Protokoll der Sitzung vom 07.10.2008

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erteile dem Abgeordneten Will für die SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoppenbrock, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Messen muss man das am Ergebnis und nicht am

öffentlichen Tamtam. Aber das Ergebnis ist eben verheerend. Das muss man hier festhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Der Arbeitsplatzabbau bei Karmann wird weitergehen. Der Osnabrücker Fahrzeugbau steht vor dem Aus. Zwischen 1 250 und 1 725 Arbeitsplätze sollen noch abgebaut werden. Es gibt derzeit nur ein Unternehmenskonzept ohne den Fahrzeugbau. Der Geschäftsleitung ist es bisher nicht gelungen, einen Auftrag zur Fertigung eines Komplettfahrzeugs zu gewinnen. Die Produktion des derzeit noch gebauten CLK-Cabrios von Mercedes endet voraussichtlich im August 2009. Bleibt das so, wird das Unternehmen auf die Kerngeschäfte Entwicklung und Dachfertigung konzentriert.

Weiter unklar ist die Zukunft des Betriebsmittelbaus. Auch hier sucht das Unternehmen nach einem strategischen Partner oder Kaufinteressenten, der diesen Zweig mit ca. 700 Beschäftigten weiterführen soll. Sollte das allerdings nicht gelingen, wird auch dieses Segment um 500 auf ca. 250 Arbeitsplätze reduziert werden.

Nach der Umsetzung blieben dann nur noch 1 600 bis 2 100 Arbeitsplätze in Osnabrück bestehen. Motivation und Stimmung der Beschäftigten sind im Keller. Viele qualifizierte Mitarbeiter, z. B. aus der Entwicklung, gehen schon jetzt. Das Unternehmen blutet aus, das Know-how geht verloren, der Marktwert sinkt. Mit der Schließung des Fahrzeugbaus geht dann auch ein Stück Kernkompetenz des Standorts Osnabrück verloren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, und was macht die Landesregierung? Was machen dieser Wirtschaftsminister oder dieser Ministerpräsident? Setzen sie sich engagiert für den Standort Osnabrück, für den Erhalt der Kernkompetenz von Karmann ein? Vor der Landtagswahl galt das Prinzip „Hoffnung machen“. Da sah man am Horizont schon die Folgeaufträge. Nach der Wahl verabschiedete man sich schnell davon. Natürlich ist es richtig, dass ein Unternehmen und eine Geschäftsführung zunächst selbst verantwortlich sind für Aufträge und Auslastung der Werke. Aber hier bleibt zu kritisieren, dass man den Menschen in der Firma Hoffnung macht mit Andeutungen über angebliche Aufträge, die real gar nicht existierten.

Auch zur kritischen Einschätzung der Unternehmensstrategie habe ich hier ein klares Wort von Ihnen vermisst, Herr Hoppenbrock. Sie geben Ihre Verantwortung ab. Sinken bei guter Konjunktur die

Arbeitslosenzahlen in Deutschland, dann hat es natürlich die Landesregierung persönlich gerichtet. Gibt es Massenentlassungen und Produktionseinstellungen wie bei Karmann, so sind das Unternehmen oder der Markt verantwortlich oder die von Gewerkschaften und Betriebsräten zu verantwortenden Beschäftigungssicherungsprogramme in der Automobilindustrie. So hat sich der Ministerpräsident hier ausgedrückt. - Meine Damen und Herren, so kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns! Ich will Herrn Wulff zitieren:

„Auch die vierte Säule, der Komplettfahrzeugbau, macht uns Probleme. Er gehört insgesamt dazu und darf nicht aufgegeben werden.“

Und an anderer Stelle sagte Herr Wulff:

„Auch das Problem Karmann ist ungelöst. Wir bemühen uns weiter um eine Lösung des Problems bei Karmann. Wir wollen, dass dort der Fahrzeugbau erhalten bleibt, weil daran auch langfristig Forschung und Entwicklung hängen.“

Und wie sieht nun die Bilanz nach dieser richtigen Forderung aus? - Der Fahrzeugbau bei Karmann geht in die Abwicklung. Für weit über 1 000 Arbeitsnehmer steht die Kündigung an. Der Betriebsrat verhandelt mit dem Rücken zur Wand über Sozialpläne. Die Anteilseigner verhandeln weiter über Teilverkäufe bzw. denken über weitere Stilllegungen nach. Die IG Metall vor Ort bezeichnet dieses Konzept als eine Katastrophe. Und die Landesregierung und die sie stützenden Fraktionen halten sich fein raus. Außer Appellen, wie Sie, Herr Hoppenbrock, oder der Ministerpräsident sie hier im Plenum wiederholt geäußert haben, ist nichts passiert.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Das ist falsch! Das wissen Sie auch!)

Die Vorstände von VW, Ford und Daimler Benz scheint Ihr Hilferuf nicht erreicht zu haben.

(Heinz Rolfes [CDU]: Nun ist es aber gut! - Gegenruf von der LINKEN: Eben nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig haben die Sozialplanverhandlungen für die mindestens 1 250 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer begonnen, mit deutlich verschlechterten Angeboten des Arbeitgebers. Neben einem Sozialplan ist aber auch die Einrichtung einer Transfergesellschaft entscheidend, um möglichst vielen Arbeitnehmern eine lang andauernde Arbeitslosigkeit zu ersparen. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, wie in der Vergangenheit die Transfermöglichkeiten durch die Förderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds zu stärken.

