Etwa 2,5 % aller Studienanfänger in Niedersachsen kommen über den dritten Bildungsweg zum Studium. Diese Quote liegt zwar über dem Bundesdurchschnitt. Aber wie heißt es so schön schaurig? - Der Einäugige ist König unter den Blinden.
Ich will mich hier auf zwei Punkte konzentrieren, erstens auf den Abbau der formalen Hindernisse und zweitens auf die Senkung der finanziellen Hürden.
Zu dem ersten Punkt. Die erwähnte Ausgangslage ist in Niedersachsen zwar besser als in anderen Bundesländern, aber noch lange nicht gut. Ein Blick über den deutschen Tellerrand hilft hier weiter. In Niedersachsen wird man zu einer Aufnahmeprüfung an Hochschulen im Kern unter drei Voraussetzungen zugelassen: Erstens muss man seit mindestens einem Jahr in Niedersachsen wohnen. Zweitens muss man eine Ausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung oder allgemein eine fünfjährige Berufserfahrung auf angemessenem Niveau nachweisen können. Drittens muss man die Vorbereitung der Prüfung durch Gutachten belegen können. Ausgebildete Fachkräfte ohne zweijährige Berufserfahrung können sich an einer Hochschule aber nicht weiterbilden. Ebenso wenig können das junge Menschen tun, deren berufliche Tätigkeit nicht als ausreichend anerkannt wird.
Schauen wir uns Modelle in Finnland oder Großbritannien an, können wir eine ganze Menge lernen, z. B. von der Open University Großbritanniens, die die größte staatliche Hochschule mit über 200 000 Studierenden ist. Das Studium ist dort als Fernstudium konzipiert, sodass de facto nur 150 Menschen vor Ort sind. Aufnahmekriterien für die Hochschule gibt es nicht. Angeboten werden alle Abschlüsse: vom Bachelor bis zur Promotion. Den Studierenden bleibt es überlassen, in welchem Tempo sie ihre Kurse belegen und ihre Prüfungen absolvieren. Das Studium kann die Ausmaße eines Vollzeitstudiums annehmen; es kann aber auch ein berufsbegleitendes Studium sein. Ein solches Modell der Hochschulbildung als Ergänzung zu den bestehenden Angeboten in Niedersachsen sollte man sich meiner Meinung nach sehr genau anschauen.
In Finnland gibt es keine große Fernuniversität, aber ein durchlässiges Modell einer Art Volkshochschule, das bis hin zu den Universitäten führt. Dieses Modell möchte ich aus Zeitgründen erst im Ausschuss ausführlich darstellen.
Nun zum zweiten Punkt, der notwendigen Absenkung der finanziellen Hürden. Ein Studium und die Vorbereitung darauf erfordern nicht nur Hirnschmalz, sondern auch Schmalz auf dem Brot. Wir müssen die Finanzierung der Studierwilligen und der Studierenden dringend verbessern. Die Vorbereitungskurse verschlingen Geld. Gleichzeitig müssen zeitliche und somit auch finanzielle Abstriche im Beruf gemacht werden. Hier ist Unterstützung notwendig.
Der zweite Aspekt ist die Studienfinanzierung. Zwar haben die Studierenden, die auf dem Weg über die berufliche Bildung an die Hochschule kommen, grundsätzlich Anspruch auf BAföGLeistungen. Das gilt aber nur für den Fall, dass sie bei Beginn des Studiums das 30. Lebensjahr noch nicht absolviert haben. Nach dem 30. Geburtstag müssen sie das Studium in der Regel selbst finanzieren. Die Altersgrenze beim BAföG muss definitiv fallen.
Das Studium muss finanziell abgesichert sein. Wir dürfen die Bildungswilligen nicht hängen lassen, sondern müssen sie unterstützen.
Ich fasse zusammen. Es ist ein wichtiges Thema, bei dem man sowohl bei den Angeboten der Bildungsträger als auch bei der Unterstützung der Studierwilligen so manches verbessern kann. Das Thema sollte allerdings nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Fachkräftemangels betrachtet werden. Vielmehr sollte es Menschen generell ermöglicht werden, unabhängig von einem straighten Lebensweg ihr Recht auf Selbstverwirklichung und Erkenntnisstreben wahrzunehmen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Vorschlag von Frau Dr. Heinen-Kljajić aufgreifen, zu Beginn der Ausschussberatungen eine Auswertung der bishe
rigen ANKOM-Projekte vorzunehmen. Das halte ich in der Tat für sinnvoll, denn man kann aus einer solchen Auswertung entsprechende Schlüsse ziehen. Ich erkenne bei allen drei Oppositionsfraktionen, dass sie dem Ansinnen des Antrages von CDU und FDP zustimmen. Insofern gibt es sicherlich eine interessante und sachliche Ausschussberatung.
