Frau Kollegin, ich darf kurz unterbrechen. Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Die Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluss. - Wir erleben eine Krise des vom Finanzmarkt getriebenen Kapitalismus mit verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen für Hunderte von Millionen Existenzen weltweit.
Ohne die massive staatliche Einflussnahme in den kapitalistischen Machtzentren wären die Auswirkungen schon jetzt noch dramatischer. Ich komme zum Schluss. Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate zeigen: Der vom Finanzmarkt getriebene Kapitalismus ist gescheitert.
Daher fordern wir die Landesregierung auf, sich nicht länger als passives Anhängsel des Finanzmarktes und der Wirtschaftsentwicklung zu zeigen. Herr Hirche, handeln Sie! Es geht um die Existenz von Tausenden von Familien in Niedersachsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Weisser-Roelle, es ist schon ein starkes Stück, ausgerechnet dieser Landesregierung zu unterstellen, sie sei bei Karmann untätig geblieben.
Sie stellen die Dinge hier auf den Kopf. Das Gegenteil ist richtig. Außerhalb des Osnabrücker Unternehmens Karmann hat sich wohl niemand so für die Arbeitsplätze in Osnabrück eingesetzt wie der Ministerpräsident, Christian Wulff,
Dass sie das nicht auf dem offenen Marktplatz in Osnabrück austragen, ist bei so sensiblen Themen natürlich richtig. Es ist gut, dass das so gelaufen ist.
Karmann ist ein herausragendes Unternehmen in der Region. Karmann ist Marktführer bei Dachsystemen für Cabriolets. Weltweit werden Sie wohl kaum ein Unternehmen wie Karmann finden, das in so kurzer Zeit kompetent komplette Fahrzeuge entwickelt und diese dann auch noch mit den dazu passenden Produktionswerkzeugen ausstattet.
Sorgenkind ist der Komplettfahrzeugbau, und die Situation spitzt sich zu; da haben Sie recht. Im kommenden Jahr laufen die letzten CLK- und AudiA4-Modelle vom Band. Folgeaufträge sind nicht in Sicht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen können die großen Automobilhersteller durch flexiblere Produktion neue Nischenmodelle in den eigenen Werken inzwischen billiger und besser herstellen, als es früher der Fall war. Zum anderen ist die eigene Produktion oft nicht ausgelastet; das sehen wir auch bei Volkswagen. Zu allem Überfluss hören wir jetzt täglich Meldungen über sinkende Zulassungszahlen bei Neufahrzeugen.
Meine Damen und Herren, nach unzähligen Bemühungen um Folgeaufträge hat die Unternehmensleitung in Osnabrück nun entschieden, den Fahrzeugbau zum 1. September kommenden Jahres endgültig einzustellen, es sei denn, bis zum Frühjahr liegt tatsächlich ein neuer Auftrag vor. Dabei geht es um ca. 1 700 Arbeitsplätze. Das wäre wirklich tragisch für die Region, für Osnabrück und für Rheine.
Bei Karmann stehen also in jedem Fall gewaltige Umstrukturierungen ins Haus. Wir werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unternehmensführung dabei auch weiterhin nach Kräften unterstützen. Die Landesregierung hat bereits Gespräche mit dem Bund und der EU-Kommission geführt. Sie will prüfen, wie die notwendigen Maßnahmen finanziell begleitet werden können, z. B.
Neue Hoffnung für Karmann bringen Aufträge für Elektromobile, von denen man lesen konnte. Das Land fördert außerdem Forschung und Entwicklung neuer Antriebssysteme, z. B. der Brennstoffzelle. Auch die finanzielle Förderung der Transfergesellschaften hat in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich geholfen. Rund 80 % der vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Karmann-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter konnten so kurzfristig in neue Beschäftigungsverhältnisse gebracht werden.
Meine Damen und Herren, trotz aller Schwierigkeiten hat die Landesregierung ihre Bemühungen nicht aufgegeben, die bis 2001 praktizierte gute Zusammenarbeit zwischen Volkswagen und Karmann neu zu beleben. Aber, Frau Weisser-Roelle, Gott sei Dank haben wir die Planwirtschaft in Deutschland inzwischen überwunden.
Auch die von Oskar Lafontaine geforderte Enteignung von Familienunternehmen dürfte in absehbarer Zeit nicht umzusetzen sein.
