Ich kann bei dem, was Sie hier in den letzten fünf Jahren gemacht haben, nur eines erkennen: immer mehr Verfassungsschutz, immer weniger Datenschutz. Das ist die Politik der ehemaligen Bürgerrechtspartei und Rechtsstaatspartei FDP zu diesem Thema. Angesichts dieser Bilanz, angesichts der blamablen Leistung in den letzten fünf Jahren sollten Sie sich zu diesem Thema wirklich nicht noch einmal zu Wort melden.
Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Leuschner von der SPD-Fraktion. Die Fraktion hat noch sieben Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon sehr merkwürdig, Herr Dr. Rösler, dass Sie sich im Rahmen der Aktuellen Stunde mit
diesem Thema zu Wort gemeldet haben. Es ist ein wichtiges Thema. Aber ich höre auch, was Herr Kubicki sagt. Ihr Handeln in Niedersachsen - Herr Briese hat das ausgeführt - ist ein ganz anderes. Ich habe noch einmal nachgeschaut, was Sie in den letzten drei Jahren zum Thema Datenschutz in diesen Landtag eingebracht haben: gar nichts. Die Koalitionsfraktionen haben dem Datenschutzbeauftragten den nicht öffentlichen Bereich des Datenschutzes entzogen. Wir haben dagegen protestiert. Daraufhin sind Sie zurückgerudert und haben es ihm wieder zurückgegeben. Sie wissen, dass gerade der nicht öffentliche Bereich derjenige ist, in dem man auf Wirtschaftsunternehmen Einfluss nehmen kann, in dem man sie beraten kann. Es ist schön, wenn Sie jetzt durch aktuelle Anlässe eines Besseren belehrt worden sind.
Aber, meine Damen und Herren, wir müssen im Datenschutz weitergehen. Wir müssen auch hier in Niedersachsen die Initiative ergreifen. Wahrscheinlich hat Herr Bode nicht richtig mit Ihnen kommuniziert. Wir hätten am Mittwoch über einen beratungsfähigen Antrag von den Grünen zum Thema Datenschutz abstimmen können. Ihre Fraktion hat gesagt: Da muss noch ein bisschen nachgebessert werden; da müssen wir noch einmal beraten. - Sie haben die Abstimmung verzögert, um angeblich eine gemeinsame Plattform hinzubekommen.
Ich möchte auch gerne einmal wissen, wie denn Ihre Haushaltsnachbesserungen in dem Bereich aussehen, wie Sie gedenken, den Datenschutzbeauftragten personell und finanziell auszustatten,
und wie Sie Institutionen fördern, die sich für Datenschutz- und Verbraucherrechte einsetzen. Da ist von Ihrer Seite bislang noch nichts zu sehen gewesen.
Ich werde nun noch auf den Gesetzentwurf der Großen Koalition eingehen. Darin sind ganz wesentliche Elemente. So soll etwa der Straf- und Bußgeldrahmen im Bereich des Missbrauchs persönlicher Daten erhöht werden. Ferner soll es möglich sein, durch vorsätzlichen Datenmissbrauch entstandene Gewinne abzuschöpfen. Darüber hinaus soll eine schriftliche Einwilligung derjenigen erforderlich sein, deren Daten gesammelt werden; das soll auch groß und sichtbar für ältere Menschen erkennbar sein. Schließlich wird gegen
das Scoring vorgegangen, also dagegen, dass man aufgrund der gesammelten Daten Profilbildungen vornehmen kann. Das sind Sachen, die wir auch in Niedersachsen umgesetzt sehen wollen. Da warten wir auf Ihre Vorschläge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einleitend aus dem sogenannten Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren:
„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. … Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“
Das Bundesverfassungsgericht leitet dann aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde und aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ab, und es stellt auch fest: Es gibt keine belanglosen Daten, weil die Daten verarbeitet und verknüpft werden können.
