Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Adler, zu Beginn möchte ich einen Satz aus Ihrer Anfrage zitieren; denn diesen Satz kann auch ich aus Überzeugung unterstreichen. Ich zitiere:

„Die Versorgung mit Strom ist eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“

Es gibt eine große Gemeinsamkeit und Übereinstimmung darin, dass wir steigenden Energiepreisen für Verbraucher entgegenwirken müssen. Diese Übereinstimmung in der Analyse bedeutet aber noch lange nicht - das wird Sie nicht überraschen -, dass wir uns auch in der Lösung einig sind.

Sie wollen das Privatrecht bei der Stromversorgung aushebeln. Die Landesregierung will die Energiepreise für alle im Zaum halten. Sie wollen mehr direkte Subventionen bei der Förderung der Erneuerbaren. Die Landesregierung will eine Neuregelung der Förderung mit mehr Kosteneffizienz und Augenmaß. Sie wollen die staatliche Preiskontrolle für Strom. Die Landesregierung will die preisdämpfende Wirkung eines funktionierenden Wettbewerbs auch im Strommarkt. Sie stellen die Sicherung von Industriearbeitsplätzen infrage. Die Landesregierung steht dazu, dass einige Unternehmen nicht die volle Belastung aus der EEGUmlage tragen müssen, wenn das ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

(Kurt Herzog [LINKE]: Das ist aber Schönfärberei, Herr Minister!)

Diese Unternehmen leisten nämlich einen Beitrag zur Energiewende - ohne Kunststoff, Stahl und Chemie wäre sie überhaupt nicht denkbar -, abgesehen davon, dass sie Arbeitsplätze und Beschäftigung in Niedersachsen ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bereits in der letzten Plenarsitzung hat die Landesregierung dargestellt, dass die Stromkosten Bestandteil der Regelbedarfsstufen im Rahmen der Leistungserbringung im Sozialgesetzbuch sind. Sie werden mindestens jährlich fortgeschrieben und berücksichtigen dabei auch Strompreiserhöhungen. Bei einer drohenden Stromsperrung haben Leistungsberechtigte im Übrigen nach dem Sozialgesetzbuch II die Möglichkeit, eine Übernahme der Stromschulden zu beantragen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Bei der Abschätzung des Ausmaßes von Stromsperrungen bestand in der Vergangenheit lange Zeit das Problem, dass keine systematischen Erhebungen vorlagen. Im Zuge der EnWGNovelle im Jahr 2011 wurde der Bundesnetzagentur die Aufgabe übertragen, im Rahmen des jährlichen Monitoring-Berichts eine belastbare Datenbasis zum Umfang der Stromsperren zu erheben. Aus dieser bundesweiten Erhebung lassen sich allerdings keine Zahlen für Länder ableiten.

Der Landesregierung liegen deshalb auch keine belastbaren Informationen über die Anzahl der von den Stromlieferanten beantragten sowie der tatsächlich durchgeführten Stromsperrungen in Niedersachsen vor. Die angesprochene Erhebung der Bundesnetzagentur zeigt allerdings, dass die Stromnetzbetreiber im Allgemeinen verantwortungsvoll mit der Thematik umgehen. So lässt sich anhand der hohen Differenz zwischen den über 1,25 Millionen bundesweit beantragten sowie den gut 312 000 bundesweit durchgeführten Stromsperrungen im Jahr 2011 erkennen, dass bei dem überwiegenden Teil der säumigen Haushalte alternative Lösungen zum Abbau der Zahlungsverpflichtungen gefunden werden konnten.

Zu 2: Bis Mitte 2007 erfolgte eine Strompreisaufsicht für die Grundversorgung mit Strom im Sinne einer Preisgenehmigung, entsprechend durchgeführt durch die Länder. Im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung und der Wettbewerbsintensivierung auf dem Strommarkt wurde die auslaufen

de Regelung vom Bund bewusst nicht verlängert. Die Möglichkeiten der Verbraucher, verschiedene Stromanbieter und Tarife zu wählen, hat an dieser Stelle die Preisgenehmigung entbehrlich gemacht. Die Strompreisbildung oblag damit dem zunehmenden Wettbewerb. Als regulierter Sektor blieb der Netzbereich aufgrund der vorhandenen Monopolsituation bestehen.

