Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

Dadurch war er nicht in der Lage, auf die von ihm kritisierte Haushaltsrede einzugehen, in der es nämlich hieß, dass wir gar keine neuen Schulden machen wollen, sondern dass wir das Geld da holen wollen, wo es welches gibt. Ich will Ihnen in der heutigen Debatte Gelegenheit geben, Ihr Manuskript einmal beiseite zu legen und auf die vorgetragenen Argumente einzugehen. Es gibt nämlich überhaupt keinen Streit um die Frage der Haushaltskonsolidierung, sondern es gibt einen Streit um die Frage, wer die Haushaltskonsolidierung bezahlt. Das ist der Punkt, auf den Sie dann bitte auch argumentativ eingehen wollen.

Es gibt in dem Zusammenhang drei weitere Fragen.

Das eine ist die Frage: Wer hat eigentlich die Verschuldungspolitik der letzten zwei Jahrzehnte zu verantworten? Mit Sicherheit ist das eine Partei nicht, nämlich Die LINKE. Dabei ist es mir relativ egal, wie die anderen vier Parteien, die sie mit Sicherheit zu verantworten haben, die Schuld unter sich aufteilen. DIE LINKE war es jedenfalls nicht.

Die zweite Frage ist: Wer hat eigentlich von dieser Verschuldungspolitik profitiert? Auch da ist klar, wer davon nicht profitiert hat. Von der Verschuldungspolitik profitieren natürlich diejenigen, die die Zinseinnahmen kassieren, die der Staat zahlt. Das ist klar wie Kloßbrühe. Damit ist auch klar: Wer kein Vermögen hat, kassiert keine Zinsen und profitiert damit nicht von dieser Verschuldungspolitik. Das sind diejenigen, für die wir hier stehen, nämlich die Vermögenslosen, Hartz-IV-Empfänger, Angehörige unterer Tarifgruppen und Niedriglöhner.

(Jörg Bode [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Bode, Sie wollen eine Zwischenfrage stellen. Sehr gerne!

Danke schön, Sie kommen mir zuvor. - Herr Kollege Bode, Herr Sohn hat signalisiert, dass er eine Zwischenfrage zulässt. Bitte schön!

Herr Dr. Sohn, Sie haben gerade gesagt, von der Verschuldungspolitik der vergangenen Jahrzehnte profitiert nur derjenige, der entsprechende Zinsen bekommt, die der Staat zahlt. So haben Sie es gerade gesagt. Deshalb meine Frage, ob nicht auch derjenige davon profitiert, der das Geld, das der Staat dann ausgibt, erhält?

Danke schön. Herr Sohn!

Das hätte ich gesagt, wenn ich „nur“ gesagt hätte. Das habe ich aber nicht getan, sondern ich habe gesagt, von der Verschuldung profitiert vor allem derjenige, der Zinsen kassiert. Es ist zweifelsohne so, wie ich es dargestellt habe.

Die dritte Frage ist natürlich: Woher kommt das Loch, das wir gemeinsam zu stopfen versuchen?

(Jörg Hillmer [CDU]: Das ist eine inte- ressante Frage!)

Auch das ist ziemlich klar: Die leeren Kassen sind das Ergebnis politischer Entscheidungen; sie sind nicht gottgegeben. Der Kern dessen ist in dieser Grafik, die Sie in dieser oder ähnlicher Form alle kennen, völlig klar dargestellt.