Im Wintersemester 2007/2008 betrug die Zahl der Studierenden, die ihr Studium aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation aufgenommen haben, bundesweit nur 10 778. Das sind 0,56 % aller Studierenden. Nach Berechnungen des Vereins Deutscher Ingenieure fehlen uns bundesweit zurzeit 95 000 Ingenieure. Diese Zahl ist mittlerweile bekannt. Die genannten Zahlen, die durchaus miteinander zusammenhängen, zeigen beeindruckend, wie wichtig die Öffnung der Hochschulen für qualifizierte Aus- und Weiterbildung ist. Mit der Offenen Hochschule in Niedersachsen stehen wir an der Spitze dieser Bewegung. CDU und FDP wollen weiter daran arbeiten, dass jeder die Chance hat, sich nach seinen Fähigkeiten zu qualifizieren.
In der neuen Welt des lebenslangen Lernens wird die Verzahnung von Hochschule und Berufsleben eine neue Qualität bekommen. Viele Hochschulen müssen ihr Verhältnis zur Wirtschaft neu definieren. Wir brauchen Offene Hochschulen, die ihre Aufgabe dann auch vielschichtiger sehen. Auch den Unternehmen - ich spreche hier insbesondere von den kleinen und mittleren Unternehmen - wird eine neue Möglichkeit eröffnet, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden. Das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichert nachhaltig mehr Arbeitsplätze, als es jede Subvention leisten kann. Wir bauen die Offene Hochschule aus, um nicht nur den Wissenschaftsstandort Niedersachsen, sondern auch den Wirtschaftsstandort Niedersachsen zu stärken.
Den Spitzenplatz, den wir uns bundesweit erworben haben, wollen wir im Rahmen der Qualifizierungsinitiative weiter ausbauen. In Niedersachsen wurde für die Handwerksmeister bereits der Zugang zur Hochschule eröffnet. Sie können somit ein Studium aufnehmen.
Frau Dr. Andretta, ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, Sie zu korrigieren. In einer Pressemitteilung vom 6. Oktober 2008 haben
- Ganz genau. - Sie hatten eben ja schon selbst dargestellt, dass dies auf Ihren Wissenschaftsminister zurückzuführen ist.
- Richtig. - Sie erwähnen das aber explizit noch einmal in einer Pressemitteilung in diesem Jahr. Insofern möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, nicht hinter Ihre eigenen Beschlüsse zurückzufallen.
Wir wollen, dass der Hochschulzugang für weitere Berufsgruppen, für weitere Abschlüsse eröffnet wird. Es gäbe z. B. die wunderbare Möglichkeit, auch dem IHK-Fachwirt den allgemeinen Hochschulzugang einzuräumen.
Das Zeitalter der Ein-Beruf-Biografien ist, wie ich denke, vorbei. Deshalb werden die guten Angebote der Einrichtungen für Weiterbildung und Erwachsenenbildung an Bedeutung gewinnen. Die Offene Hochschule ist ein wichtiger Baustein, um mehr Menschen zum Studium zu führen. Sie eröffnet darüber hinaus für alle Bürgerinnen und Bürger eine Chance, die ein Leben lang wissenschaftlich begleitet Weiterbildung nutzen wollen. Wir wollen in diesem Zusammenhang die traditionellen Wege zum Studium selbstverständlich nicht vergessen. In der Offenen Hochschule sieht die FDP-Fraktion aber die große Chance, Menschen in unserer Gesellschaft zu helfen, die aus einkommensschwächeren und nicht akademischen Familien stammen. Ihnen müssen wir die Möglichkeit geben, sich über die berufliche Praxis weiterzuentwickeln und weiterzubilden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich Ihnen ein Kompliment machen. Es ist immer wieder faszinierend, wie es die Opposition schafft, selbst bei Themen, bei denen sie nicht umhinkommt, die Landesregierung zu loben, eine dialektische Meisterleistung zu vollziehen und dann doch in Kritik zu enden. Okay, das Spiel ist offensichtlich so. Wir nehmen das erneut zur Kenntnis.
