Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Heinrich Aller [SPD]: Oh! - Petra Em- merich-Kopatsch [SPD]: Fragt sich nur: Für wen? Das ist hier die Frage!)

Damit unterscheiden wir uns ein bisschen von Ihnen; denn die linken Oppositionsfraktionen - alle drei - setzen vor allem auf die Angst der Menschen, um ihre eigenen politischen Botschaften zu rechtfertigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Sie leben von der Verunsicherung und nicht vom Mut. Aber ich sage Ihnen: Mit der Angst werden Sie den Menschen niemals Mut machen. Sie werden unsere Gesellschaft nicht stärken, sondern schwächen. Gleiches gilt leider immer auch für die Demokratie. Dass Sie Ihre eigene Partei mit Ihren linken Thesen schwächen, ist Ihr Problem. Aber wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zu

schwächen, dann sollten sich CDU und FDP endlich einmischen.

(Heinrich Aller [SPD]: Dann haben wir alles wie in Hamburg!)

Wir stehen für eine andere Gesellschaft. Wir stehen für eine starke Gesellschaft, die aus sich selbst heraus stark ist und deswegen einen teuren, bürokratischen und manchmal auch bevormundenden Staat gar nicht erst gebrauchen kann.

Wir werden unserer Verantwortung für diese Gesellschaft gerecht, indem wir den Einzelnen durch Wissen und Kompetenz stärken. Wir werden den Menschen Sicherheit in Niedersachsen geben, eine Sicherheit, die sie nicht einlullt und nicht einengt, weil wir z. B. Familien wieder zu Verantwortungsgemeinschaften ausgestalten; denn Familien sind am Ende die Grundlage für unseren gemeinsamen gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben viel von Gerechtigkeit erzählt. Dies war Teil Ihrer Kampagne. Aber Gerechtigkeit heißt für Sie im Ergebnis immer nur „verteilen“. Auch in Ihrem Beitrag zur Aussprache über die Regierungserklärung habe ich nicht ein einziges Mal das Wort „Chancen“ gehört.

(Heinrich Aller [SPD]: Was? - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Sie müssen ein- mal die Ohren aufmachen!)

Wir sehen das anders. Wir wollen den Menschen keine Angst machen, sondern Mut. Wir wollen sie auf ihr eigenes Leben neugierig machen; denn beides - Mut und Neugier - ist die Grundlage für die Kreativität, die unsere Gesellschaft braucht, um die Probleme aus eigener Kraft gemeinsam und erfolgreich zu lösen. Deswegen setzen wir so stark auf Chancen. Diese Chancen finden Sie in jedem einzelnen Kapitel unseres gemeinsamen Koalitionsvertrags:

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

neue Chancen in der Kinderbetreuung durch mehr Flexibilität, neue Chancen für die Menschen durch ein Mehr an Bildungsqualität, neue Chancen durch Arbeitsplätze, vor allem im Mittelstand, für alle diejenigen, die zu uns kommen, um unser Land mitzugestalten, natürlich auch neue Chancen durch Toleranz und am Ende immer auch Integration und vor allem neue Chancen und Erhalt aller Chancen für die nachfolgenden Generationen durch eine solide Finanzpolitik sowie durch eine richtige Umweltpolitik.

Wir, meine Damen und Herren, machen den Menschen keine Angst, sondern Mut. Wir machen Niedersachsen tatsächlich zum Land der neuen Chancen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Rösler. - Als nächster Redner hat sich Herr Dr. Sohn von der Fraktion Die Linke zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Die Redezeit beträgt 50 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, hier heute zu sprechen. Zunächst möchte ich etwas zur Geschichte, anschließend etwas zur Gegenwart, die um den 27. Januar begonnen hat, und schließlich etwas zur Zukunft sagen.

Zunächst zur Geschichte. Herr Hirche und Herr Rösler, Sie können mir glauben, dass ich weder Herrn Dr. Frommhold noch Herrn Dr. Regensburger vergessen werde. Für die Nichtliberalen: Das sind zwei Mitglieder der DDP - also neben der DVP einer der Vorgänger der FDP -, die im Faschismus umgekommen sind. Ich bitte Sie aber, auch die sieben Mitglieder der KPD, die im Faschismus umgekommen sind und deren Namen Sie im Foyer auf der Bronzetafel lesen können, nicht zu vergessen.

Herr McAllister, ich werde die Helden des 6. Juni 1944, die in der Normandie begraben sind, nicht vergessen. Ich erwarte allerdings von Ihnen, dass Sie auch die Rotarmisten, die an der Wolga begraben sind und die Churchill mit dem Schwert für Stalingrad geehrt hat, nicht vergessen. Das sollten wir gemeinsam tun.

Vielleicht können wir versuchen, die ganze Frage der geschichtlichen Bewältigung zu diskutieren. Ich bin gerne dazu bereit, über alle Kapitel der deutschen Geschichte kritisch, solidarisch und in der Tiefe, die dieser deutschen Geschichte in ihren verschiedenen Aspekten angemessen ist, zu sprechen. Wir sollten dies meines Erachtens im Geiste eines christlichen Widerstandskämpfers tun, den Sie alle kennen, nämlich Herrn Niemöller, der sagte:

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja

kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Ich empfehle Ihnen: Das sollten wir gemeinsam niemals vergessen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Dr. Gabriele Andretta [SPD] und Ursula Helmhold [GRÜNE])

Zur Gegenwart: Nun hat sich die Regierungskoalition noch einmal - ich vermute, ein letztes Mal - ins Amt geschleppt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist aber ein feiner Umgang mit den Wählern!)