Jetzt müssen wir uns klarmachen, dass dieses Urteil von 1983 ist. Da hatten einige von Ihnen zu Hause vielleicht einen C64 mit einer Datasette
stehen. Das, was die damals konnten, kann heute jeder Taschenrechner, den sie als Werbegeschenk bekommen. Heute gibt es viel leistungsfähigere Computer und viel größere Speicherkapazitäten. Ich habe 20 Jahre lang im IT-Bereich gearbeitet; ich weiß, wovon ich da rede. Insofern hat sich die Problematik der Verarbeitbarkeit und Speicherbarkeit der Daten sowie der Risiken, die sich daraus ergeben, erheblich verschärft. Das hat übrigens mit dazu beigetragen, dass der Finanzmarkt so aufgeblasen ist, wie er jetzt ist, und dass es die Probleme gibt, die wir damit jetzt haben;
denn schließlich geht ja niemand zu seiner Bank und sagt: Ich habe ein bisschen Geld übrig und interessiere mich heute einmal für Forward Rate Agreements oder für Zinsderivate oder Puts. Solche Dinge kann eine Bank ja nur dann in Mengen verkaufen, wenn sie die Leute gezielt anspricht, weil sie vorher - in Anführungszeichen - ausgerechnet hat, dass die Leute das mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kaufen. Das kann sie ja nicht jedem anbieten.
Aus dem zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts folgt, dass der Staat bei der Gesetzgebung zum Datenschutz den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat und dass er zwischen berechtigten Interessen zur Datenspeicherung und zwischen den Freiheitsrechten und den Grundrechten der Menschen, die u. a. von Herrn Briese schon angesprochen worden sind, zu unterscheiden ist.
Vorratsdatenspeicherung, Kfz-Kennzeichen-Scanning, Schleierfahndung, RFID-Chips, einheitliche Steuernummern, mit der wir alle schön durchnummeriert werden - das sind erhebliche Datenmengen, die beim Staat gehalten werden und eine erhebliche Missbrauchsgefahr bergen. Wenn ich mir diese Projekte vergegenwärtige, überkommen mich erhebliche Zweifel, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei diesem Gesetzgeber auch nur eine halbwegs angemessene Rolle gespielt hat.
(David McAllister [CDU]: Es gibt den Ermessensspielraum des Gesetzge- bers, und den kontrollieren die Gerich- te!)
Unter anderem klagt deswegen Petra Pau, Bundestagsabgeordnete der Linken, gegen das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung.
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Das ist ja großartig! - Heinz Rolfes [CDU]: Was haben die denn früher gemacht?)
Ich möchte hier feststellen, dass es ab und zu erstaunliche Übereinstimmung zwischen der FDP und den Linken gibt. Das haben Ihre Kollegen im Bundestag auch schon verstanden, und deswegen verhalten sie sich ab und zu entsprechend. Vielleicht dringt diese Erkenntnis auch einmal bis hier, zur Landtagsfraktion, durch. Ich sage ganz klar: Die Linke schließt sich der Aussage der FDP ausdrücklich an. Datenschutz ist wichtig. Sie können nicht verhindern, dass wir dazu klatschen, ob es Ihnen an der Stelle recht ist oder nicht.
Allerdings müssen Sie diese Maßstäbe auch gegen sich selbst gelten lassen. Deshalb fordere ich insbesondere die FDP-Fraktion - Sie können hier bei dem einen oder anderen Gesetz das Zünglein an der Waage sein - ausdrücklich auf: Nehmen Sie Datenschutz sehr ernst! Wägen Sie sorgfältig ab! Wenn Sie das tun, dann müssen Sie zu dem Schluss kommen, dass die geplanten Öffnungen im Verfassungsschutzgesetz und im Sicherheitsüberprüfungsgesetz unverhältnismäßig sind und dass diese Entwürfe in die Tonne gehören. Ich fordere Sie auf, entsprechend zu handeln.