(Der Redner zeigt eine Grafik)

Das ist die Schere zwischen den auseinanderlaufenden Anteilen an den Staatseinnahmen. Der obere Teil stellt die Entwicklung des Anteils der Lohnsteuer an den Steuereinnahmen dar, der inzwischen ungefähr 40 % beträgt. Der untere Teil stellt die Entwicklung der Gewinn- und Vermögensteuer dar, deren Anteil sich jetzt nur noch auf 13 % beläuft. Vor etwa 30 Jahren waren die Anteile pari pari. Diese scherenartige Entwicklung ist der Kern der von Ihnen so beklagten Verschuldungssituation. Kern des Antrages, den wir Ihnen vorgelegt haben, ist es, diese Schere wieder zu schließen,

(Beifall bei der LINKEN)

wobei wir - das schon zu Herrn Aller, der gleich reden wird - natürlich auch dankbar für Anregungen sind, diese Schere auf eine andere Art zu schließen, beispielsweise durch eine konsequentere Besteuerung der Kapitalerträge, und zwar für jeden, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat, egal, ob er Beckenbauer oder Aller heißt. Das kann man machen; darüber kann man reden. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen.

Wir schlagen mit diesem Antrag aber zunächst einmal drei Maßnahmen vor, die über eine Bundesratinitiative relativ zügig zu realisieren wären, weil sie nämlich auf Steuerstrukturen zurückgreifen, die schon existieren oder existiert haben. Das Erste ist - Sie haben das gelesen - eine Initiative zur Wiedereinführung der zurzeit ausgesetzten Vermögensteuer. Das ist zweitens eine Initiative für eine ordentlich bemessene Großerbensteuer und drittens eine Initiative zur Rücknahme von Steuerbegünstigungen und auch zum Schließen von Schlupflöchern für körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen. Das sind die drei Elemente. Die Einzelheiten können Sie der Begründung entnehmen, die zu lesen übrigens auch deshalb wichtig ist, um das eventuell kommende blödsinnige Argument zu entkräften,

(Jörg Hillmer [CDU]: Blödsinnige Ar- gumente gibt es nicht!)

wir wollten vererbte Einfamilienhäuser wegsteuern. Das Argument kommt ja häufig und ist eben blödsinnig.

(Zuruf von Frank Oesterhelweg [CDU])

Ich möchte aktualitätsbedingt auf zwei Punkte eingehen, nämlich erstens auf den gegenwärtigen Stand der Erbschaftsteuerdiskussion und zweitens auf den Stichpunkt „Steuern in der Krise“. Die Aktualität unseres Antrages ist aus zwei Gründen dramatisch gestiegen, meine Damen und Herren, und zwar erstens wegen des Hickhacks um die Erbschaftsteuer. Der bayerische Landesverband der CSU wirbt gegenwärtig um die Hochzeit mit der FDP. Diese wiederum möchte die Erbschaftsteuer ganz gerne zur Ländersache machen. Damit möchte sie die Erbschaftsteuer in den Wettbewerb um den niedrigsten Steuersatz hineintreiben und in der Perspektive möglichst ganz abschaffen, damit die etwas Wohlhabenderen damit drohen können, sonst wegzuziehen. Das ist klar wie Kloßbrühe.

Durch dieses Geschachere und durch diesen bayerischen Hickhack besteht die reale Gefahr, dass

diese Steuerquelle, die im Haushalt für das kommende Jahr noch mit über 300 Millionen Euro verbucht ist, für Niedersachsen komplett versiegt. Die Verantwortung dafür tragen dann CDU und FDP.

(Zuruf von Dr. Philipp Rösler [FDP])

- Ich bin für Ihren Zwischenruf, Herr Rösler, sehr dankbar, weniger, weil er inhaltlich bedeutsam war, sondern mehr, weil er immerhin zeigt, dass Sie anwesend sind, was ja doch ein Kontrastprogramm zum letzten Plenum ist,

(Beifall bei der LINKEN)

als Sie ja, wie wir wissen, drei Tage lang nicht anwesend waren, weil Sie die Anwesenheit bei Unternehmern und das Tafeln in Baden-Baden bevorzugt haben. So viel zu Ihrem Verständnis von Prioritätensetzung in der parlamentarischen Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: In Bayern sind Sie gar nicht dabei!)

Der zweite Punkt ist die Frage der Aktualität durch die gegenwärtige kapitalistische Krise. Jedem gebildeten Marxisten ist seit gut einem Jahr klar

(Zurufe von der CDU: Aha! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Haben Sie sich nicht gerade von den Marxisten distanziert, Frau Flauger?)