Sie haben gegenüber den letzten Landtagswahlen zusammen genommen 512 918 Wähler verloren. Sie müssen sich das einmal bildlich vorstellen: der Waterloo-Platz oder für uns Braunschweiger der Kohlmarkt oder für Herrn Möhle und mich der Schützenplatz in Peine voll mit Menschen. Auf manche Marktplätze passen diese Menschen gar nicht drauf. Stellen Sie sich jeweils den größten Platz Ihres Kreises vor. Mehr als eine halbe Million Menschen! Diese halbe Million Menschen, die Sie vorher gewählt haben, sind von einem Wahltag auf den anderen alle weg. Das ist Ihre Lage!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist eine tolle Beschreibung für den Wahlaus- gang!)

Dieser geschwächten Regierung steht nun eine quantitativ und qualitativ gestärkte Opposition gegenüber. Quantitativ spüren Sie alle das heute, weil Ihr Abstand und Ihr Größenverhältnis zur Opposition nicht gewachsen, sondern geschrumpft ist. Sie wissen das sehr gut. Qualitativ haben Sie eine neue Kraft im Parlament, die einzige - das zur Frage des Wählerrespekts -, die relativ wie absolut sowohl gegenüber den letzten Landtagswahlen als auch gegenüber den letzten Bundestagswahlen an Stimmen gewonnen hat. Nehmen Sie wieder das Bild mit dem Waterloo-Platz, dem Kohlmarkt oder dem Schützenplatz! Da stehen jetzt ungefähr eine viertel Million Wähler. Sie alle haben ein Gesicht, und im Geiste haben sie alle die Fahne der Linken. - Das gibt Hoffnung, das gibt Mut, das gibt Perspektive.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun fragen Sie sich natürlich: Wo kommen die alle her? - Die eine Antwort ist: Sie kommen vielfach von den vorher von Ihnen beklagten Nichtwählern. Die andere Antwort ist: Sie kommen von Ihnen - von der CDU, von der FDP, von den Grünen und von der SPD -, weil sie natürlich Resultat - insofern danken wir Ihnen in gewisser Weise - Ihrer gemeinsamen Politik sind.

Herr Wenzel, mir ist nach Ihrer Rede natürlich klar, warum - politisch gesehen - Hannover zwischen Göttingen und Hamburg liegt. Das war ja doch eine deutliche Offerte an Schwarz-Grün. Dieses Bündnis wird in Göttingen schon praktiziert; dort betreibt es den Sozialabbau mit. In Hamburg wollen Sie den Sozialabbau mit betreiben.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und Sie nicht in Berlin? Was ist in Berlin?)

Auf Bundesebene haben Sie Hartz IV mit verantwortet.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Berlin!)

Nun bestand nach dem 27. Januar die große Frage: Wie meistert eine Regierung, die ein derartiges Wahldesaster nur mühsam durch die zur Schau gestellte Siegeslaune, die man früher eher mit dem Lächeln von Herrn Albrecht in Verbindung gebracht hätte, eine solche Situation?

(Zuruf von der CDU: Das ist einmalig dumm!)

Die Frage war also: Wird das eine Regierung mit dem Mut der Verzweiflung, oder wird das eine Regierung der entschlossenen Mut- und Kraftlosigkeit? - Diese Frage ist inzwischen durch die Regierungserklärung beantwortet: Das ist eine Regierung der organisierten Mut- und Kraftlosigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer Augen hat zu sehen, hat das im Grunde auch schon im Wahlkampf gemerkt.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Herr Hirche hat ja mehrfach darauf hingewiesen, dass wir dieses schöne Wappentier, unser Pferd, haben. Im Original - anders als das, was dort hängt - ist das ein kraftvolles Pferd, im Höhepunkt seiner Kraft. Frau Helmhold, es sei mir als Vertreter einer der beiden einzigen Fraktionen, die ordentlich quotiert sind, verziehen: Es ist auch kein

geschlechtsloses Wesen - es ist ein Hengst, mit allen seinen Sinnen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da gibt es nichts zu verzeihen! Da sind wir großmütig!)

Sie wissen ja, jeder von Ihnen: In der parlamentarischen Demokratie - - -

(Unruhe - Wilhelm Hogrefe [CDU]: Hengst ist besser als Wallach! - Wei- tere Zurufe)

- Sie können Ihre Pferdekenntnisse ja gleich noch draußen austauschen. - In der parlamentarischen Demokratie ist der Wahlkampf ein bisschen wie der Zeugungsakt einer Regierung.

(Unruhe)

Damit zeigt sich natürlich auch im Wahlkampf, was hinten herauskommt. Nun legen Sie vor dem geistigen Auge einmal dieses schöne NiedersachsenRoss, das schönste Wappentier aller Bundesländer, neben Ihre erbärmlichen Wahlplakate und neben diese Silhouette, die Sie auf diese Wahlplakate geklebt haben. Da gibt es nämlich dieses Pferd: Es ist sinnenlos, augenlos, geschlechtslos, sozusagen zeugungslos.