Das Gegenteil ist der Fall: Wir freuen uns über jedes Familienunternehmen. Wir freuen uns über Unternehmen, hinter denen ein Gesicht steht. Wir erkennen an, dass Familien wie Karmann sich trotz attraktiver und interessanter Möglichkeiten weltweit immer wieder mit hohen Investitionen zu den Standorten Osnabrück und Rheine bekannt haben.
Meine Damen und Herren, Fakt ist: Die Situation bei Karmann ist prekär. Sie eignet sich aber überhaupt nicht zur wirtschaftspolitischen Profilierung der Linkspartei.
CDU und FDP werden sich auch zukünftig für jeden einzelnen Arbeitsplatz bei Karmann, aber auch für jeden einzelnen Arbeitsplatz bei anderen Unternehmen in Niedersachsen starkmachen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob wir dem Unternehmen Karmann und seinen Mitarbeitern helfen, wenn wir hier im Landtag alle zwei Monate ohne substanzielle neue Erkenntnisse die Lage beklagen, ist sehr zu bezweifeln.
Natürlich wollen auch wir Karmann möglichst mit allen erworbenen Kompetenzen in Niedersachsen absichern, nicht nur die Linke. Deshalb ist der Erhalt der vor der Schließung stehenden Abteilung im Karosseriebau auch uns sehr wichtig. Aber immer wieder an der gleichen Stelle in Aktuellen Stunden darüber zu lamentieren, dass die Landesregierung mehr hätte tun müssen, ändert an der kritischen Lage des Unternehmens nichts.
Die Wirtschafts- und Industriepolitik der Landesregierung ist insgesamt eine Reihe von großen Niederlagen und wenigen Lichtblicken.
Die Lichtblicke sind vornehmlich der Lagegunst des Landes an der Küste und viel regenerativer Energie geschuldet. Aber mit den erfolgten süddeutschen Übernahmen bei VW und Conti drohen in den kommenden Jahren erhebliche Zerschlagungsrisiken bei unseren wichtigsten Industriebetrieben, Herr Hoppenbrock. Die TUI zerlegt sich gerade selbst, und bei Berentzen läuft schon der Ausverkauf. Auch unsere wichtige Tourismusbranche profitiert unterdurchschnittlich vom Trend zum Inlandsurlaub. Niedersachsen entwickelt sich trotzdem dank der konjunkturellen Gesamtlage in den letzten Jahren noch positiv. Dramatisch wird es aber, wenn jetzt über unsere angeschlagenen Wirtschaftszweige im Zuge der Finanzkrise ein allgemeiner Abschwung hinwegrollt.
das Unternehmen anpassen muss, um zu überleben. Daran kann eine Landesregierung nichts ändern, Frau Weisser-Roelle. Der eigentliche Skandal ist, dass die Landesregierung und allen voran der Ministerpräsident mit den Hoffnungen der Mitarbeiter gespielt hat. Er hat ihre Sorgen für seine öffentlich zur Schau gestellte Anteilnahme direkt vor der Landtagswahl genutzt, ohne eine echte Perspektive in der Hand zu haben.
Herr Wulff hat dabei seinen vermeintlichen Einfluss bei VW bewusst mit in Szene gesetzt. Dabei war damals schon klar: Selbst wenn VW einen Arbeitsüberhang hätte, bekäme Karmann bei dem Berg an zerschlagenem Porzellan zwischen Landesregierung und Porsche keinen einzigen Auftrag - allein schon weil Herr Wiedeking dem Ministerpräsidenten diesen Erfolg nicht gönnen würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil die Landesregierung keine wirtschaftspolitischen Ideen hat, sind Management und Arbeitnehmer wie bei Karmann ganz auf sich allein gestellt. Da macht die Meldung vom Samstag über Karmanns zweiten Auftrag zur Fertigung eines Elektroautos zumindest ein wenig Mut. Die Zukunft des Unternehmens liegt in der Zulieferung und der Fertigung von innovativen Nischenprodukten. Der in den kommenden Jahren sicher stark wachsende Markt für Elektrofahrzeuge ist so eine Nische, in der sich Karmanns Flexibilität und Effizienz auch bei zunächst geringen Stückzahlen wieder bewähren können. Hier wäre es jetzt nötig, dass das Land den Beschäftigten mindestens eben soviel Rückendeckung für diesen neuen Entwicklungszweig gibt wie bei der sonst leider notwendigen Transfergesellschaft für die Jobs, die trotzdem nicht mehr zu retten sind. Da erwarte ich Ihren Einsatz, Herr Minister Hirche.