Frau Andretta, ich habe eben einmal recherchieren lassen, wer eigentlich - ich hatte dabei immer etwas anderes im Kopf - das Copyright bei dieser ganzen Geschichte hat. Richtig ist, dass Helga Schuchardt die Universitäten für die Meister geöffnet hat. Richtig ist aber auch - das darf man, wie ich denke, in aller Bescheidenheit sagen; das war damals paradigmatisch -, dass die Regierung Albrecht die Fachhochschulen für beruflich Qualifizierte geöffnet hat. Damit hat sie in der Bundesrepublik Deutschland damals einen einmaligen Vorgang eingeleitet. Bis zu Herrn von Oertzen, der hier eben erwähnt worden ist, oder gar bis zu Humboldt sind meine Mitarbeiter bei ihren Recherchen allerdings nicht zurückgegangen. Das habe ich eben recherchieren lassen. Ich sage das deshalb, weil Sie in Ihren Eingangsbemerkungen behauptet haben, wir würden auf einen fahrenden Zug aufspringen. Ich denke, das kann man so nicht sagen. In Niedersachsen gibt es die gute und lange Tradition, die Erwachsenenbildung hochzuhängen. Keiner der Kollegen hier im Hause wird das bestreiten. Herr Jüttner, Sie kennen den Bereich ja sehr gut. Diese Tradition haben alle Regierungen in Niedersachsen immer hochgehalten und gepflegt.
Das ist auch richtig so; denn das zahlt sich heute aus. Vor wenigen Wochen habe ich das schon einmal in der Kultusministerkonferenz gesagt, in der wir ja eine etwas ungewöhnliche Gemengelage haben. Immer wenn über das Thema diskutiert wird, sind die süddeutschen Kollegen nicht belustigt. Dann gucken mich immer Doris Ahnen, Jürgen Zöllner und andere an, weil sie genau wissen, dass zwischen Niedersachsen und süddeutschen B-Ländern erhebliche Differenzen aufzuzeigen sind. Ich habe dort einmal gesagt, dass ich fest davon überzeugt bin, dass es z. B. dem Personal
chef von Siemens völlig egal ist, ob er einen Bachelor- oder Masterabsolventen einstellt, der mit dem Abitur zur Universität oder zur Fachhochschule gelangt ist, oder jemanden, der auf anderen Wegen dorthin gelangt ist. Das Entscheidende für Siemens, VW und andere Firmen ist, dass er auf die Herausforderungen im Unternehmen vorbereitet ist, die ihn erwarten. Damit sind wir schnell auch beim Thema Fachkräftemangel.
Bis auf wenige Ausnahmen haben das jetzt im Grunde alle verstanden; denn sonst hätte es den folgenden Beschluss des Bildungsgipfels vom 22. Oktober nicht geben können:
„Die Länder werden die Voraussetzung für die bessere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung schaffen. Beruflich Qualifizierten wird nach dreijähriger Berufstätigkeit der fachgebundene Hochschulzugang eröffnet, Meistern, Technikern und Fachwirten der allgemeine Hochschulzugang ermöglicht.“
Meine Damen und Herren, wir stehen in der Verantwortung, die Hochschulen von der Alma Mater im Sinne einer klassischen Institution des akademischen Lernens nach dem Schulabschluss so weit fortzuentwickeln, dass sie sich auch für andere öffnen. Das ist unstreitig.
Ich habe das Klingeln im Hintergrund eben gehört. Darum will ich all das, was hier gesagt wurde, nicht wiederholen. Wir sind einer Meinung und können uns darüber im Ausschuss unterhalten.
Gestatten Sie mir aber eine abschließende Bemerkung. Liebe Frau Andretta, ich glaube, dass es trotzdem klug ist, die Umsetzung des Konzeptes der Offenen Hochschulen den Hochschulen zu überlassen, und zu versuchen, uns hier als Staat möglichst zurückzunehmen.
Wir müssen auf eines achten: Das Thema Offene Hochschule darf in keinem Fall zu einer Verwässerung der Qualität führen. Wenn es im Ergebnis zu dem Vorwurf käme, dass die Öffnung der Hochschulen zu einer Qualitätsminderung führt, dann geht - das sage ich etwas salopp - der Schuss vollständig nach hinten los.