Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

(Heinz Rolfes [CDU]: Er kann doch jetzt keine Zwischenfrage stellen!)

Trotzdem sind wir als öffentliche Hand gehalten, vertrauliche Daten vertraulich zu behandeln, auch wenn irgendeiner schon gequatscht hat.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Sie können doch nicht sagen, es gibt kei- ne Anzeichen! - Heinz Rolfes [CDU]: Herr Präsident!)

- Diesen Einzelfall, der möglicherweise auch ein Bürgschaftsfall sein könnte, der ein Kreditfall sein könnte, können wir doch nicht in aller Öffentlichkeit diskutieren. Sie können doch nicht die Liquidität eines Unternehmens hier mit Namensnennung diskutieren. Das ist doch völlig abwegig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wenn es schon im Fernsehen war?)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Rolfes von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, zwei Dinge ärgern mich besonders. Deswegen frage ich nach. Ich habe eine Frage zu den Ratingagenturen. In den Fragen kam zum Ausdruck, wie man eigentlich mit Papieren von Lehman Brothers oder anderen überhaupt Geschäfte machen konnte.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wo ist denn die Frage?)

Die Ratingagenturen haben aber alle diese Papiere, einschließlich der Institute, als sehr gut eingestuft.

(Zurufe: Die Frage!)

Herr Kollege, jetzt muss aber die Frage kommen!

Ich habe ja schon gesagt, dass ich ihn frage.

(Heiterkeit)

Herr Kollege, da genügt diese Formulierung aber nicht.

Ich werde mich bemühen, mich zu bessern. - Herr Minister, ich frage also, was die Ratingagenturen betrifft: Teilen Sie die Auffassung, dass es nicht ausreicht, wenn drei amerikanische Ratingagenturen Produkte zunächst als sehr gut einstufen und dann, wenn die Geschäfte nicht zum Erfolg führen, die Institute und Produkte im Rating herabstufen?

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

Welche Schlussfolgerungen zieht man daraus?

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nicht „man“, sondern die Landesregierung!)

Die Schlussfolgerung kann ja nicht nur darin bestehen, eine europäische Ratingagentur zu fordern, sondern dann muss man ja auch betrachten,

ob die bisherigen Richtlinien für das Rating ausreichen.

Herr Kollege, das gehört jetzt nicht mehr zur Frage.

Das ist die Frage dazu. - Herr Präsident, ich darf aber zwei Fragen stellen. Wenn nicht, stelle ich die nächste Frage, so wie Herr Klein, nachher als Zwischenfrage.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Minister, ärgert es Sie nicht genauso wie mich, dass Privatbankiers und Wirtschaftsjournalisten auf Abschreibungsbedarf insbesondere bei den Landesbanken hinweisen, aber mit keinem Wort erwähnen, dass der Abschreibungsbedarf bei den Privatbanken sehr viel größer ist und dass das keine Frage der Kompetenz, sondern der vorherigen Risikoeinschätzung ist?

(Unruhe - Heiner Bartling [SPD]: Hier ist eine Fragestunde!)

- Ich weiß wirklich nicht, warum man an solchen Fragen nicht interessiert ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rolfes, wie es Sie ärgert, weiß ich natürlich nicht. Aber mich ärgert es immens, dass es durch Lobbyarbeit des Bundesverbands deutscher Banken - BdB - gelungen ist, so zu tun, als sei das alles ein Problem der Landesbanken. Ich habe mich immer vehement dagegen verwahrt und habe auch alles, was in meiner Macht steht - vielleicht nicht alles, aber so viel, wie ich glaubte, zu schaffen -, dagegen unternommen. Ich habe mich mit Herrn Weber, dem Präsidenten des Privatbankenverbandes, und anderen angelegt, weil es einfach so nicht geht. Natürlich sind die Probleme bei öffentlich-rechtlichen Instituten - die Sachsen LB ist ein Beispiel -, die sich verzockt haben, gar nicht wegzudiskutieren. Aber viele Privatbanken haben es eben auch getan. Deshalb ist es kein Systemfehler, sondern es sind Managementfehler. Die sind in den öffentlich-rechtlichen Banken ebenso vorgekommen wie in den Privat

banken. Deshalb dränge ich ja auch darauf, dass die Haftung sowohl bei den öffentlich-rechtlichen als auch bei den privatrechtlichen Banken durchgreift, damit so etwas wie in der Vergangenheit nicht mehr passieren kann.

Mich hat es auch etwas gestört, dass am vergangenen Wochenende alle Verantwortlichen nach Berlin gekommen sind, während Herr Ackermann aus der Schweiz telefoniert hat. Es wäre sicherlich möglich gewesen, wie aus München oder Stuttgart schnell nach Berlin zu kommen. Wenn man schon an der Rettung der Hypo Real Estate beteiligt ist, dann müsste man sich vielleicht auch diese Zeit nehmen.

