. In einzelnen Bereichen müssen wir nachsteuern. Dazu gleich einiges mehr.
Deshalb bin ich schon erstaunt, lieber Herr Aller, dass Ihr Kandidat im Juli 2012 gesagt hat, er fordere eine klare Haltung zum Finanzausgleichssystem und erwarte von Herrn McAllister - unter Bezugnahme auf die Klage Bayerns -, dass er in Sachen Finanzausgleich eine klare Position einnehme. - Diese Klage hängt aber mehr mit dem bayerischen Wahlkampf zusammen. - Und dann forderte Ihr Kandidat in einer Pressemitteilung, dass die Finanzbeziehungen so bleiben müssten.
Über dieselbe Person schreibt nun, am 4. November, der Focus: Der SPD-Spitzenkandidat Niedersachsens stelle den Solidarpakt infrage. - Der gleiche Kandidat will also jetzt, nur einige Monate
Das ist alles andere als ein klarer Kurs, als eine klare Vorstellung darüber, wie man unter den Bundesländern vorgeht. Das ist alles andere als eine verlässliche Politik. Das verursacht Chaos und führt nicht zum Ziel.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Macht doch nichts! Der Kandidat ist doch völlig unbekannt!)
Wir setzen auf eine Verhandlungslösung, wobei die Rahmenbedingungen weiterhin stimmen müssen. Ich betone ausdrücklich, dass ein vernünftiges Erreichen des gesamtstaatlichen Ziels gleicher Lebensbedingungen in allen Teilen Deutschlands auch nach 2019 gewährleistet sein muss. Deshalb wird es einen Balanceakt zwischen der Eigenstaatlichkeit der Länder und der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auch in Zukunft geben. Ziel des Länderfinanzausgleichs muss es künftig sein, die finanzielle Ausstattung der Länder so sicherzustellen, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können. Gleichzeitig - das wird die Herausforderung sein - wird es darauf ankommen, nicht alles vollständig zu nivellieren. Das ist bislang nicht der Fall und darf auch zukünftig nicht der Fall sein.
Ich habe betont, dass wir auch künftig den horizontalen Finanzausgleich brauchen. Wir werden verstärkt darauf achten müssen, dass wir auch Anreizfunktionen schaffen. Jawohl, Herr Aller, die finanzpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktionen haben sich in einer Konferenz getroffen und genau diesen Punkt erörtert: Wie stark soll die Ausgleichsintensität sein? - Sie müssen sich die Mechanismen einmal genauer anschauen. Wenn Sie als Bundesland im Durchschnitt liegen, ist die Nivellierung so hoch, dass Sie 98,5 % dessen, was Sie sonst auch selbst einnehmen könnten, zurückbekommen. Anders ausgedrückt: Wenn Sie sich anstrengen, durch eine gute Wirtschafts- und Wachstumspolitik mehr Geld einzunehmen, dann werden Ihnen 98 % davon wegnivelliert. Das ist keine Anreizfunktion, wie wir sie uns vorstellen.
An einigen Stellen muss man vielleicht einige Stellschrauben neu justieren, damit alle Länder den Kurs, den wir hier in Niedersachsen verfolgen, nämlich in absehbarer Zeit von einem Nehmerland
zum Geberland zu werden, einschlagen. Diesen Weg muss man konsequent weitergehen und ihn mit Anreizen ausstatten, und das wollen wir auch tun. Damit wird die Politik fortgesetzt, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben. Sie zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Denn die niedersächsische Ausgleichsintensität hat dabei abgenommen. Die Finanzkraft Niedersachsens ist im bundesstaatlichen Vergleich von 98,2 % im Jahr 2000 auf 99,4 % im Jahr 2011 angestiegen. Das zeigt deutlich, dass wir auf einem guten Weg von einem Nehmerland zu einem Geberland sind.
Unsere Zahlungen sind rückläufig. Wir bekommen erheblich weniger als andere Bundesländer aus diesem Topf. Ich nenne Ihnen einen Vergleich: Niedersachsen bekommt aus dem Finanzausgleich ungefähr 15 Euro pro Kopf. - Schauen Sie zu unserem Nachbarbundesland Bremen, Herr Aller, wo sie jahrzehntelang regiert haben!
Dort sind es 650 Euro pro Kopf. Da sehen Sie einmal, welche Unterschiede dort bestehen, wie die Dinge ausgestaltet sind. Es ist eben nicht unwesentlich, welche Politik in den Bundesländern gemacht wird. Dafür stehen wir ein.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Herr Aller ist viel kleiner als Herr Scherf! Die kann man doch nicht verwechseln!)
Ich sage Ihnen: Wir sind auf einem guten Weg. Das alles muss in eine vernünftige Finanzausstattung und in eine vernünftige Finanzpolitik eingebettet sein. Das hat unser Finanzminister Hartmut Möllring eben noch einmal betont. Sie können für Solidarität unter den Bundesländern nur dann Mehrheiten und Akzeptanz in der Bevölkerung finden, wenn alle nach den gleichen Spielregeln vernünftig mit dem Geld umgehen. Das heißt nicht, dass wir festlegen wollen, wofür es ausgegeben wird. Aber klar muss sein, dass sich diejenigen, die die Solidarität anderer genießen, an die Spielregeln der Schuldenbremse und des Fiskalpakts halten und die Dinge, die der Stabilitätsrat ihnen auferlegt hat, berücksichtigen müssen.