Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

- Herr Wenzel, ich habe ja auch einmal veranlasst, dass wir Daten von einer CD kaufen. Da war nicht ein einziger Geldwäscher und nicht ein einziger Waffenhändler drauf. Es gibt eben auch Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld einfach aus bestimmten Gründen in der Schweiz haben. Ich billige das ja nicht, verstehen Sie mich da nicht falsch. Aber nicht jeder, der in der Schweiz ein Konto hat, ist automatisch Waffenhändler. Was haben Sie denn für ein Bild von unserer Bevölkerung, die Sie mal regieren wollen? Das wird nichts, wenn Sie die Leute weiter so beleidigen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Enno Hagenah [GRÜNE]: Wie- so beleidigt man die?)

- Sie können doch nicht jeden Inhaber eines Kontos in der Schweiz als Waffenhändler bezeichnen. Das ist doch abwegig.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nicht je- den! - Reinhold Hilbers [CDU]: Auch nicht als Geldwäscher!)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Steuergerechtigkeit bliebe auf der Strecke. Anstelle einer flächendeckenden Nachversteuerung bisher unversteuerten deutschen Kapitalvermögens in der Schweiz und der Sicherstellung einer systematischen Besteuerung in der Zukunft blieben hartnäckige Steuerhinterzieher weitgehend unbehelligt.

Zu Frage 2: Nein. Dieses Abkommen ist das Ergebnis sehr langwieriger und schwieriger Verhandlungen, die der Schweiz erhebliche Zugeständnisse abverlangt haben, nicht zuletzt im Interesse der deutschen Bundesländer mit der Erbschaftsteuerlösung. Die Schweiz hat sehr deutlich gemacht, dass weitere Nachbesserungen zugunsten Deutschlands nicht in Betracht kommen. Sollte dieses Verhandlungsergebnis von Deutschland nicht ratifiziert werden, wird eine Wiederaufnahme bilateraler Verhandlungen wohl auf lange Sicht nicht in Betracht kommen.

Zu Frage 3: Nein. Für eine Nachbesteuerung unversteuerter Vermögenswerte bleiben wir weiterhin auf punktuelle Zufallsinformationen angewiesen. Es gibt keinerlei Hinweise, dass sich die Schweiz in absehbarer Zukunft zu einem automatischen Informationsaustausch bereit erklären wird. Das derzeitige Abkommen der Schweiz mit der EU zur Quellenbesteuerung von Zinsen umfasst bekanntlich nur einen Teil der laufenden Kapitalerträge.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen eine Reihe von Wortmeldungen zu Zusatzfragen vor - obwohl, wenn ich das mal so bewerten darf, eine Fraktion ihr Kontingent an Zusatzfragen eigentlich schon verbraucht hat.

(Jens Nacke [CDU]: Das waren keine Zusatzfragen, das waren unflätige Zwischenrufe!)

- Herr Kollege Nacke, Sie wissen, wie das ist!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Wenn die abgezogen werden, ist das in Ord- nung!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Sohn zu seiner ersten Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Zusatzfragen.

Zum einen: In dem Text der Anfrage sind Maßnahmen gegen das sogenannte Abschleichen, also den Abzug unversteuerter Gelder in andere Länder, erwähnt, zu denen sich die Schweiz verpflichtet hat. Können Sie sagen, welche Maßnahmen das sind?

Zum anderen: Wenn das im Vermittlungsausschuss scheitert, welche Maßnahmen empfehlen Sie Ihrem Nachfolger, um für die Zukunft den Abfluss von Vermögen aus Niedersachsen, das eigentlich in Niedersachsen versteuert werden müsste, in Richtung Schweiz oder wohin auch immer zu verhindern?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister!

Zur ersten Frage: Natürlich ist es jedem unbenommen, mit seinem Geld zu machen, was er will. Es ist ja nicht verboten, im Ausland Geld zu haben bzw. Geld ins Ausland zu transferieren.

Da wir erwartet haben, dass diese Frage gestellt wird, haben wir beim BMF nachgefragt.

(Zuruf von Markus Brinkmann [SPD])

- Es lag doch auf der Hand, dass diese Frage gestellt wird. Da musste man kein großer Prophet sein.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ihr seid eben berechenbar!)

Laut BMF gibt es bisher keine Hinweise auf relevanten Kapitalabfluss seit Unterzeichnung des Abkommens. Auch Singapur - Schäuble hat ja auch in Singapur verhandelt - hat keinen Zulauf deutscher Anleger aus der Schweiz zu verzeichnen. Die ursprünglich vorgesehene Fünfmonatsfrist zum Abzug des Kapitals nach Inkrafttreten des Abkommens - das steht in Artikel 5 - wurde in den Nachverhandlungen gestrichen. Die Schweiz muss laut Artikel 16 des Abkommens die zehn wichtigsten Zielstaaten nennen, dann könnten wir gegebenenfalls über Gruppenanfragen die Personen ermitteln.

Es gab ja die Frage, warum dieses Abkommen mit der Schweiz nicht rückwirkend in Kraft tritt. Das erklärt sich daraus, dass die Schweiz eine andere Rechtstradition hat als wir. Die Schweiz geht einfach davon aus - dafür spricht ja auch einiges -, dass sich ein Bürger auf ein neues Gesetz erst dann einstellen muss, wenn es im Gesetzblatt verkündet wird. Wenn bei uns in einem Bundestagsausschuss ein Gesetz beraten wird - davon erfährt der Bürger in der Regel ja gar nichts; denn wer liest schon die Protokolle der Sitzungen von Bundestagsausschüssen? - und anschließend beschlossen wird, dann ist es auch rückwirkend einführbar. Das ist in der Schweiz nicht so. In der Schweiz gilt ein Gesetz erst dann, wenn es im Gesetzblatt verkündet wird.