- Sie können das in der jungen Welt nachlesen; wenn Sie sie nicht abonniert haben, kann Ihnen Herr Schünemann aushelfen -: Störungen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses platzen in der Zirkulationssphäre auf und brauchen dann einige Zeit, um sich bis in die Realwirtschaft hinunter zu fräsen. Das war so bei der deutschen Gründerkrise 1871. Das war so bei der Krise von 1929 bis 1933, und das ist jetzt so. Ich betone, dass diese große Krise, um mit Star Wars - ich glaube, Jar Jar Binks - zu sprechen, jetzt angefangen hat. Das, was wir heute Morgen diskutiert haben, ist nicht der Höhepunkt der Krise. Das, was wir heute begonnen haben zu diskutieren, ist der Beginn der großen Krise.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Möge die Macht mit uns sein! Das Imperium schlägt gleich zurück!)

Das wird deutlich am Absacken der VW-Produktionszahlen und der Opel-Produktionszahlen. Die nächste Stufe wird ein rückläufiges Steuerauf

kommen sein; das ist heute Morgen schon angeklungen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie werden gleich mein Jedi-Schwert kennenlernen!)

Wenn das geschieht, Herr Möllring, was dann? - Auf diese Situation sind wir außerordentlich gespannt. Geht es dann doch wieder zurück in die von Ihnen so gegeißelte Verschuldung? Oder verkaufen Sie dann die letzten Domänen und Wälder? Oder wollen Sie dann vielleicht dem Vorbild dessen, was Herr Ministerpräsident Wulff aus Indien mitbringt, folgen? Herr Wulff wird wahrscheinlich sagen, dass Indien ein aufstrebendes Land ist, das das auch mit 35 bis 40 Schülern in der Klasse schafft. Wollen Sie dann das zum Vorbild nehmen und entsprechende Klassenfrequenzen einführen?

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wir können einen kommunistisch-marxisti- schen Unterricht aus China zum Vor- bild nehmen!)

Sie können aber auch auf unsere Vorschläge zurückgreifen und das Geld da holen, wo es tatsächlich auch in der Krise ist, und es sinnvollerer Verwendung zuführen, als es im Finanzmarkt-Casino verzocken zu lassen.

Schönen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Kollege Hillmer von der CDU-Fraktion möchte eine Kurzintervention auf Herrn Kollegen Sohn vornehmen. Sie haben 1,5 Minuten.

Herr Dr. Sohn, es ist ja geradezu rührend, wie Sie sich um die Staatsverschuldung in unserem Lande Gedanken machen. Gestehen nicht auch Sie zu, dass ein größerer Teil dieser Staatsverschuldung dadurch begründet ist, dass wir die Folgen von 40 Jahren Sozialismus in unserem Lande in einer gesamtstaatlichen Anstrengung auf uns nehmen mussten?

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Genau das ist es! Das ist so!)

Stehen Sie bitte dazu! Oder wollen Sie sich hier einen ebenso schlanken Schuh machen, wie es Ihre Kollegen in der Menschenrechtsfrage hier gerade vorgeführt hat?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Sohn möchte antworten. Sie haben 1:30 Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch das hält der sachlichen Überprüfung nicht stand. Es war rhetorisch nicht schlecht, obwohl es so ziemlich die alte Nummer war.

(Lothar Koch [CDU]: Aber die Num- mer bleibt! - Weitere Zurufe von der CDU)

Wie Sie wissen, ist die sogenannte Wiedervereinigung - Herr Kohl hat gesagt, das werde aus der Portokasse bezahlt; auch das war ein christlichdemokratischer Irrtum - in wesentlichen Teilen aus der Rentenkasse bezahlt worden. Über die reden wir hier zum Glück offensichtlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN - Jörg Hillmer [CDU]: Aber das Loch war da!)