Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Was habt ihr denn gemacht?)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Poppe das Wort. Die Restredezeit für die Fraktion der SPD beträgt 2:46 Minuten.

Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Teile der Anfrage der Grünen und der Antwort der Landesregierung betreffen Bildungsfragen und religiöse Riten. Daher liegen mir einige Anmerkungen aus Kultussicht am Herzen.

Das Allgemeine vorweg: Ein Grund zur Selbstbeweihräucherung - gerade noch per Broschüre - ist die vorgelegte Antwort nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Neben den unstrittigen Aspekten, die eine Bestandsaufnahme darstellen, ist ein anderer Teil der Antworten der Landesregierung von Widersprüchlichkeit und Hilflosigkeit geprägt. Das ist zu einem Teil verständlich, handelt es sich hierbei doch um einen tiefgreifenden Umbruch im Denken und Handeln breiter Schichten der Mehrheitsgesellschaft. Es ist auf der anderen Seite aber auch fatal, wenn drei Ministerien mit drei sehr unterschiedlichen Akzentsetzungen zielgenau aneinander vorbei agieren. Notwendig ist es, eine Gesamtschau in Offenheit und jenseits von Islamophobie zu entwickeln.

(Editha Lorberg [CDU]: Diese Unter- stellung ist ganz schön hart! Das muss ich klar sagen! Unglaublich!)

Nun zu wenigen Einzelaspekten.

Der Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ war eine wichtige Voraussetzung für die angestrebten Schritte hin zu einer generellen Ermöglichung und Einführung. Noch aber befindet sich auch Niedersachsen im Stadium der Vorbereitungen, auch bezüglich der Lehrkräfteausbildung und der Weiterführung über die Grundschule hinaus. Weitere Schritte sind nötig. Von einer Gleichbehandlung der Religionen sind wir weit entfernt.

Die Kopftuchdiskussion beschäftigt die Öffentlichkeit immer wieder und beschäftigte den Landtag zuletzt ausführlich im Zusammenhang mit dem Kopftuchverbot für Lehrkräfte. Die im Jahr 2004 gefundene Formulierung in § 51 NSchG „Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf … keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule (§ 2) überzeugend erfüllen zu können“ ist wohlabgewogen, musste aber damals den Regierungsfraktionen mühsam abgerungen werden.

(Beifall bei der SPD)

Jeder Einzelfall ist zu prüfen.

(Beifall bei der SPD)

Ich wähle als drittes Beispiel ein häufig tabuisiertes Thema: die Bestattung. Hier ist deutlich mehr Sensibilität im Land und auch in den Kommunen notwendig. Das Bestattungsgesetz von 2005 lässt die umgehende Bestattung im Leichentuch, wie sie nach islamischem Ritus erfolgen soll, als Ausnahme zu. Tatsächlich aber werden die Verstorbenen noch in sehr vielen Fällen in ihre Herkunftsländer überführt. Ein Bewusstsein in den Kommunen für „gruppenbezogene Ausnahmen“, wie es etwas verklausuliert in der Antwort heißt, ist offenbar noch nicht ausreichend vorhanden.

Mein Fazit: Muslime gehören zu Niedersachsen. Auch ihre gleichberechtigte Teilhabe gehört zu Niedersachsen. Der Satz „Die Landesregierung behandelt alle Religionsgemeinschaften gleich“ auf der letzten Seite der Antwort ist aber zu plakativ, um wahr zu sein. Wir haben noch eine Menge zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Limburg das Wort. Die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 1:36 Minuten.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens sind hier die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen angesprochen worden. Herr Kollege Oetjen, ich muss mich schon sehr wundern, wie Sie behaupten können, dass das eine Debatte sei, die rein vergangenheitsbezogen sei. In ihrer Antwort kündigt die Landesregierung ausdrücklich an - ich unterstelle einmal, dass das von Herrn Minister Schünemann in die Antwort geschrieben wurde, auch wenn Frau Özkan sagt, sie mache sich das zu eigen -, je nach Bedarf und Sachlage diese Kontrollen jederzeit wiederaufzunehmen. Das ist die Politik, die CDU und FDP hier namens der Landesregierung den Muslimen für die Zukunft androhen. Das ist ein weiterer Grund, Herr Kollege Oetjen, warum wir dringend einen Wechsel in dieser Regierung benötigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Zweitens. Wir haben nach Präventionspartnerschaften gefragt. Es ist deutlich geworden, dass Sie Prävention und Dialog mit Muslimen einzig und allein auf die Verhinderung von muslimischem Extremismus und irgendwelchen Integrationsproblemen beziehen.