Aber ich denke, das ist jetzt auch nicht entscheidend. Wer sein Geld aus der Schweiz heraushaben will, der hat es im Zweifel schon rausgeholt, nachdem er in der Zeitung gelesen hat, dass so ein Abkommen kommt, und nicht gewartet, bis das Gesetz im Gesetzblatt der Schweiz verkündet wird.

Tatsächlich ist, wie gesagt, der Mittelabfluss aus der Schweiz - so jedenfalls die Auskunft der Schweiz gegenüber der Bundesregierung - sehr übersichtlich. Das ist auch logisch; denn die Leute legen ihr Geld ja nicht in der Schweiz an, weil sie Waffenhändler oder andere böse Leute sind, sondern weil sie wollen, dass es in einem sicheren Staat verwaltet wird.

Zu der zweiten Frage: Ich kann meinem Nachfolger oder meiner Nachfolgerin gar nichts raten, weil ich nicht wüsste, wie es ein Landesfinanzminister durchsetzen sollte, dass die Bürger ihr Geld ausschließlich bei niedersächsischen Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken anlegen und nicht dort, wo es ihnen gefällt. Das kann er von den Bürgern nicht verlangen; denn in Deutschland gilt die allgemeine Handlungsfreiheit. Dazu gehört auch, dass man sein Vermögen da verwalten lassen kann, wo man will. Allerdings muss man es in Deutschland angemessen, nämlich nach den deutschen Steuersätzen, versteuern. Mit dem Schweizer Steuerabkommen wäre es gelungen, das Vermögen, das in der Schweiz liegt, der deutschen Abgeltungssteuer und dem Solidaritätszuschlag zu unterwerfen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die erste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt der Kollege Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie rechtfertigt sie die Aussage, dass dieses Steuerabkommen sozusagen das beste ist, das zu verhandeln war, und zwar vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Schweiz gegenüber den USA verpflichtet hat, alle Kundendaten auf Anfrage herauszugeben, also keine Anonymität zu gewährleisten, was eben auch eine rückwirkende Strafverfolgung ermöglicht? - In diesem Abkommen hat sich die Schweiz auch dazu verpflichtet, auf Bitten der USA sogenannte Gruppenanfragen, also eine Art Steuerrasterfahndung durchzuführen, während nach dem Abkommen mit Deutschland gerade einmal eine Abfrage pro deutschem Finanzamt pro Jahr zugelassen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Möllring!

Ich habe vorhin schon vorgetragen, dass bei uns Gruppenanfragen nach dem OECD-Standard möglich sind. Die Schweiz - so steht es da ausdrücklich drin - würde uns die zehn bedeutendsten Staaten nennen, in die das Geld gehen würde.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das nützt gar nichts!)

Die Schweiz und die USA haben am 3. Dezember in Washington D. C. ein Abkommen zur erleichterten Umsetzung der US-Steuergesetzgebung FATCA paraphiert. Die Erleichterungen gelten insbesondere für Sozialversicherung, private Vorsorgeeinrichtungen und für Schadens- und Sachversicherungen, die vom Anwendungsbereich ausgenommen sind, sowie für Sorgfaltspflichten der Finanzinstitute. Das Abkommen soll sicherstellen, dass von US-Personen bei Schweizer Finanzinstituten gehaltene Konten entweder mit Zustimmung des Kontoinhabers oder auf dem Amtshilfeweg mittels Gruppenersuchen an die US-Steuerbehörden gemeldet werden. - Das Gruppenersuchen haben wir nach OECD-Standard auch.

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜNE])

- Herr Klein, hören Sie doch einfach einmal zu! Ich habe es doch vorhin schon erklärt, und Sie stellen die gleiche Frage dann noch einmal.

Falls keine Zustimmung vorliegt, werden Informationen nicht automatisch, sondern nur auf der Grundlage der Amtshilfebestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens ausgetauscht. - Diese Amtshilfeersuchen haben wir inzwischen auch, aber sie bringen natürlich nur etwas, wenn man einen konkreten Anfangsverdacht hat. Nur, Amerika setzt eben erst auf die Zukunft und lässt die letzten zehn Jahre völlig unberücksichtigt.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist doch Unsinn! Wenn Sie die Namen der Leute haben, dann können Sie die auch behelligen!)

- Wenn Sie konkret wissen, dass jemand Steuern hinterzogen hat, dann brauchen Sie auch das nicht. Aber Sie müssen die letzten zehn Jahre schon ermitteln. Und was machen wir? - Wir lassen am 1. Januar 2013 schon wieder ein Jahr verjähren, und das sehenden Auges.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Hagenah stellt die zweite Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie die Tatsache bewertet, dass das von Bundesfinanzminister Schäuble mit der Schweiz ausgehandelte Vertragswerk nur für hier ansässige natürliche Personen gelten soll und damit das dort lagernde Vermögen von GbRs, OHGs, Stiftungen usw. dauerhaft der steuerlichen Verfolgung und der Besteuerung hier entzogen würde.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das kann er doch gar nicht alles wissen!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier um die Einkommensteuer. Die Einkommensteuer, die wir in Deutschland als Abgeltungssteuer auf Ertrag von Vermögen zahlen, ist an die natürliche Person bzw. an Personenge

sellschaften gebunden. Mit Kapitalgesellschaften hat das gar nichts zu tun.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Eine OHG ist eine Personengesellschaft!)