Das alles sind jedoch bestenfalls Abwicklungsszenarien. Entscheidend ist auch hier die mangelnde industriepolitische Kompetenz wie bei so vielen unerledigten Baustellen dieser Landesregierung in Niedersachsen, ob VW, Conti, TUI oder Luft- und Raumfahrtindustrie. Wirtschaftskompetenz darf man Ihnen wirklich nicht unterstellen. In Zeiten stabiler Konjunktur schaffen Sie es, aus Vorzeigeunternehmen durch Ihr Nichthandeln Übernahmekandidaten zu machen, oder Sie schauen der Zerschlagung hilf- und tatenlos zu.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich erteile der Abgeordneten König von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Will, so einfach ist die Situation nicht. Eine Landesregierung, ein Ministerpräsident, ein Minister - wer auch immer - kann nicht in eine Firma gehen und ihr vorschreiben, wie sie ihre Aufträge zu verteilen und ihre Fertigung zu organisieren hat. So leicht ist das Gewerbe in der Wirtschaft leider nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der LINKEN: Leider!)

- Dass Sie das gerne wollen, glaube ich: alles unter dem kommunistischen Aspekt und die freie Marktwirtschaft platt machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben doch „leider“ gesagt!)

Dieser Antrag der LINKEN ist populistisch und wird der Bedeutung des Betriebes Karmann in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Textbau- stein!)

Aus dem Schicksal der Mitarbeiter dieses alteingesessenen Familienbetriebes mit einer derartig geschmacklosen Vorführung politischen Nutzen zu ziehen, finde ich ganz schön dreist.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Fällt Ihnen auch was Inhaltliches ein?)

- Inhalt Ihres Antrages war nicht Karmann, sondern Ihr Antrag war ein Rundumschlag gegen die soziale Marktwirtschaft in Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wer auch nur andeutungsweise etwas von Wirtschaft versteht oder sich etwas mehr damit befasst hat, muss feststellen, dass fast alle Unternehmen im Automobilbereich in der Vergangenheit zum Teil massive Probleme hatten. Nach dem schmerzlichen Rückgang des Absatzes von Neufahrzeugen nicht nur in Deutschland und wegen des erweiterten Angebotes aus den asiatischen Ländern wurde die Auslastung der Kapazitäten in allen Werken immer schwieriger. Das hatte zur Folge, dass die Unternehmen zur Rettung ihrer Standorte vom Outsourcing einzelner Nischenmodelle abrückten und die Produktion stattdessen im eigenen Betrieb unterbrachten. Diese Entwicklung hat Karmann schon vor fünf Jahren schwer getroffen, als dort die Produktion des Golf Cabrios eingestellt wurde. Als Mercedes jetzt das Gleiche tat und außerdem der Crossfire nicht so eingeschlagen ist, wie man sich das erhofft hatte, wurden die Bemühungen, den Standort Osnabrück im Fahrzeugbau zu erhalten, immer schwieriger.

Die Gespräche der Landesregierung, die Ministerpräsident Wulff und auch Minister Hirche mit allen Fahrzeugherstellern geführt haben, haben eben nicht gefruchtet, weil genau das, was ich eingangs gesagt hatte, nicht möglich ist. Man kann sich nicht in die Firmenprobleme einbringen, indem man einfach sagt: Ihr müsst mal etwas abgeben. - So geht das nicht. Fragen Sie doch einmal den Betriebsrat bei VW, ob man in der Lage gewesen wäre, die dort bestehenden Unterkapazitäten von mittlerweile 2 bis 3 Millionen noch dadurch zu erweitern, dass man Aufträge an Karmann gibt. Die hätten Ihnen etwas anderes erzählt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Im Übrigen hat der Betriebsrat in Osnabrück sich gegen die weitere Einmischung der Politik ausgesprochen. Herr Reimann hat das ganz klar in der Öffentlichkeit gesagt.

(Zurufe von der LINKEN - Unruhe)

Frau Kollegin, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Sie müssen die Auffassung der Rednerin nicht teilen, aber ich fände es angemessen, dass Sie ruhig zuhören.

(Zurufe von der FDP und von der CDU)

Als dann aber gar nichts gefruchtet hat, hat man wieder nach der Politik gerufen. Das eine kann man, das andere muss man.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Im Übrigen hat die Landesregierung eine ganze Menge gemacht, wie ich in meiner letzten Rede im Juni ausgeführt habe. Da habe ich alles vorgetragen, was die Landesregierung schon gemacht hat, z. B. die Auffangmodelle. Meine Vorredner haben von den gasbetriebenen Autos gesprochen, deren Produktion zum Teil dorthin verlagert werden soll. Das eine Modell aus Wunstorf steht schon länger zur Diskussion, ein zweites kommt jetzt neu hinzu. Ein weiteres Beispiel ist die Brennstoffzelle. Das alles hat die Landesregierung mit veranlasst. Warum erzählen Sie hier, wir hätten nie etwas getan? Das stimmt nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben sich stets bemüht!)

Wir alle sind betroffen von der schwierigen Lage, in der sich Karmann und die Mitarbeiter befinden, aber leider passiert so etwas in einer freien globalen Welt. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit dem gleichen Einsatz auch den kleinen und mittelständischen Betrieben widmen würden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Machen wir!)

Wenn beispielsweise 300 Betriebe im Transportgewerbe in Niedersachsen von Insolvenz bedroht sind, kräht bei Ihnen kein Hahn danach.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese Betriebe haben ja auch keinen Betriebsrat, der sich einsetzt, und sie treten auch nicht in Massen auf. Wenn einer laut wird, ist es der Inhaber, und der zählt bei Ihnen als Ausbeuter und nicht als Arbeitgeber.