Zu Brandanschlägen und anderen Angriffen auf Moscheen in Niedersachsen haben Sie weder in der Rede noch in der Antwort auf die Frage nach Präventionspartnerschaften überhaupt Stellung genommen. Weder die Ministerin noch die Vertreter der Regierungsfraktionen haben zu der Tatsache, dass in fast jeder niedersächsischen Moscheegemeinde permanente Angst vor Anschlägen besteht, irgendetwas gesagt.

Wenn die Landesregierung Präventionspartnerschaften ernst meint, dann müsste sie auch die Ängste von Muslimen ernst nehmen und irgendeine Form von Schutzkonzept entwickeln, damit auch die Muslime ihre Religion hier ausüben können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ich hatte mich zu einer Kurzintervention gemel- det!)

- Oh, Pardon. Das ist hier übersehen worden. Das haben wir nicht gesehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich habe das gesehen! Es stimmt! - Dr. Gabrie- le Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Ich habe es auch gesehen! - Zustimmung bei der SPD)

Wir machen das so, wie es sich gehört. Ich frage jetzt ganz offiziell, ob die FDP-Fraktion antworten möchte.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Nein, er möchte eine Kurzintervention machen!)

- Er möchte jetzt eine Kurzintervention machen. Diese Möglichkeit haben Sie jetzt, Herr Kollege.

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. Wir machen das auch relativ kurz.

Ich möchte dem Kollegen Limburg an dieser Stelle nur sagen, dass wir als FDP schon damals die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen kritisiert haben und dass es diese mit der FDP auch nicht wieder geben wird.

(Detlef Tanke [SPD]: Das stimmt! - Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN - Gegenruf von Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte Stellung nehmen. Ich erteile dem Kollegen Limburg das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege Oetjen, Sie persönlich genießen in dieser Frage bei uns hohe Glaubwürdigkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das Problem ist, dass Ihre Fraktion und Ihre Partei diese Politik seit 2003 begleitet und faktisch unterstützt haben. Fakt ist, dass sich auch die Vertreter Ihrer Partei in der Landesregierung diesen Teil der Antwort der Landesregierung, in dem für die Zukunft weitere Kontrollen angedroht werden, zu

eigen machen. Darum, Herr Kollege Oetjen, sind Ihre Worte für die Gesamtheit Ihrer Partei wenig glaubwürdig.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Gleichwohl stimme ich Ihnen darin zu, dass es diese Kontrollen ab Februar 2013 in diesem Land definitiv nicht mehr geben wird, aber das auch ohne Ihr Zutun, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Aber jetzt stelle ich ohne Widerspruch fest: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen.

Ich rufe als Nächstes den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Ausschuss für die Wahl der ehrenamtlichen Richter des Senats für Flurbereinigung (Flurbe- reinigungsgericht) bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht - Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 16/5446 neu

Die Drucksache ist im Hinblick darauf korrigiert worden, dass die Amtszeit der Vertrauensleute und ihrer Vertreter vier Jahre beträgt.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird.

Nach § 86 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung kann, wenn kein anwesendes Mitglied des Landtages widerspricht, an die Stelle einer Wahl mit Stimmzetteln eine Wahl durch Handzeichen treten. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch.

Wir kommen daher gleich zur Wahl.

Wer dem Wahlvorschlag in der Drs. 16/5446 neu zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Es haben sich nicht alle Kolleginnen und Kollegen an der Abstimmung beteiligt, aber die Mehrheit war eindeutig. Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 15:

50. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 16/5455 - unstrittige und strittige Eingaben - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/5495 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/5506 neu - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/5515