Eine Rückkehr zu dieser Form der Preiskontrolle ist unter den heutigen Marktbedingungen kein sinnvolles Mittel, um die Kostenbelastungen für Stromverbraucher zu dämpfen. Vielmehr müssen wir den Wettbewerb im Strommarkt mit seiner preisdämpfenden Wirkung weiter stärken.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Die hat aber nie stattgefunden!)

Ein hohes Wettbewerbsniveau ist eine Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Energieversorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie des heimischen Wirtschaftsstandortes. Beim Ausbau der Erneuerbaren kommt es darauf an, unnötige Mehrbelastungen für Stromverbraucher zu vermeiden und die Förderung stärker an der Kosteneffizienz auszurichten.

Das Auslaufen der früheren Strompreisaufsicht bedeutet im Übrigen nicht, dass die Preisbildung im Strommarkt keinerlei Kontrolle mehr erfährt. So obliegt den Kartellbehörden die Möglichkeit, nachträglich missbräuchliche Preisgestaltungen von Energieversorgungsunternehmen zu untersuchen und gegebenenfalls dagegen vorzugehen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Und warum haben sie bisher nichts ge- macht?)

Der relevante Markt für derartige Untersuchungen ist im liberalisierten Strommarkt allerdings nicht mehr regional bzw. auf einzelne Bundesländer beschränkt, sondern erfordert zumindest eine nationale Betrachtung. Die Zuständigkeit für die Ausübung der Missbrauchsaufsicht liegt daher beim Bundeskartellamt. Missbräuche sind bisher nicht bekannt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Was? - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wenn man es nicht wahrhaben will!)

Zu 3: Die Landesregierung beteiligt sich aktiv an der Debatte um die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Sie tritt für eine höhere Kosteneffizienz der Förderung der Erneuerbaren ein.

Erzeugung, Transport und Vertrieb machen nur 32 % des Strompreises aus; 45 % entfallen auf Steuern und Abgaben, 23 % sind anreizregulierte Netzentgelte. Seit 1998 stiegen die Steuern und Abgaben auf Strom für Privathaushalte um 179 %. Im gleichen Zeitraum stiegen die Kosten für Erzeugung, Transport und Vertrieb lediglich um 10 %. Inflationsbereinigt ist dieser Kostenanteil sogar um 11 % gesunken. Die EEG-Umlage steigt von rund 3,6 Cent pro Kilowattstunde in diesem Jahr auf ca. 5,3 Cent pro Kilowattstunde im kommenden Jahr. Das entspricht einem Zuwachs von ungefähr 47 %.

Besonders energieintensive Betriebe können unter gewissen Voraussetzungen eine Reduzierung der EEG-Umlage in Anspruch nehmen. Diese Regelung wird zum 1. Januar 2013 ausgeweitet. Ohne die Ausweitung wäre die Umlage um 0,14 Cent pro Kilowattstunde geringer ausgefallen. Würde vollständig auf die besondere Ausgleichsregelung verzichtet, fiele die EEG-Umlage im Jahr 2013 um etwa 19 % oder rund 1 Cent pro Kilowattstunde niedriger aus.

Die Landesregierung steht grundsätzlich hinter der besonderen Ausgleichsregelung. Wir wissen um die Bedeutung, die sie für den Erhalt der Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen hat. Wir wollen unseren Industriestandort erhalten. Die Industrie hat uns nämlich in der Krise stabilisiert. Deindustrialisierung ist ausdrücklich der falsche Weg. Wir werden aber auch daran mitwirken, dass mögliche Fehlentwicklungen überprüft und die Kriterien erforderlichenfalls angepasst werden.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Die Fehlentwicklungen haben Sie doch selber geschaffen!)

Wir wissen, dass die Energiekosten private Haushalte, Handwerk, Handel, Freiberufler, den Mittelstand und die Industrie belasten. Umso wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Rahmen bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE stellt Herr Kollege Adler die erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ist die Landesregierung bereit, die Idee zu unterstützen, die z. B. im Kanton Basel schon umgesetzt worden ist, nämlich den Stromversorgern per Gesetz eine Tarifgestaltung aufzugeben, bei der ein Sockeltarif für Strom mit einem preisgünstigen Grundkontingent für jeden Haushalt vorzusehen ist, bei der dann aber ein über diesen Sockel hinausgehender Stromverbrauch, der erfahrungsgemäß durch große Luxuswohnungen und unbedachten Energieverbrauch erzeugt wird, entsprechend tariflich höher zu bewerten wäre, was zur Folge hätte, dass eine bezahlbare Grundversorgung mit Strom für breite Bevölkerungsschichten sichergestellt und gleichzeitig die Verschwendung von Strom eingedämmt werden könnte?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Adler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kenne das Modell nicht. Insofern müsste man sich näher anschauen, ob es in irgendeiner Weise Impulse für die Diskussion geben kann, die ja auch im Zusammenhang mit der Novelle des ErneuerbareEnergien-Gesetzes, aber spätestens nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu führen ist.

