Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

(Beifall bei der FDP)

Damit wir uns richtig verstehen: Nicht jede der 15 Maßnahmen ist grundsätzlich falsch. Aber alle Maßnahmen greifen zu kurz und gehen am Kern des Problems total vorbei. Die Maßnahmen greifen zu kurz, weil sie unterfinanziert sind und deswegen jede Maßnahme wirkungslos verpuffen muss.

(Zuruf von der SPD: Jetzt rufen Sie nach Steuerausgaben! - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Nun sind wir aber ge- spannt!)

Sie gehen am Kern des Problems vorbei, weil die Bundesregierung einmal mehr den Mut vermissen lässt, notwendige Reformen auf Bundesebene endlich umzusetzen. Dazu zählen wir dringend notwendige Reformen zur Flexibilisierung des Arbeits- und Tarifrechts genauso wie eine deutliche Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Interesse der kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP)

Mindestens genauso wichtig wie eine Entlastung des unternehmerischen Mittelstandes ist eine Entlastung der gesellschaftlichen Mitte, also der Mittelschicht, durch eine deutliche Steuersenkung und eine deutliche Senkung der Abgaben. Ich verweise in diesem Zusammenhang gerne auf den Koalitionsvertrag von CDU und FDP hier in Niedersachsen. Gemeinsam haben wir beispielsweise vereinbart, in bestimmten Bereichen die Umsatzsteuersätze zu senken. Denn CDU und FDP in Niedersachsen sind gemeinsam davon überzeugt, dass man durch Steuersenkungen die Menschen sehr schnell und sehr konkret entlasten kann.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Herr Wulff hat letzte Woche erklärt, für Steuer- senkungen sei kein Platz!)

Dass hingegen staatliche Konjunkturpakete teilweise fast ins Absurde neigen, zeigt sehr schön das Beispiel der zeitweiligen Kfz-Steuer-Befreiung beim Neuwagenkauf. Bei einem Mittelklassewagen entspricht das einem Gegenwert von 200 bis 300 Euro. Angesichts von Kosten in Höhe von ca. 25 000 Euro bin ich fest davon überzeugt, dass diese 200 bis 300 Euro sicherlich nicht kaufentscheidend sind.

(Beifall bei der FDP)

Ökologisch ist es auch nicht, Herr Kollege Jüttner. Das hat ja sogar Ihre Bundestagsfraktion gemerkt. Dann wundert es mich aber, dass Sie ausgerechnet die ökologische Komponente gestrichen haben und jetzt nicht mehr nach EU-Normen, nach Abgasnormen entschieden wird, sondern schlichtweg pauschal alle großen Autos für zwei Jahre von der Kfz-Steuer befreit werden. Das ist weder ökologisch sinnvoll, noch ist es ökonomisch sinnvoll. Eigentlich ist dieser staatliche Lenkungsversuch nicht anders als naiv zu bezeichnen.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der CDU und von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Ich freue mich, dass Herr Jüttner als einsamer Vertreter der SPD-Fraktion an dieser Stelle auch unserer Meinung ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe für alle geklatscht!)

- Das ist bei Ihnen so: Einer geht voran, und alle folgen. Bei Frau Ypsilanti war das allerdings etwas anders.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Besonders enttäuschend finden wir aber nicht Frau Ypsilanti, sondern den Umstand, dass in diesem Maßnahmenpaket explizit die Hinterlandanbindung unserer Häfen angesprochen wird, aber das Küstenland Nummer eins, nämlich Niedersachsen, einen Anteil von gerade einmal 39,7 Millionen Euro, also 13 %, erhalten soll. Mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens der Mittel für die Hinterlandanbindung soll in die Bundesländer NordrheinWestfalen und Bayern gehen. Bekanntermaßen sind das Bundesländer, die keine Seehäfen haben. Hierbei von „Hinterlandanbindung“ zu sprechen, halten wir für lächerlich.

(Beifall bei der FDP)

Fassen wir zusammen: Es gibt sinnvolle Maßnahmen in diesem Paket wie die Aufstockung der GAMittel, die Änderung der Förderkulisse Ost/West oder auch die erleichterte und verbesserte Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen. Aber der große Wurf bleibt aus.

Die Bundesregierung hat es in guten Jahren versäumt, die notwendigen Reformen anzustoßen. Das rächt sich jetzt in schlechten Zeiten.

Wir bleiben deswegen dabei: Es wäre richtig, echte Reformen im Steuerrecht und bei den Sozialversicherungssystemen anzustoßen. Wir brauchen kein Konjunkturpaket, sondern eher ein Strukturpaket, das die Strukturen verändert, verbessert und Investitionen in Bildung und Infrastruktur dort ermöglicht, wo es Sinn macht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es schon ganz schön dreist, Herr Rösler, jetzt mit der Forderung nach Steuererleichterungen die Allgemeinheit zusätzlich zur Kasse zu bitten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade erst haben die Menschen hierzulande mit 500 Milliarden Euro die Profitgier der weltweit allzu sehr liberalisierten Finanzmärkte vor dem Absturz geschützt, damit nicht die gesamte Realwirtschaft mit ins Bodenlose gerissen wird. Da kommt die FDP und schlägt als Gegenmittel Steuersenkungen vor. Schönen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Eine Lehre müssten doch auch Sie, Herr Rösler, aus der Finanzkrise ziehen - darum führt kein Weg herum -: Ihr neoliberales Hauptdogma „Je mehr Freiheit für das Kapital bei geringstmöglichen Steuern, desto besser für alle“ hat sich einmal mehr als extrem risikobelastet entpuppt