Bei den Ratingagenturen ist das Problem, dass sie diese strukturierten Papiere anfänglich zum Teil mit „AAA“ geratet hatten, sodass sich eigentlich jeder darauf verlassen konnte. Der Fehler bestand darin, dass die Struktur dieser Papiere später verändert werden konnte, ohne dass danach jeweils wieder ein neues Rating vorgenommen wurde.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das haben die nicht einmal gemerkt!)

Nach den geänderten Verträgen hätten die Ratingagenturen die Papiere nicht mehr mit „AAA“ bewerten dürfen. Es kann also nicht angehen, zunächst sozusagen Sahne zu verkaufen und später die Ware auszutauschen, die man verkauft. Das hätte allerdings auch den Käufern auffallen können. An diesem Beispiel sehen Sie, dass sowohl die Kontrolleure als auch die Käufer da nicht aufgepasst haben. Deshalb bin ich sehr für europäische Ratingagenturen, damit wir nicht auf die jetzigen drei Agenturen angewiesen sind, die zu den Unternehmen kommen und sagen: Entweder ihr lasst euch von uns raten - kein Mensch muss sich ja raten lassen; die Pflicht besteht ja nicht -, oder wir raten euch, ohne dass ihr uns das bezahlt. - Vor diese Alternative gestellt, sagt man dann: Gut, wir öffnen euch unsere Bücher und zahlen das Geld; dann ratet ihr wenigstens auf der richtigen Basis.

So ist zurzeit die Situation. Es wäre sicherlich gut, wenn wir da ein bisschen Konkurrenz bekämen, so wie wir sie schon bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben, die man ja auch immer mal wechselt, damit man nicht betriebsblind wird. Ein vernünftiger Wechsel und damit mehr Konkurrenz und bessere Qualität bei den Prüfern wären sicherlich sinnvoll.

Man muss aber auch einmal darüber diskutieren, dass die Ratingagenturen, die einem Unternehmen durch ein verschlechtertes Rating auch wirtschaftlich schaden können, dann auch gegenüber den Endkunden für Fehleinschätzungen haften müssten.

(Zurufe von der CDU und von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Ich habe schließlich nichts davon, wenn mir eine Ratingagentur sagt: Jeder weiß doch, dass dort, wo „AAA“ draufsteht, nicht „AAA“ drin sein muss. - Dann weiß ich nicht, warum „AAA“ draufsteht.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ich gebe jetzt eine Zwischeninformation für alle Kolleginnen und Kollegen: Es liegen noch 18 Wortmeldungen für Zusatzfragen vor. - Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Gibt es bei Kreditinstituten in Niedersachsen einen Anstieg beim Auflösen von Sparguthaben der Bürgerinnen und Bürger, der mit der Finanzmarktkrise im Zusammenhang steht?

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Frau Kollegin, wir haben festgestellt, dass bis Sonntagabend - das ist die letzte Zahl, die mir vorliegt - den Sparkassen Einlagen zugeflossen sind, weil die Bürgerinnen und Bürger möglicherweise das Geld dort sicherer sehen. Wir haben kein generelles Abheben von Geld beobachtet. Es gibt vereinzelt Fälle - das sind aber wirklich Einzelfälle -, dass Leute ihr Geld abheben. Ob das mit der Krise, mit der Finanzsituation zusammenhängt oder ob mit dem abgehobenen Geld andere Geschäfte getätigt werden sollen, ist uns naturgemäß nicht bekannt.

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Möllring, angesichts der sich bei Ihnen zart abzeichnenden Erkenntnis, dass der Markt doch nicht immer alles regelt und dass Unternehmen längst nicht immer aus sich heraus wirtschaftlich sinnvoll oder gar volkswirtschaftlich sinnvoll handeln,

(Heinz Rolfes [CDU]: Kein Klassen- kampf hier!)

und angesichts der Tatsache, dass Sie sicherlich in Ihrer hohen Verantwortung nicht allein auf das Prinzip Hoffnung setzen wollen

(Heinz Rolfes [CDU]: Jetzt muss sie aber fragen, Herr Präsident! - Gegen- rufe: Nicht Sie! Das dürfen gerade Sie nicht sagen!)

- das können Sie sich gerade erlauben, Herr Rolfes! -, frage ich Sie: Welche konkreten Initiativen für Gesetzesänderungen wollen Sie ergreifen, um zu verhindern, dass überzogene Renditeerwartungen erneut zu einer ähnlichen SchneeballsystemKatastrophe führen, wie das jetzt der Fall ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring, bitte!