Aber nach dem ersten Hören wird es Sie nicht wundern, dass ich dem eher ablehnend gegenüberstehe, weil es ja doch einen sehr stark regulierenden, dirigistischen Ansatz verfolgt

(Kurt Herzog [LINKE]: Das steht schon im Energiewirtschaftsgesetz, Herr Minister!)

und weil das im Zweifelsfall, wenn es um soziale Fragestellungen geht, eher über Steuern zu bewerkstelligen ist als durch Eingriffe in die Preisbildung, die zunächst einmal am Markt zu erfolgen hat.

Meine Damen und Herren, die nächste Zusatzfrage für die Fraktion DIE LINKE stellt Herr Kollege Herzog.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die von Rot-Grün eingeführte Ökosteuer, die heute pikierlich „Stromsteuer“ genannt wird, im Strompreis über 8 % ausmacht - ich erinnere daran, dass der Minister eben gesagt hat, Missbräuche seien nicht bekannt -, frage ich die Landesregierung: Wie gerechtfertigt ist aus der Sicht der Landesregierung die sogenannte Strom- oder Ökosteuer im Strompreis, die mit einem Volumen von 6,3 Milliarden Euro pro Jahr die Verbraucher belastet und fast komplett artfremd in die Rentenkasse fließt, und was gedenkt sie dagegen zu tun?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Birkner!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Herzog, zunächst einmal befinden wir uns in einem bestehenden System. Die Ökosteuer führt über den Energieverbrauch zu einer Finanzierung anderer Bereiche, an deren Finanzierung wir ein Interesse haben. Das heißt, wenn man über die Absenkung einzelner Bereiche oder auch über Reduzierungen nachdenkt, dann muss natürlich auch die Auswirkung auf andere wichtige Bereiche - hier auf das Rentensystem - betrachtet werden. Ich persönlich stehe der Ökosteuer zumindest insofern kritisch gegenüber, als durch die erhöhte EEG-Umlage Mehrwertsteuermehreinnahmen entstanden sind, mit denen man nicht gerechnet hat, und daher eine Möglichkeit bestünde, dies im Bereich der Stromsteuer zu kompensieren.

Das sind aber Diskussionen, die nicht abgeschlossen sind. Die Auswirkungen auf andere Bereiche müssen wohlbedacht sein. Die werden wir im Rahmen dessen diskutieren, was die Bundesregierung im Koalitionsausschuss auf Bundesebene beschlossen hat, nämlich bis zum März 2013 eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg zu bringen. Unser Ziel ist es, zu mehr Kosteneffizienz beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu kommen und den staatlichen Anteil an den Stromkosten, die am Ende von den Bürgerinnen und Bürgern zu zahlen sind, zu dämpfen und wieder in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.

Da werden wir alle Instrumente betrachten. Dazu wird sicherlich auch das gehören müssen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Ich hatte ge- fragt, was Sie dafür tun werden!)

Die nächste Zusatzfrage - die erste für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - stellt der Kollege Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie die Notwendigkeit ansprachen, einige Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von der EEG-Umlage bei den Strompreisen zu entlasten, frage ich Sie, warum sich die FDP und die CDU dazu haben hinreißen lassen, auch Betriebe, die überhaupt nicht im internationalen Wettbewerb stehen, von der Umlage zu entlasten, z. B. die Firma Wiesenhof und die Braunkohleindustrie. Ich glaube, sogar der Deutsche Wetterdienst wurde entlastet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf von der SPD: Golfplätze!)

Es antwortet Herr Minister Dr. Birkner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wenzel, da kommt wieder das, was wir in der politischen Diskussion in den letzten Wochen anlässlich der Erhöhung der EEG-Umlage insgesamt erlebt haben, dass versucht wird, die Entlastung der energieintensiven Industrie als wesentliche Ursache für die Erhöhung der EEG-Umlage darzustellen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war nicht meine Frage!)