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

und beinahe zum totalen Crash geführt. Wir hatten nicht zu viele Regeln und Abgaben im internationalen Finanzmarktgeschehen, sondern ganz eindeutig zu wenige. Das war das Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Nötig wäre es allerdings, in Niedersachsen jetzt Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen. Diesbezüglich sehen wir von Ihnen leider nichts. Als Erstes sollten Sie Finanzminister Möllring aus seinem Wachkoma wecken, damit er nicht weiter an den inzwischen völlig überholten Haushaltsvorgaben für 2009 festhält. Stattdessen schlägt die FDP vor, auf die bevorstehenden krisenbedingten Steuereinbrüche noch Steuersenkungen im Bund obendrauf zu legen. Damit würde der Staat als Marktakteur vollends handlungsunfähig. Ich befürchte, das wollen Sie sogar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist Aufgabe dieser Landesregierung, sich jetzt antizyklisch zu verhalten und die Initiativen der Bundesregierung durch Maßnahmen in unserem Bundesland zu verstetigen und zu verstärken. Sie wären gut beraten, aufgrund der neuen Lage den

Landeshaushalt für das Jahr 2009 zu überprüfen und konsequent an die Wirtschaftskrise anzupassen. Ich hatte erwartet, dass Sie damit heute auftreten und nicht mit dieser lächerlichen Steuersenkungsnummer.

(Beifall bei der LINKEN)

Einige Eckpunkte dazu, die Sie dabei beherzigen sollten: Erstens müssen sämtliche vermeintlich oder tatsächlich unverzichtbaren Zukunftsinvestitionen des Landes auf den Prüfstand, um das Unverzichtbare vom Aufschiebbaren oder gar Verzichtbaren zu unterscheiden. Mehr Geld wird nämlich in den nächsten Jahren von Bund und Ländern kaum investiert werden können, sondern angesichts der Situation hinsichtlich der Steuereinnahmen, der wir uns absehbar gegenüber sehen, eher weniger. Deshalb muss jeweils das Effektivste für Arbeitsmarkt und Infrastruktur mit möglichst schneller Wirkung getan werden. Insoweit gibt es einiges im Landeshaushalt für 2009 und die folgenden Jahre umzulenken.

Zweitens. Trotz dieser Vorbelastung kommender Haushalte sind die existenziellen Zukunftsaufgaben Bildung und Klimaschutz weiterhin mit zusätzlichen Mitteln und Instrumenten auszustatten. Gerade vorgestern haben Sie in den Zeitungen sehr schlechte Zeugnisse zu dem bekommen, was Sie in Sachen Klimaschutz machen. In den neuen Energietechniken haben Sie den guten Platz vom Anfang des Jahrtausends in Ihren schwarz-gelben Jahren verspielt.

(Widerspruch bei der FDP)

Drittens. Für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung des Landes sind an die neue Lage angepasste Schwerpunkte festzulegen. Ein klassisches Konjunkturprogramm nach dem Gießkannenprinzip ist sicherlich nicht effektiv. Darin gebe ich Ihnen recht. Aber die Konjunkturanreize sind mit Investitionen in Klimaschutz und Bildung zu verbinden und vor allem zielgenau auf Handwerk und Mittelstand auszurichten. Das macht der Haushalt 2009 bisher nicht. Deshalb werden wir Ihnen unsere Vorschläge zum Haushalt 2009 vorlegen und sind gespannt, was Sie sich bis dahin überlegen. Das muss jedenfalls mehr sein als das, was Sie heute vorgetragen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in den Jahren 2000 bis 2005 - ich empfehle Ihnen, einmal die Vergleichszahlen zu studieren - hatten wir in den Haushaltskassen auch im ersten Jahr der Krise noch nicht so

große Belastungen. Das dicke Ende kam dann. Das sollte uns allen klarmachen, dass die Finanzkrise in der Realwirtschaft heftige Spuren hinterlassen wird. Wenn wir die Auswirkungen möglichst gering halten wollen, dann müssen wir die in diesem und im nächsten Jahr noch günstige Finanzausstattung des Landes für die Auflage eines wirkungsvollen Kriseninterventionsprogramms nutzen. Dazu rufe ich das gesamte Haus auf, auch CDU und FDP.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Will von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Rösler, das beste Konjunkturpaket für diese Republik wäre es, wenn die Akteure von der IG Metall heute Mittag einen vernünftigen Tarifabschluss für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zustande brächten.

(Beifall bei der SPD)

Dabei geht es immerhin um 3,6 Millionen Beschäftigte. Sie wissen genau, wir sind zwar Exportweltmeister, aber in der Binnenkonjunktur hakt es. Sie haben wenig dazu beigetragen, dass sich die Binnenkonjunktur positiv entwickelt.

Meine Damen und Herren, Sie reden hier ja frei. Sie hätten sich einmal bei Herrn Wulff erkundigen sollen. Er hat noch in der letzten Woche gesagt, für Steuersenkungen sei kein Platz.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So ist es!)