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Hat Frau Pau vor 1990 auch geklagt! - Lachen bei der LIN- KEN)
Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat sich noch einmal Herr Dr. Rösler gemeldet. Bitte schön!
Lieber Herr Kollege Briese, ich bin gerne bereit, mit Ihnen über das eine oder andere zu diskutieren, z. B. darüber, warum die Grünen damals die Gesundheitskarte als Startschuss gleichsam hin zum gläsernen Patienten initiiert haben oder warum sie die Kontodaten von ganz normalen Bürgern ausschnüffeln wollten.
Ich bin aber eigentlich hier, um meine Kollegin Frau Leuschner dazu einzuladen, bei dem Antrag, den wir in der Tat deshalb geschoben haben, um einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, mitzuwirken.
Ich akzeptiere aber nicht, dass Sie, Frau Kollegin Flauger, hier Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1983, die die Grundlage für die informationelle Selbstbestimmung gewesen sind, zitieren, dabei aber noch nicht einmal in Ansätzen, noch nicht einmal verschämt erwähnen, dass Sie zu der Zeit - immerhin sind Sie die SEDNachfolgepartei -
die Menschen in Ihrem Land beschnüffelt haben und nichts, aber auch gar nichts von Datenschutz gehalten haben.
Meine Damen und Herren, ich sehe, der Kollege Rolfes von der CDU-Fraktion möchte sich zu Wort melden. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin in einer etwas schwierigen Situation. Entweder rede ich jetzt ausführlich zum Datenschutz - dann hat allerdings Herr McAllister keine Möglichkeit mehr, zur Elbvertiefung zu reden - oder aber ich spreche, damit wir uns gleich noch mit der Elbvertiefung beschäftigen können, zum Datenschutz nur einige Punkte an.
- Ich weiß nicht, ob Sie beurteilen können, was besser ist. Ich weiß nicht, ob es besser ist, dass ich darauf nicht ausführlich eingehe, wenn ich mir vor Augen führe, wie Sie sich hier eingelassen haben, wo Sie überall Regierungsverantwortung getragen haben und was Sie in der Zeit geleistet haben.
Ich finde diesen Antrag zur Aktuellen Stunde, von der FDP gestellt und von Herrn Dr. Rösler hier vorgetragen, außerordentlich wichtig, weil in diesem Hause unstrittig und klar ist, dass Datenschutz für alle ein sehr wichtiges Gut
und nicht etwas ist, was nur so nebenbei behandelt werden kann. Jeder hat einen absoluten Anspruch darauf zu erfahren, was mit seinen Daten geschieht. Es muss auch klar festgelegt werden, wo die Daten gespeichert sind.
Es muss klar festgelegt werden, wo sie und wie lange sie gespeichert sind und zu welchem Zeitpunkt sie gelöscht werden. Natürlich brauchen wir Vorratsdatenspeicherung wegen der um sich greifenden terroristischen Gefahr. Allerdings meine ich, dass ganz gezielt kontrolliert werden muss, was mit diesen Daten passiert. Wenn ich mir das anschaue, was bei der Telekom passiert ist, dann meine ich, dass sehr genau zu überprüfen ist, ob ein solches Unternehmen dafür besonders geeignet ist. Was ist denn bei der Telekom geschehen? Die Telekom hat sich die Daten klauen lassen, und sie hat das natürlich bemerkt. Aber wann hat sie es den Menschen im Lande gesagt? Als es irgendwann in der Presse veröffentlicht wurde, lange Zeit danach. Das zerstört Vertrauen! Ein Kommunikationsunternehmen, das einen derartigen Kommunikations-GAU erleidet, hat natürlich in dieser Hinsicht fast jedes Vertrauen verloren.
Lassen Sie mich etwas zu Google sagen. Wenn sich jeder Einbrecher das Objekt zu Hause vom Wohnzimmersessel aus in aller Ruhe betrachten kann, dann ist dieser Sachverhalt gesetzlich zu regeln.